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Köhler lässt sich mit Jazz verabschieden

15. Juni 2010

Gut zwei Wochen nach seinem Rücktritt als Bundespräsident wird Horst Köhler mit einem Großen Zapfenstreich verabschiedet. Der Nachfolge-Kandidat Wulff stellt sich derweil den Regierungsfraktionen vor.

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Horst Köhler (Foto: AP)
Horst KöhlerBild: AP

Reden und Grußworte wird es nicht geben, wenn Bundespräsident Horst Köhler am Dienstagabend (15.6.2010) offiziell verabschiedet wird. Stattdessen wird die Bundeswehr vor dem Amtssitz Schloss Bellevue in Berlin ihre Ehrenformation aufmarschieren lassen. Anschließend spielt das Stabmusikkorps der Bundeswehr mehrere Musikstücke. Köhler hat sich dazu zwei Märsche sowie den "St. Louis Blues" gewünscht, einen Jazz-Klassiker. An der Zeremonie nehmen auch Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundestagspräsident Norbert Lammert und Vizekanzler Guido Westerwelle teil. Im Laufe des Dienstags wollte sich Köhler von den Mitarbeitern des Präsidialamtes verabschieden.

Jürgen Trittin (Foto: AP)
Jürgen TrittinBild: AP

Köhler war Ende Mai wegen der Kritik an einem Interview zurückgetreten, in dem er Auslandseinsätze der Bundeswehr auch mit der Wahrung deutscher Wirtschaftsinteressen begründet hatte. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin verteidigte vor Köhlers Verabschiedung seine scharfe Kritik an dessen Äußerungen. "Der Präsident hatte sich missverständlich ausgedrückt und ich wollte eine Klarstellung von ihm", sagte Trittin dem "Hamburger Abendblatt". Es müsse möglich sein, dass man einen Präsidenten kritisiert. "Meine Worte an Herrn Köhler mögen im Ton zugespitzt gewesen sein, aber das kann nicht wirklich ein Rücktrittsgrund sein."

Starke Konkurrenz

Christian Wulff und Joachim Gauck (v. l.) (Fotos: AP)
Christian Wulff und Joachim Gauck (v. l.)Bild: AP

Sein Nachfolger wird am 30. Juni gewählt. Das Amt soll nach dem Willen der Regierungsparteien CDU, CSU und FDP der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff übernehmen. Wulff stellt sich am Nachmittag bei den Regierungsfraktionen im Bundestag vor. Im schwarz-gelben Lager gibt es auch Sympathien für den Kandidaten von SPD und Grünen, Joachim Gauck (siehe Links am Ende des Artikels).

Der frühere brandenburgische Innenminister Jörg Schönbohm, der auch Mitglied der Bundesversammlung ist, sprach sich strikt gegen eine Direktwahl des Bundespräsidenten aus. Der CDU-Politiker sagte im rbb-Inforadio, durch eine Direktwahl hätte der Bundespräsident eine stärkere Legitimation als der vom Parlament gewählte Bundeskanzler. Würde das Staatsoberhaupt direkt von der Bevölkerung bestimmt, hätte er eine Machtposition, wie sie zuletzt der damalige Reichspräsident Paul von Hindenburg gehabt habe. Der Bundespräsident hat kaum politische Macht und erfüllt primär repräsentative Aufgaben.

Köhlers Biograf Gerd Langguth zog eine kritische Bilanz der Amtszeit des Bundespräsidenten. "Er war kein Mann, der die Politik sehr gut kannte", sagte der Politikwissenschaftler im Deutschlandradio Kultur. Köhler habe immer wieder versucht zu verbergen, dass er ein unsicherer Mensch sei. Trotz seiner Beliebtheit im Volk habe es Köhler an unmittelbarer Erfahrung mit dem Volk gefehlt, da er niemals als Mandatsträger um dessen Stimmen gerungen habe. "Bei ihm hat sich auch sehr viel Frustrationspotential angesammelt, und deswegen hat er irgendwann die Prügel hingeschmissen."

Autor: Dеnnis Stutе (apn/dpa)

Redaktion: Annamaria Sigrist