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Jubeln verboten?

Olivia Fritz16. September 2012

Hannovers Siegtorschütze Huszti war der Held im Nordderby. Doch wegen seines Torjubels kassierte er gleich zweimal Gelb und musste vom Platz. Diese Regel gehört abgeschafft, findet DW-Reporterin Olivia Fritz.

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Fußball ist Leidenschaft. Die Fans leben sie auf den Rängen aus, die (meisten) Spieler auf dem Platz. In einem Derby ist das alles noch einmal viel intensiver. Und wer in einem solchen Spiel in der 90. Minute das entscheidende Tor erzielt, ist naturgemäß aus dem Häuschen. Nun gibt es die unterschiedlichsten Wege, die urplötzlich in sich aufgestaute Freude hinauszulassen: Per Salto. Mit einem Sprint über den gesamten Platz bis zum Trainer, Masseur oder Flankengeber. Mit emporgereckten Fäusten. Hannovers Siegtorschütze Szabolcz Huszti wählte nach seinem 3:2 gegen Werder Bremen anscheinend die falschen Jubelform: Eine Kombination aus Trikotausziehen – was in den meisten Fällen die weiblichen Fans durchaus in Entzückung versetzt – und Zaunhochklettern.

Gelb-Rot war regelkonform

Beides ist laut offizieller Fußballregeln des Weltfußballverbandes FIFA zu ahnden, jede einzelne Aktion erfordert die Gelbe Karte. Schiedsrichter Deniz Aytekin sah sich gezwungen, die Regeln zu befolgen und zückte zweimal Gelb, was folgrichtig die Gelb-Rote Karte bedeutet. Die war zwar in diesem Moment nicht mehr spielentscheidend, dennoch fehlt Huszti seiner Mannschaft in der nächsten Partie. Er habe nicht gewusst, dass es für die Zaunerstürmung ebenfalls die Gelbe Karte gebe, sagte Huszti später einigermaßen fassungslos. Er habe doch keine schlimme Sache gemacht, sondern wollte nur mit den Fans feiern. Schiedsrichter Aytekin wies darauf hin, nur die Regeln befolgt zu haben.

Die betreffende Regel 12 (verbotenes Spiel und unsportliches Betragen) steht auf Seite 88 im Regelbuch des DFB. Eine ganze Seite gibt den Schiedsrichtern sogar mit Bildern vor, wie sie beim Torjubel zu handeln haben. "Choreografierte Jubelszenen" seien zu unterbinden, "wenn dadurch zu viel Zeit verloren geht". Allerdings werde von den Schiedsrichtern auch erwartet, "gesunden Menschenverstand walten zu lassen."

Gelb ist nicht gleich Gelb

Der "gesunde Menschenverstand" zweifelt nach einer solchen Entscheidung allerdings an dieser Regel. Für ein Foul gibt es ebenfalls die Gelbe Karte. Selbst grobe Fouls werden oft "nur" mit Gelb geahndet. Es fehlt die Verhältnismäßigkeit. Huszti hat niemanden verletzt. Er hat sich nicht einmal besonders lang an dem Zaun festhalten können (es fehlte ihm sowohl an Haltekraft als auch offensichtlich an Übung). Er hat keinen Bengalo gezündet, getragen oder geworfen und er hat niemanden (zum Beispiel per Mikrofon) beleidigt. Er war in diesem Moment einfach der glücklichste Mann im Stadion.

Die Regeln macht die FIFA. Der Deutsche Fußball-Bund DFB kann aber versuchen, sie per Antrag zu ändern. Huszti wird das nicht helfen, aber vielleicht musste ein Präzedenzfall her, um Schiedsrichtern und deren gesunden Menschenverstand wieder mehr Macht einzuräumen. Selbst Aytekin tat es leid, wie er später zugab. Hätte er die Wahl gehabt, hätte er anders gehandelt. Denn auch er weiß nur zu genau: Fußball ist Leidenschaft.