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Junge Abgeordnete im Zentrum der Macht

27. Oktober 2011

Es ist Halbzeit der Legislaturperiode. Zeit für Reflexion und Zukunftsvisionen. Wie erleben junge Bundestagsabgeordnete ihren Alltag in Berlin? Welche Ziele setzen sie sich für die nächsten zwei Jahre? Zwei Meinungen.

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Sven-Christian Kindler, Bundestagsabgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen (Foto: Pressebild)
Sven-Christian Kindler von Bündnis 90/Die GrünenBild: Daniel George/cc-by-3.0
Der FDP-Abgeordnete Florian Bernschneider (Foto: Frank-Michael Arndt)
Der FDP-Abgeordnete Florian BernschneiderBild: Frank-Michael Arndt

Egal ob beim Euro-Stabilitätsmechanismus oder der Gesundheitsreform – sie können bei allen Themen mitreden. Die Geschäftsordnung des deutschen Bundestages kennen sie in und auswendig. Sie sind jung, aber das Alter spiele in der Politik keine Rolle, meint Florian Bernschneider von der regierenden FDP. Schließlich habe er Wirtschaft studiert und kenne sich besser mit der aktuellen Eurokrise aus als einige ältere Bundestagsabgeordnete. Wie Florian Bernschneider wurde auch Sven-Christian Kindler von der oppositionellen Partei Bündnis 90/Die Grünen bei der Bundestagswahl 2009 zum ersten Mal ins deutsche Parlament gewählt. Pünktlich zur Halbzeit der Legislaturperiode hebt der eine die Erfolge der Regierung hervor, während der andere schon das Ende der amtierenden Koalition vorhersagt.

Auf Augenhöhe

Es ist Sitzungswoche, das deutsche Parlament tagt, alle Abgeordneten sind in Berlin. Ein Termin jagt den anderen. Florian Bernschneider ist zu einer Podiumsdiskussion zum Thema "Aktives Altern" eingeladen. Er ist Jahrgang 1986, der jüngste im Bundestag. Sein Mitredner an diesem Morgen ist der Bundestagsabgeordnete Franz Müntefering, Jahrgang 1940. "Werde ich ernst genommen, obwohl ich so jung bin", das hat sich Bernschneider zu Beginn der Legislaturperiode gefragt. "Man stellt aber schnell fest, dass die Kollegen im Bundestag spätestens nach der ersten Abstimmung verstehen, dass meine Stimme genauso viel wert ist, wie ihre. Man muss uns ernst nehmen, wir machen unsere Arbeit auch gut."

Sven-Christian Kindler bei einer Podiumsdiskussion (Foto: Büro Sven-Christian Kindler)
Sven-Christian Kindler bei einer PodiumsdiskussionBild: Sven-Christian Kindler

Wenn man mit jungen Bundestagsabgeordneten redet, könnte man denken, sie seien als Politiker geboren: Selbstbewusst treten sie auf, halten Reden, moderieren Sitzungen und politisch interessiert waren sie schon immer. "Meine erste Rede habe ich wenige Monate nach dem Beginn der Legislaturperiode gehalten. Mittlerweile habe ich 13 Mal vor dem Plenum gesprochen", sagt Sven-Christian Kindler, der jüngste in der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. "Die erste Rede habe ich zum Haushalt des Familienministeriums gehalten. Ich habe die Kinderarmut angeprangert, es ging außerdem um die Gleichberechtigung von Männern und Frauen und dass wir weiter gegen Nazis, Rassismus und Antisemitismus kämpfen müssen", sagt Kindler. Aufgeregt sei er nicht gewesen, im Gegenteil: "Ich blieb cool und locker und mir war gar nicht bewusst, dass es für viele meiner Freunde und Eltern ein sehr bewegender, ja wahrscheinlich historischer Moment war".

Persönliche Grenzen – was ist das?

Die persönliche Zwischenbilanz für die vergangenen zwei Jahre bewerten beide positiv: "Wir haben die Wehpflicht ausgesetzt – eine Forderung, die die jungen Liberalen seit über zwanzig Jahren gestellt haben und das ist jetzt Realität. Wir investieren mehr in Freiwilligendienste, als jede andere Regierungskoalition zuvor, das war auch eine Forderung der FDP", sagt Bernschneider. Daran sei auch er beteiligt gewesen und sieht sich in seinem Themenbereich, der Jugendpolitik, bestätigt.

Florian Bernschneider bei einer Diskussion zum Thema "Aktives Alter"
Florian Bernschneider bei einer Diskussion zum Thema "Aktives Alter"Bild: Frank-Michael Arndt

Auch für Kindler war die erste Halbzeit der Legislaturperiode ein persönlicher Erfolg: "Ich habe Busse organisiert, um mit jungen Leuten zum Klimagipfel nach Kopenhagen zu fahren." Die Arbeit der Regierung im Haushaltsausschuss, dessen Mitglied er selber ist, kritisiert er scharf. Die regierende Koalition habe unsoziale und nicht ökologische Politik gemacht. "Meine Aufgabe besteht darin, dass ich durch Pressearbeit möglichst viel Gegendruck schaffe - und da glaube ich, dass ich im Großen und Ganzen erfolgreich war". Gesetzesentwürfe lesen, an Diskussionen teilnehmen, zu komplexen Themen abstimmen: Der Arbeitsaufwand ist immens, aber ohne weiteres machbar, wie Bernschneider und Kindler behaupten. Schnell lernt man, dass man in Berlin besser nicht über Misserfolge und Grenzen reden sollte.

Versprechen für die Zukunft

"Ich möchte vor allem, dass wir die schwere Wirtschaftskrise bewältigen, das geht nur wenn die schwarz-gelbe Regierung abgelöst wird, aber wir müssen uns als Grüne so aufstellen, dass wir danach mit sozialen und ökologischen Konzepten diese Krise bewältigen können", sagt Kindler. Der sozialökologische Umbau müsse eingeleitet werden, das gehe nur, wenn mehr in Bildung und Klimaschutz investiert werde. Als jugendpolitischer Sprecher der FDP hat sich Bernschneider auch hohe Ziele für die nächsten zwei Jahre gesetzt: "Ich erwarte, dass wir bei der eigenständigen Jugendpolitik vorankommen. Meine nächste große Aufgabe ist, diese mit Leben zu füllen". Dann folgen Schlagworte wie Jugendarbeitslosigkeit, Alkoholmissbrauch, Talentförderung, Internet und Medienkompetenz. Vieles soll sich ändern, konkreter werden beide jedoch nicht. In einer Sache sind sich aber Bernschneider und Kindler einig – bei den kommenden Bundestagswahlen wollen sie noch einmal kandidieren.

Autorin: Rayna Breuer
Redaktion: Bernd Gräßler