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Geheimdienstprozess in München

Frank Hofmann17. Oktober 2014

In München stehen die beiden jugoslawischen Ex-Geheimdienst-Agenten Zdravko Mustac und Josip Perkovic aus Kroatien vor Gericht. Das EU-Land muss sich seiner Vergangenheit als Teil Jugoslawiens stellen.

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Perkovic und Mustac im Gerichtssaal in München am 17.10.2014
Bild: Reuters/Michaela Rehle

Die Ex-Agenten Josip Perkovic und Zdravko Mustac aus Kroatien (Artikelbild) sind angeklagt wegen Beihilfe zum Mord an dem 1983 getöteten Exil-Kroaten Stjepan Djurekovic in Wolfratshausen bei München. Das Verfahren wurde von dem Gericht in München auf 50 Prozesstage angesetzt. Es wird Monate dauern bis ein Urteil gesprochen wird - womöglich erst Ende 2015.

Dem Vernehmen nach fußt die Anklage auf einen zweifelhaften Hauptzeugen. Dennoch könnte das Verfahren wegweisend sein für die Aufarbeitung der mindestens 29 Morde des jugoslawischen Geheimdienstes in der Bundesrepublik.

DW-Reporter Frank Hofmann zum jugoslawischen Geheimdienst

Neuland für die europäische Rechtsgeschichte

So etwas hat es in der europäischen Rechtsgeschichte noch nicht gegeben: Das Oberlandesgericht München verhandelt über zwei ehemalige Geheimdienst-Offiziere eines Landes, das es nicht mehr gibt: Jugoslawien. Zdravko Mustac und Josip Perkovic sind die ersten Angeklagten, die vom jüngsten EU-Land Kroatien nach Deutschland ausgeliefert wurden auf Grundlage des Europäischen Haftbefehls.

Lange hatte sich Kroatien gegen die Auslieferung gewehrt. Nur drei Tage vor dem EU-Beitritt verabschiedete das kroatische Parlament ein Gesetz, das die Auslieferung innerhalb der EU auf Fälle ab 2002 beschränken sollte. Auch das war neu in Europa: Ein Beitrittsland ändert kurzfristig die Spielregeln, auf das es sich in acht langen Jahren der Beitrittsverhandlungen mit Brüssel geeinigt hatte.

Bild des Mordopfers Stjepan Djurekovic
Stjepan Djurekovic: Die Frage nach den tatsächlichen Mordmotiven bietet bis heute Raum für SpekulationBild: BR/DW

Innenpolitisch verteidigte die sozialliberale Regierung in Kroatien dieses Gesetz mit nationalistisch-populistischen Argumenten: Auslieferungen von Kriegsverbrechern des Krieges der 90er Jahre sollten verhindert werden. Tatsächlich aber ging es um die ehemaligen Geheimdienstler aus jugoslawischer Zeit, die sich Ende der 80er Jahre auf die Seite der Befürworter eines unabhängigen Kroatiens geschlagen hatten - Wendehälse also wie es sie überall in den ehemaligen sozialistischen Staaten Ostmitteleuropas gab.

Wenn sich Geheimdienstler und Staaten verabschieden

Im Fall von Zdravko Mustac und Josip Perkovic bestanden Haftbefehle des EU-Partners Deutschland. Pikant: Perkovics Sohn Sasa arbeitet bis heute als Sicherheitsberater für den kroatischen Präsidenten Ivo Josipovic. Er ist ein in der EU und bei vielen Menschenrechtsgruppen in Südosteuropa hoch angesehener sozialdemokratischer Politiker, der sich um Ausgleich bemüht im weiterhin vor allem von Nationalismus geprägten Südosten Europas. Doch Josipovics Familie und seine politische Heimat sind eng verwoben mit den Strukturen des früheren sozialistischen Jugoslawien. Das behindert im jüngsten EU-Land offenbar die Aufarbeitung von Verbrechen aus jugoslawischer Zeit.

Der Vielvölkerstaat versank zu Beginn der 90er Jahre in Nationalismus und Krieg. Die Geheimdienstler verabschiedeten sich voneinander genauso wie die Staaten selbst und arbeiteten weiter in ihren Nachfolgestaaten: in Serbien und Kroatien. Noch Ende der 80er Jahre hatten die für die "Bekämpfung der feindlichen Emigration" zuständigen Agenten gemeinsam gefeiert: in der Belgrader Geheimdienstzentrale zum Abschied zweier Genossen, die in Rente gingen. Darunter auch der bis heute von der deutschen Bundesanwaltschaft gesuchte Ivan Lasic aber auch Stanko C.

Abschiedsfeier unter jugoslawischen Top-Agenten: Josip Perković, Ivan Lasić, der Belgrader Top-Agent Stanko C. und Božidar Spasić stehen nebeneinander, jeweils mit einem Glas in der Hand (Foto: BR/DW)
Abschiedsfeier unter jugoslawischen Top-Agenten: Josip Perković (zweiter von links), Ivan Lasić (dritter von links), Stanko C. (zweiter von rechts) und Božidar Spasić (ganz rechts) in der jugoslawischen Geheimdienstzentrale in BelgradBild: BR/DW

Zentrale Figur: Stanko C.

Für die gemeinsam von Deutscher Welle und Bayerischem Rundfunk produzierte Dokumentation "Mord in Titos Namen" haben Reporter Ivan Lasic in Bosnien-Herzegowina aufgespürt. Stanko C. lebt heute im Plattenbaubezirk Neu-Belgrad. Die Deutsche Welle hat den ehemaligen Geheimdienst-Offizier im Frühjahr 2014 telefonisch um ein Interview gebeten - vergeblich.

Für viele Opfer ist er die zentrale Figur der Morde in der Bundesrepublik während der 80er Jahre. Einer aber redet in der Dokumentation "Mord in Titos Namen": Der ehemalige Agent Bozidar Spasić, im Geheimdienst-Jargon zuständig für "psychologische Zersetzung". Spasić gibt freimütig zu, dass der jugoslawische Geheimdienst Kriminelle beauftragt hatte, um die "Operationen" - die Morde in der Bundesrepublik - auszuführen.

Kroatien: In Titos Namen

Das Mordopfer und die Hintergründe der Tat

Bei dem Prozess vor dem Oberlandesgericht München geht es um den Mord an dem Exil-Kroaten Stjepan Djurekovic 1983 in Wolfratshausen bei München. Die tatsächlichen Mordmotive bieten bis heute Raum für Spekulation. In einem ersten Gerichtsurteil gegen den jugoslawischen Geheimdienstspitzel Krunoslav P. 2008 - auch in München - ging das Gericht davon aus, dass Stjepan Djurekovic Informationen über einen Korruptionsskandal veröffentlichen wollte, der die Spitzen des jugoslawischen Staates berührte. Es ist auch möglich, dass Djurekovic wegen seiner Zusammenarbeit mit dem deutschen Auslandsgeheimdienst BND ins Visier der Mörder geriet.

Unstrittig ist, dass die Nachfolgestaaten des sozialistischen Jugoslawiens bis heute keine belastbare Rechtsgrundlage für den Umgang alter Geheimdienstakten gefunden haben - und damit auch nicht für den Umgang mit dieser Vergangenheit.