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Journalismus in der Gefahrenzone

6. April 2010

2006 wurden die DW-Reporterin Karen Fischer und ihr Lebensgefährte Christian Struwe in Afghanistan erschossen. Fischers ehemalige Universität in Boston widmet ihr nun eine Vorlesungsreihe über Krisenjournalismus.

https://p.dw.com/p/MnuL
Karen Fischer in AfghanistanBild: DW
Newseum Prof. Laurel Leff
Laurel Leff, Journalistik-Professorin der Northeastern Universität von BostonBild: DW

Sie sei eine Ausnahmeerscheinung gewesen, fachlich wie menschlich – und ihr Verlust immer noch ein herber Schlag für alle, die sie am Institut gekannt hätten. So charakterisierte Laurel Leff, Professorin an der School of Journalism, ihre ehemalige Schülerin. Karen Fischer sei bei ihren Kommilitonen und Professoren wegen ihrer aussergewöhnlichen Lern- und Leistungsfähigkeit und ihres Charmes überaus beliebt gewesen. Leff war es denn auch, auf deren Initiative hin die "Karen Fischer Memorial Lecture“ ins Leben gerufen wurde. Die Vorlesungsreihe soll Nachwuchsjournalisten in die Berichterstattung über eine Realität einführen, in der es nicht nur für Kombattanten und Zivilisten, sondern auch für Journalisten oft um die nackte Haut geht.

Ein Mann, ein Jahr, 20 Kriege

Memorial-Vorlesungsreihe in Boston für Karen Fischer
Der Krisenjournalist Kevin SitesBild: Hans Jürgen Mayer

Wie harsch die Realität für Journalisten aussieht, die mehr wollen, als am Schreibtisch zu organisieren und zu analysieren, machte Kevin Sites deutlich. Er ist Autor des Buchs: "In the Hot Zone: One Man, One Year, Twenty Wars“ – "Unter Feuer: Ein Mann, ein Jahr, 20 Kriege“. Dieses Buch entstand aus der Erfahrung von einem Jahr Berichterstattung über Konflikte weltweit. Es fasst die Reportagen zusammen, die Sites für den Internetanbieter Yahoo machte. Sites bloggte von seinen Reisen und wurde so zu einer Celebrity-Grösse für die Internet-Community.

Doch den "Scoop", die Geschichte, die ihn international bekannt machte, landete Sites früher. Anders als Karen Fischer, die Abhängigkeiten jeglicher Art ablehnte, arbeitete er im Irakkrieg "embedded“ - also unter teilweiser Kontrolle durch die amerikanischen Streitkräfte. Als "Rucksack-Reporter", ausgerüstet mit Video-Equipment, Laptop und faltbarer Sattelliten-Schüssel, dokumentierte er im Irak bei der Schlacht um Fallujah mit seiner Video-Kamera die Exekution eines schwer verwundeten und verteidigungsunfähigen irakischen Soldaten durch einen GI. Die Bilder gingen um den Globus. Weltweit wurde sein Video ungekürzt ausgestrahlt - nur mit seinem damaligen Sender NBC hatte Sites eine teilweise Selbstzensur vereinbart, wohl wegen der Furcht vor Racheakten von irakischer Seite. Das allerdings sei ein Fehler gewesen, sagt Sites heute.

Zerstörte Leben

Christian Struwe Kabul Afghanistan
Christian Struwe in KabulBild: DW

Kevin Sites ist ein Reporter, der mit seiner Video-Kamera stehenbleibt, um zu dokumentieren, wenn sich alle anderen in den Schützengraben werfen. Jetzt will er die Kollateralschäden zum Thema machen: die zivilen Opfer und Soldaten, deren Leben der Krieg zerstört. Bald wird er aus Afghanistan berichten – vielleicht wieder embedded und zuversichtlich, nicht irgendwo am Wegesrand zu enden wie die DW-Reporterin Karen Fischer.

Autor: Hans Jürgen Mayer
Redaktion: Mathias Bölinger