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Jugendliche in Transnistrien suchen ihre Zukunft

Thomas Franke5. September 2005

Transnistrien gibt es offiziell gar nicht. Seit 1990 lebt der abtrünnige Teil Moldawiens isoliert, das Regime geht offenbar illegalen Geschäften nach. Wie sehen Jugendliche ihre Zukunft in einem nicht existenten Staat?

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Transnistrien erstreckt sich jenseits des Flusses Dnjestr zwischen Rumänien und der Ukraine. Als Staat ist das Gebiet nicht offiziell anerkannt. Anfang der 1990er-Jahre kam es zu einem kurzen Krieg zwischen moldauischen Truppen und transnistrischen Paramilitärs. Seit 1992 ist der Konflikt eingefroren. Die herrschende Clique um den Präsidenten Igor Smirnow steht international unter dem Verdacht, den Konflikt mit Moldawien künstlich zu schüren, um illegalen Geschäften nachzugehen. Kein Wunder, dass immer mehr Menschen das Land verlassen, darunter vor allem Jugendliche.

Fenster zur Welt

Der ehemalige Pionierpalast in Transnistriens Hauptstadt Tiraspol. Vor Fernsehbildschirmen sitzen Jugendliche, brausen mit Autos auf Rennbahnen, erschießen Monster und Soldaten. Daneben ist die Tür zum Büro von "World Window", einer transnistrischen Jugendorganisation. "Etwa die Hälfte der Bevölkerung verlässt das Land. Wiederum die Hälfte davon sind Jugendliche", erklärt die Leiterin von "World Window", Vlada Lysenko. "Die suchen nach einem besseren Leben, nach besserer Bezahlung und besseren beruflichen Möglichkeiten. Jugendliche sind hier in einer Art Informationsisolation."

"World Window" versucht, den Jugendlichen ein Fenster zur Welt zu öffnen. Die Mitarbeiter versuchen, sie zu informieren, wie sie reisen können oder eine bessere Ausbildung in Europa oder den USA bekommen. Ansonsten sind die einzigen Informationsquellen das staatliche Fernsehen und die staatliche Zeitung.

Mönch angelt in Transnistrien
Transnistrien ist isoliert - und nicht alle Einwohner identifizieren sich mit der selbsternannten RepublikBild: AP

Uni-Abschluss ohne Wert

Seit nunmehr 15 Jahren ist Transnistrien nahezu vollständig isoliert. Dementsprechend beschränkt sind die Möglichkeiten der Jugendlichen. Zwar hat Transnistrien eigene Institute und Universitäten - nur werden die Abschlüsse fast nirgendwo anerkannt. Die meisten Jugendlichen versuchen deshalb, im Ausland zu studieren.

"Ich habe Freunde, die hier die Schule beendet haben, und dann gingen sie zum Beispiel nach Russland, in die Ukraine und nach Weißrussland", erzählt Nadja, die im deutschen Jugendclub "Phoenix" in Tiraspol gerade beim Renovieren hilft. "Mir scheint, das Lebensniveau ist ganz gut in Weißrussland." Ihre Freundin bekomme 50 Dollar als Stipendium - sie selber acht Dollar. "Wir können ein bisschen Lebensmittel kaufen, Tee, das ist alles."

"Ich fühle mich als Transnistrierin"

Nadja trägt ein enges T-Shirt mit der Aufschrift "Miss Sixty", hat lange hellblaue Fingernägel und eine schwarze Hornbrille. Ihr Mobiltelefon trägt sie um den Hals, auf der Rückseite ein Aufkleber: "Jeder ist ein Ausländer, fast überall", steht darauf. Später möchte sie als Lehrerin arbeiten - oder als Dolmetscherin bei einer Firma in Tiraspol.

Trotz aller Probleme steht Nadja zur "Transnistrischen Moldauischen Republik", wie der Quasi-Staat sich offiziell nennt. Sie fühle sich als Transnistrierin, sagt sie. Was genau das ist, kann sie aber nicht erklären.

In Transnistrien leben Russen, Ukrainer und Moldauer zusammen, genauso wie auf der anderen Seite des Grenzflusses, im restlichen Moldowa. Die Führung in Tiraspol bemüht sich, künstlich eine transnistrische Identität aufzubauen.

Mehr Perspektiven im Ausland

Anders als Nadja ist Kostja die transnistrische Nationalität ziemlich gleich. Kostja ist 21 Jahre alt und leitet den Jugendklub "Phoenix". Er hat eine Theatergruppe gegründet und es schon bis zu einem europäischen Sommercamp in Deutschland geschafft. Er fährt regelmäßig auf die andere Seite des Dnjestr, um sich mit anderen Jugendlichen zu treffen. "Transnistrien oder Moldowa, mir egal", sagt er.

Auch die "World Window"-Leiterin Vlada Lysenko gibt nicht viel auf die transnistrische Identität. Zum Urlaub fährt sie hinaus aus Transnistrien, nach Europa: "Ich bin ein internationaler Mensch, nicht Transnistrierin." Zwar sollte sich hier jeder als Transnistrier fühlen - "ich denke aber nicht, dass die Leute wirklich glauben, sie hätten eine transnistrische Nationalität. Einige junge Leute hätten einen transnistrischen Pass - aber sie können nur in Transnistrien etwas damit anfangen."