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Das Mekka der Gamer

20. August 2011

Auf der Computerspielmesse "gamescom" in Köln präsentieren die Aussteller ihre Neuheiten. Doch es gibt nicht nur für Gamer etwas: Die Hersteller suchen Fachkräfte - und Tüftler wandeln Computer in wahre Kunstwerke um.

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Eine Besucherin der 'gamescom' posiert mit zwei Computerspielfiguren (Foto: DW/Arne Lichtenberg)
Bild: DW

Aus allen Ecken zischt und knallt es, Musik wummert aus den Lautsprechern, auf riesigen Bildschirmen flimmern aufwendige Grafikanimationen.

Zwei Computerspielfiguren: Prinzessin Zelda und Link (Foto: DW/Arne Lichtenberg)
Virtualität wird Realität - Computerspielfiguren Prinzessin Zelda (l.) und LinkBild: DW

Und die Helden aus Computerspielen laufen in Lebensgröße vorbei: Super Mario und Lara Croft - aber natürlich auch Prinzessin Zelda!

In Köln ist wieder "gamescom" - jene Messe, die Festtage für Computerspielefans bietet. Lange Schlangen bilden sich vor den Neuheiten, die die Spielehersteller auf der Messe präsentieren. Überall können die Besucher an Konsolen oder PCs die allerneuesten Spiele ausprobieren.

In einer ruhigeren Ecke der Messe sitzt Marco Hagedorn. Gezwungenermaßen muss er gerade eine Pause machen. "Mein Partner hat Metallspäne ins Auge bekommen und ist erst einmal ins Krankenhaus gefahren", sagt der 24-Jährige aus Münster.

Marco Hagedorn bastelt beim 'Casemodding' (Foto: DW/Arne Lichtenberg)
Marco HagedornBild: DW

Damit geht Marco wertvolle Zeit verloren, denn der angehende Elektrotechniker nimmt mit seinem Kollegen an der "24h Livemodding Challenge" teil. Die Teilnehmer modellieren Computergehäuse zu futuristischen Kunstwerken um. Mal sieht so etwas dann aus wie eine Burg, mal aber auch wie ein Raupenfahrzeug.

Marco muss nun erst einmal ohne seinen verhinderten Kollegen an der Nachbildung eines Atomkraftwerkes weiterbasteln. Drei Tage à acht Stunden haben die beiden dafür Zeit, immer unter kritischer Beobachtung der Jury. Am Ende wird die beste Kreation ausgezeichnet, denn dann wird der Deutsche Casemod-Meister 2011 gekürt.

Praxiserfahrung durch Casemodding

Zu verdanken hat Marco seine Teilnahme an der Challenge seinem Chef Frank Tribgilla. Tribgilla ist Energieelektroniker und trägt Dreadlocks und Brille. Der Unfall mit seinem Lehrling hat ihn etwas mitgenommen. Immerhin trägt er die Verantwortung. Sein Handy klingelt. Das Krankenhaus ist dran. "Alles in Ordnung mit dem Jungen", sagt er erleichtert.

Marco Hagedorn und Frank Tribgilla in 'gamescom'-T-Shirts (Foto: DW/Arne Lichtenberg)
Marco Hagedorn (l.) und Frank Tribgilla - Ausbildung mit Praxis verbindenBild: DW

In Münster leitet der 34-Jährige einen berufsvorbereitenden Bildungslehrgang. Normalerweise bekommen die Auszubildenden ein Blech und sollen darauf Schaltungen installieren oder Ösen biegen. Doch das war Tribgilla zu monoton. "Die sollen was Praktisches machen, mit der Säge und der Flex umgehen lernen, was mit Elektrik machen." Deshalb habe er sich das Casemodding-Projekt ausgedacht, erklärt der 34-Jährige. Sein Konzept ist aufgegangen. "Ich habe noch nie so motivierte Teilnehmer gesehen wie während des Projekts", berichtet der Ausbildungsleiter. Normalerweise hätten die Lehrlinge immer schon um 16 Uhr auf den Feierabend geschielt. "Jetzt hatte ich Probleme, sie um 16.30 Uhr zum Aufhören zu bewegen," erzählt Tribgilla mit leuchtenden Augen.

Auf der gegenüberliegenden Seite gehen die beiden Brüder Martin und Stefan Blass ihrer Kunst nach. Die zwei sind professionelle Casemodder und schon seit über zehn Jahren im Geschäft.

Stefan Blass und sein Bruder Martin Blass in 'gamescom'-T-Shirts (Foto: DW/Arne Lichtenberg)
Die Brüder Stefan (l.) und Martin Blass sind echte Casemodding-ProfisBild: DW

Ihre Kunstwerke gehen in die ganze Welt, manchmal auch als Auftragsarbeiten. Mitunter erzielen sie bei einem Verkauf gar fünfstellige Beträge. Im Moment stehen Unikate von ihnen im Haus der Geschichte in Bonn und in Museen in Asien.

Im Internet sei er um die Jahrtausendwende auf Casemodding gestoßen, erzählt Stefan Blass. "Da stand bei uns ein teurer PC rum, da haben wir gesagt, schön ist er nicht, also lass ihn uns hübsch machen". Eigentlich sei das nichts anderes als Autotuning, sagt der gelernte Kaufmann aus Köln. Für die Meisterschaft bastelt er mit seinem Bruder Martin an einem futuristischen Raumschiff. Einzelheiten will er aber lieber noch nicht verraten.

Die Branche sucht Fachkräfte

Vor einer großen weißen Bühne steht Heiko Klinge. Viele Stühle wurden aufgestellt, damit Besucher hier den Präsentationen der Spielehersteller lauschen können. Über 300 Jobs hat die Branche zu vergeben. Gesucht wird alles vom Architekten über den Texter bis hin zum Juristen. Klinge betreut als Projektleiter den Bereich "Jobs/Karriere" auf der "gamescom".

Heiko Klinge, Projektleiter des Bereichs 'Jobs/Karriere' auf der 'gamescom' (Foto: DW/Arne Lichtenberg)
Heiko Klinge, Projektleiter des Bereichs "Jobs/Karriere": "Die Branche boomt"Bild: DW

"In Deutschland haben wir nach wie vor das Problem, dass es noch immer keine adäquate Ausbildung in der Game-Entwicklung gibt", sagt er. In Kanada, Frankreich und Großbritannien gebe es schon seit über zehn Jahre entsprechende Studiengänge, Deutschland habe hier enormen Nachholbedarf. Aber auch gerade für Quereinsteiger ist die Branche offen, erklärt der Münchner. "Ein Architekt ist oft auch ein sehr guter Leveldesigner".

Männliche Besucher spielen auf einer Konsole (Foto: DW/Arne Lichtenberg)
Die "gamescom" bietet für jeden etwasBild: DW

Das Klischeebild, in der Branche würden nur Männer arbeiten, hält Klinge für überholt: Einige Firmen hätten einen Frauenanteil von 30 Prozent und mehr. "Ich kenne sogar einige leitende Programmiererinnen, die durchaus attraktiv sind", sagt der Branchenkenner und grinst verschmitzt.

Überhaupt sind die Frauen zurzeit in der Branche in aller Munde. Zu den etwa 23 Millionen Deutschen, die regelmäßig Computerspiele spielen, sollen knapp zehn Millionen Frauen gehören. Zu diesem Ergebnis kommt die neue Studie "Gamer in Deutschland" des Bundesverbands Interaktive Unterhaltungssoftware. Vor allem Spiele, die direkt im Browser oder in sozialen Netzwerken online gespielt werden, liegen bei den Frauen im Trend.

Frauen wollen beim Spielen kommunizieren

Das erklärt auch, warum die Besucher der "gamescom" in der Mehrzahl männlich sind. Auf der Kölner Spielemesse geht es eher um Neuerscheinungen auf der Konsole oder am PC, Browserspiele spielen nur eine Nebenrolle. An einem Pult testet Katharina intensiv einen kleinen Pocket-PC. Bei Frauen stehe eher der Gemeinschaftscharakter bei den Computerspielen im Vordergrund, sagt sie. "Ein bisschen quatschen, Spaß haben und dann wieder was anderes machen." Auch ihre Mutter sei mittlerweile vom Browserspiel-Virus in Facebook infiziert. "Die spielt immer mit meiner Tante und danach tauschen sie über das Telefon ihre Erfolge aus," sagt sie amüsiert.

Katharina probiert einen Pocket-PC aus (Foto: DW/Arne Lichtenberg)
Katharina spielt nicht gern alleinBild: DW

Noch einmal huscht eine weibliche Computerheldin vorbei. Sie ist spärlich begleitet. Ein Großteil ihrer Haut ist mit Bodypainting versehen. Links und rechts hat sie zwei männliche Messebesucher im Arm. Der dritte bedient den Fotoapparat und drückt auf den Auslöser.

Autor: Arne Lichtenberg
Redaktion: Hartmut Lüning