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Kämpferisches Hellas-Kino

Thomas Senne6. Dezember 2012

Wenn von Griechenland die Rede ist, beherrscht die Finanzkrise die Gespräche. Wie aber steht es um das aktuelle griechische Kino, und wie reagieren Filmschaffende auf die Situation in ihrem Land?

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Das Bild kann honorarfrei ins Netz gestellt werden und wurde uns von der Leiterin der Griechischen Filmtage Nürnberg zur Verfügung gestellt.
Drei Protagonisten des Films "Insel 2" bei der SchatzsucheBild: Griechische Filmtage Nürnberg

Die aktuelle Filmszene Griechenlands? Da zucken viele Kinogänger mit den Schultern. Dabei gibt es durchaus Regisseure von Format, die einiges zu sagen haben und dies auch deutlich tun. Einige von ihnen haben kürzlich ihre Filme bei den 3. Griechischen Filmtagen in Nürnberg vorgestellt. Panos Karkanevatos etwa. Er hat etliche Spiel- oder Dokumentarfilme inszeniert und produziert, zuletzt "Athanasia“ (2008), eine Geschichte über verbotene Liebe auf einer entlegenen ägäischen Insel.

Griechische Regisseure mit klarer Ansage

"Die Zahl der Kinogänger ist in der letzten Zeit dramatisch gesunken", klagt Karkanevatos. Viele Griechen sähen aus Kostengründen lieber fern, statt Filmtheater zu besuchen. Auch die Produktionsbedingungen hätten sich entscheidend verschlechtert, Zuschüsse würden gestrichen. "Bei der Kunst wird zuerst gespart, wenn die Geldmittel knapp werden", so Karkanevatos. Die einzige Chance, die er für die Zukunft des griechischen Kinos sieht, seien Koproduktionen und eine enge Zusammenarbeit zwischen den europäischen Partnern.

3. Weihnachtstango Das Bild kann honorarfrei ins Netz gestellt werden und wurde uns von der Leiterin der Griechischen Filmtage Nürnberg zur Verfügung gestellt. Bildunterschrift: Appell in einer nordgriechischen Kaserne in den 1970er Jahren: Szene aus dem Film "Weihnachtstango". Griechische Filmtage Nürnberg. Zulieferer: Redaktion Kultur Hintergrund
Filmstill aus "Weihnachtstango" von Nikos KoutelidakisBild: Griechische Filmtage Nürnberg

Türkische Fernsehserien statt griechischer Produktionen

Doch selbst um das Fernsehen steht es laut Nikos Koutelidakis schlecht. Der Filmemacher ist gerade mit seinem ersten Spielfilm "Weihnachtstango" (2011) in Nürnberg vertreten. Im griechischen TV gehe es vor allem um Einschaltquoten, weniger um Qualität oder fundierte Hintergrundberichte. Entsprechend seien bei vielen Privatsendern griechische Fernsehserien inzwischen durch türkische ersetzt worden, da diese billiger seien. "Die öffentlich-rechtlichen TV-Anstalten zeigen zwar nach wie vor hochwertige Produktionen, jedoch keine griechischen, sondern englischsprachige", konstatiert Koutelidakis.

Der griechische Regisseur Nikos Koutelidakis in Nürnberg. Foto: Thomas Senne. Dezember 2012, Nürnberg
Nikos Koutelidakis bei den 3. Griechischen Filmtagen in NürnbergBild: Thomas Senne

Deutliche Worte findet der Regisseur für die verfehlte Programmpolitik des griechischen Filmzentrums, der Anlaufstelle für Filmverleiher. Das Filmzentrum habe sich lange zu sehr mit sich selbst beschäftigt und dabei die Bedürfnisse des Publikums vernachlässigt. Inzwischen aber habe man die Problematik erkannt und wirke alten, verkrusteten Strukturen entgegen. "Die Angebotspalette griechischer Filme ist wesentlich vielfältiger geworden als früher", bestätigt auch Irini Pappa, die Leiterin der Griechischen Filmtage Nürnberg. Selbst Kritik an den unhaltbaren Zuständen im eigenen Lande sei inzwischen zu finden.

Abwanderung und Finanzkrise

Kritik, wie sie Sotiris Goritsas in seinem 2011 entstandenen Werk "Welcome To All Saints" übt, einer Abrechnung mit dem griechischen Gesundheitswesen. Der Film begleitet einen Orthopäden, der eine Stelle in einem staatlichen Krankenhaus antritt. Bald entdeckt der Protagonist, dass Ärzte, Pfleger und sogar Patienten ein absurdes Verhalten an den Tag legen. Sein Fazit: Das Gesundheitssystem dient nicht den Kranken, sondern ist ein Moloch, dem sich alle Beteiligten unterordnen. "Ich möchte in meinen Filmen immer die Aktualität und griechische Realität darstellen", erklärt Goritsas.

1. Sotiris Goritsas Honorarfreier Abdruck: Der aus Athen stammende Filmemacher Sotiris Goritsas. Foto: Thomas Senne. Zulieferer: Redaktion Kultur Hintergrund
Sotiris GoritsasBild: Thomas Senne

Seine Kollegen tun es ihm gleich: Immer mehr griechische Filmschaffende beschäftigen sich in ihren Werken mit den Auswirkungen der Finanzkrise, auch mit dem Thema der Abwanderung junger Fachkräfte. Sogar das griechische Fernsehen setze sich mit dieser Problematik auseinander, allerdings "ziemlich oberflächlich", moniert der Regisseur.

Angela Merkel als Zuchtmeisterin Griechenlands?

Und die Deutschen? Welche Rolle spielen sie für griechische Filmemacher? "Eine tragikomische", sagt Antonis Angelopoulos spontan. Der prominente Regisseur, der in seinem neuesten Werk "Insel 2" von vier umtriebigen Inselbewohnern auf Schatzsuche erzählt, hat eine klare Meinung dazu: "Ich finde, dass die deutsche Politik gegenüber Griechenland wie ein Lehrer auftritt, der es mit einem schlechten Schüler zu tun hat." Statt den Schüler aber zu fördern und seine Fähigkeiten zu wecken, würde dieser nur bestraft. Die griechische Finanzkrise und die Deutschen als europäische Zuchtmeister? Für Angelopoulos eine Menge Stoff für künftige, durchaus komisch-satirische Film-Produktionen.