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Jordanien als Hort der Stabilität

Andreas Gorzewski12. September 2014

Kriege, Krisen und die Schreckensherrschaft des "Islamischen Staates" reichen bis an die Grenzen Jordaniens. Bislang konnte das Königreich ein Übergreifen verhindern. Dafür gibt es politische und religiöse Gründe.

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Jordanische Soldaten am 25. Juni 2014 an der Grenze zum Irak (Foto: Reuters)
Jordanische Soldaten an der Grenze zum IrakBild: Reuters

Während der Irak und Syrien in Chaos und Krieg versinken, die Gewalt im Libanon zunimmt und der Gaza-Krieg noch nachwirkt, erscheint Jordanien wie eine friedliche Insel. Das kleine Königreich schafft es seit Jahren, ein Überschwappen der vielfältigen Krisen zu verhindern. Dabei kann König Abdullah II. weder auf Öl-Milliarden noch auf eine große Armee zählen. Die Probleme für sein Land sind dagegen riesig. Mehr als 600.000 Flüchtlinge sind in den Sieben-Millionen-Einwohner-Staat geflohen. Die Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS, früher ISIS) ist im Irak bis an die jordanische Grenze vorgestoßen. Daraufhin verstärkte das Land seine Truppen in der Region. Auch in Jordanien hat die sunnitische Extremistengruppe mittlerweile Anhänger.

Für die relative Ruhe im "Haschemitischen Königreich Jordanien" gibt es nach Ansicht des Journalisten Daoud Kuttab mehrere Gründe. Der Generaldirektor des arabischen Community Media Network mit Sitz in der jordanischen Hauptstadt Amman verweist zunächst auf die Monarchie. Das Königshaus stehe zugleich über den alltäglichen Regierungsgeschäften und den wechselnden Ministerpräsidenten. Das erzeuge Stabilität, sagt Kuttab im DW-Gespräch.

Palästinenser stellen vermutlich die Mehrheit

Es gebe in Jordanien außerdem derzeit kein Reizthema, dass den inneren Frieden gefährden könnte, führt der Journalist aus. Zwar ist eine Mehrheit der Bevölkerung palästinensischer Abstammung. Zwischen Jordaniern und Palästinensern gebe es aber keine ernsthaften Probleme, erläutert Kuttab, der selbst palästinensischer Herkunft ist.

Im Vergleich zu Ägypten, Tunesien oder dem Jemen verursachte der Arabische Frühling in Jordanien kaum Unruhen. Die gewaltsamen Umwälzungen in den anderen Staaten haben die Jordanier offenbar abgeschreckt. "Die Menschen erleben die Verwüstungen um sie herum. Sie sind dankbar für die Sicherheit und Stabilität in ihrem Land", schrieb die Journalistin Rana al-Sabbagh in der arabischen Tageszeitung "Al-Hayat". Abdullah II. sei den Straßenprotesten in Jordanien mit "vorausschauenden Reformschritten" begegnet. Dadurch habe er die Unzufriedenheit im Zaum gehalten.

In Jordanien leben fast nur Sunniten

Ein weiterer Grund für den sozialen Frieden ist laut Kuttab, dass konfessionelle Unterschiede keine Rolle spielen. "Anders als in Syrien, dem Irak und Jemen, wo es innere Spannungen zwischen Sunniten und Schiiten oder Alawiten und Sunniten gibt, hat Jordanien keine religiösen Konflikte", erläutert der einstige Journalismus-Professor der Princeton-Universität. Sunnitische Muslime stellen die große Mehrheit der Bevölkerung. Die kleine christliche Minderheit lebt weitgehend in Sicherheit.

Blick auf die große Moschee in Amman (Foto:dpa)
Fast alle Jordanier gehören dem sunnitischen Islam anBild: picture-alliance/dpa

Darüber hinaus sind Geheimdienste und Sicherheitsapparat offenbar sehr effektiv. Sie haben Kuttab zufolge dafür gesorgt, dass der "Islamische Staat" in Jordanien noch keine breite Basis hat. "Es gab einige Demonstrationen, bei denen Flaggen des 'Islamischen Staates' gezeigt wurden, aber das waren isolierte Vorfälle", sagt der Journalist mit Blick auf Unruhen vor einigen Wochen im südjordanischen Maan.

IS-Anhänger auch in Jordanien

Der rasche Vormarsch der IS-Verbände im Juni und Juli im Irak hatte auch in Jordanien Angst verbreitet. Viele Menschen befürchteten, dass die IS-Kämpfer über die irakische Grenze nach Süden vorstoßen könnten, beschrieb Osama al-Sharif vom nahöstliche Online-Informationsportal "Al-Monitor" die Stimmung. Die IS-Vision von einem Kalifat umfasst auch das Haschemitische Königreich. Im Juli kursierte ein Internet-Video von einer Salafistengruppe aus dem jordanischen Sarka, die dem IS-Führer Abu Bakr al-Bagdadi die Treue schwor. Der prominente Salafistenführer Issam al-Barkawi, bekannt als Abu Mohammed al-Makdisi, wandte sich jedoch scharf gegen den "Islamischen Staat". Die Sunnitenorganisation töte andere Muslime und sei nicht berechtigt, ein Kalifat auszurufen, schimpfte al-Barkawi. Er war erst kurz zuvor aus jordanischer Haft entlassen worden. Das führte Al-Sharif zufolge zu Spekulationen, dass der Salafistenprediger von der Regierung gegen den "Islamischen Staat" instrumentalisiert wurde.

Syrische Flüchtlinge im März 2014 jordanischen Flüchtlingscamp Saatari (Foto: Reuters)
In Jordanien leben mehr als 600.000 Flüchtlinge aus SyrienBild: Reuters

Im Irak und in Syrien kämpfen viele Jordanier unter dem schwarzen IS-Banner. Unterschiedliche Schätzungen reichen bis zu einigen Tausend. Doch bislang spielen sie in ihrer Heimat nach Ansicht von Kuttab keine Rolle: "Sie halten sich an eine Art ungeschriebene Abmachung mit dem Geheimdienst: Wir kümmern uns nicht darum, was ihr außerhalb von Jordanien macht, aber wenn ihr in Jordanien seid, dann benehmt euch!"

In den US-Plänen für eine Allianz gegen die IS-Kämpfer spielt das Land eine wichtige Rolle. US-Außenminister John Kerry sprach noch am Mittwoch mit König Abdullah II. Doch Jordanien wird sich nicht aktiv in seine beiden Nachbarstaaten einmischen, ist Kuttab überzeugt. Der Regierungschef in Amman habe eine direkte Beteiligung ausgeschlossen. Außerdem gebe es öffentlichen Widerstand gegen eine mögliche Truppenentsendung. "Jordanien wird eine Menge Hilfsdienste und Geheimdienstinformationen bereitstellen, aber es wird keine jordanischen Bodentruppen dafür geben", betont Kuttab.

König Abdullah II. (l.) am 14. Febr. 2014 mit US-Präsident Obama (Foto: Reuters)
US-Präsident Barack Obama (r.) sieht in Jordaniens König Abdullah II. einen Verbündeten für seine Nahost-PolitikBild: Reuters