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Politik

Junge Leute in Nigeria: Bleiben oder gehen?

Maja Braun
20. Oktober 2018

Benin City im Süden Nigerias gilt als Zentrum für illegale Migration in Westafrika. Grund genug für die Deutsche Welle und ihr "The 77 Percent"-Projekt, bei jungen Menschen dort nachzuhaken: "Wo ist deine Zukunft?"

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Ganzes Panel
Bild: DW/M. Braun

Aigbe Omoregie hat es geschafft. Mit 13 Jahren hat er in seiner Heimatstadt Benin City in Nigeria angefangen, Eier zu verkaufen. Heute ist der Geschäftsmann Millionär und macht sein Geld mit Wandfarben - auch international. Mit seinen 38 Jahren ist er nur wenig älter als die Zielgruppe, die bei der Townhall Debatte der Deutschen Welle im Publikum sitzt. "Was unterscheidet mich von euch und denen, die nach Europa wollen?", fragt Omoregie seine jungen Landsleute. Für einen Moment wird es ganz still im Saal. "Nichts. Ich habe mich nur entschieden zu bleiben und etwas aufzubauen."

Über 300 Studenten und andere junge Menschen waren der Einladung der Deutschen Welle an die Universität von Benin-City gefolgt. Im Rahmen des DW-Projekts "The 77 Percent" diskutierten die Teilnehmer zu der Frage: "Wo ist deine Zukunft: Hier oder im Ausland?" Verfolgen konnte man die Debatte auch im nigerianischen Fernsehen, denn der private Partnersender der DW in Nigeria, Channels TV, übertrug die zweistündige Debatte live in seinem Nachrichtenprogramm. Facebook-Nutzer konnten zudem über die Seite der DW die Diskussion per Livestream ansehen.

Mittendrin im Migrationsdilemma

Benin City hat über Nigerias Grenzen hinweg den Ruf eines Schlepperstadt. Wer von hier weg will, der findet meist schnell jemanden, der helfen kann. In Benin City scheint jeder jemanden zu kennen, der jungen Menschen hilft, zumindest nach Libyen zu kommen. Aber jeder kennt auch jemanden, der zurückgekommen ist aus libyschen Migrantenlagern oder italienischen Bordellen.

Auch bei der Townhall-Debatte erzählen Menschen von ihren Migrationserfahrungen - sowohl auf dem Podium als auch im Publikum. Hier wie dort haben sie dieselbe eindringliche Botschaft: Es ist eine schlimme Erfahrung, die sich nicht lohnt. Trotzdem, den größten Applaus bekommt der ehemalige Studentenvertreter Divine Oguchi Omale: Klar, sagt er, wenn man dort sei, wünsche man sich nichts mehr, als wieder zuhause zu sein. "Aber kaum ist man drei Wochen wieder in Nigeria, will man wieder weg, weil man merkt, dass alles andere noch besser war als hier!"

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Divine Omole (Mitte), ehemaliger Studentenvertreter, mischt das Panel auf (rechts: Aigbe Omoregie, links: Elizabeth Ativie)Bild: DW/M. Braun

Der Grund: Es gibt einfach keine Jobs. Sogar für Nigerianer mit guter Ausbildung ist es schwer. "Selbst wenn ich meinen Abschluss habe, die Regierung lädt doch nur diejenigen ein, die sich mit einem Zeugnis aus Cambridge oder Havard bewerben", ruft Divine Omale.

Lösungsansätze von oben und unten

Die Vertreter der kommunalen Regierung haben dem Ärger des Publikums wenig entgegen zu setzen. Dabei hat die Stadt verschiedene Programme aufgesetzt, zum Beispiel um die Qualität der Universitätsausbildung zu verbessern. Auch eine Online-Jobbörse gibt es mittlerweile, die Absolventen in die Privatwirtschaft vermittelt.

Rückkehrer bekommen hier eine mehrmonatige Ausbildung und eine Anschubfinanzierung. Aber auch dazu hagelt es Kritik. "Heißt das, wir sollen erst die gefährliche Reise auf uns nehmen, damit wir dann Unterstützung vom Staat bekommen, wenn wir wieder hier sind?", beschwert sich eine junge Studentin und erntet tosenden Applaus.

Straßenszene Benin City
Benin City gilt als Schlepperhochburg - auch, weil es kaum Jobs für die vielen jungen Menschen gibtBild: DW/M. Braun

Was also tun? Einige haben ganz konkrete Vorschläge: vergünstigte Steuersätze für Jungunternehmer etwa. Oder gezielte jungen Mitarbeiter im öffentlichen Dienst einstellen, denn „es liegt nicht daran, dass die Regierung und Institutionen nicht wollen, sondern daran, dass die Mitarbeiter es nicht können, weil sie viel zu alt sind", so ein Diskussionsbeitrag.

Bleiben oder gehen?

Ein junger Student will sich nicht mehr auf die Regierung verlassen. "Stell dir vor, die Regierung ist dein Vater. Willst du selbst ein Versager werden, nur weil dein Vater scheitert?" In diese Kerbe schlagen viele, auch der Unternehmer Omoregie. „Ihr seid es, die euer Leben gestalten müsst", sagt er. Gelegenheiten gäbe es viele, denn Probleme seien ja auch Möglichkeiten. "Wenn du ein Problem bei dir in der Gegend findest, suche eine Lösung und du kannst damit Millionen machen!"

Alle Teilnehmer kann er damit allerdings nicht überzeugen. Als DW-Moderatorin Edith Kimani am Ende die zentrale Frage der Debatte stellt - "Wo ist deine Zukunft: Hier oder im Ausland?" - folgen auf ein erstes lautes "Hier!" viele kleine "oder doch im Ausland?" Am liebsten, sagen viele nach der Debatte, möchten sie beides – aber auf legalem Weg.