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Gottschalk liest Texte von Deniz Yücel

7. Juli 2017

Seit gut vier Monaten sitzt Deniz Yücel in der Türkei in Haft. Jetzt hat der WDR in Köln zu einem Solidaritätsabend für den deutsch-türkischen Journalisten eingeladen. Unter den TV-Stars dort war auch Thomas Gottschalk.

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Deutschland | Solidaritätsveranstaltung für den in der Türkei inhaftierten Journalisten Deniz Yücel mit Thomas Gottschalk
Bild: picture-alliance/dpa/H. Kaiser

Der TV-Showmaster Thomas Gottschalk hat bei der Solidaritätsveranstaltung in Köln eine neue Grußbotschaft von Deniz Yücel überbracht. Im WDR-Funkhaus las der 67-Jährige eine Nachricht vor, die der Journalist im Gefängnis über seine Anwälte abgesetzt hatte. "Dank Ihnen weiß ich, dass ich in diesem Loch nicht vergessen werde", teilte er seinen Unterstützern mit. Er lese in der Haft unter anderem Bücher. Aus einer Ausgabe von Tolstois "Krieg und Frieden", die ihm seine Schwester geschickt habe, seien allerdings Grüße seiner Nichten herausgerissen worden. "Dieser Staat sperrt mich aufgrund meiner deutschsprachigen Artikel ein, hält mir aber zwei auf Deutsch verfasste Zeilen meiner Nichten vor. Das ist schon ein lustiges Land."

Der Korrespondent der Tageszeitung "Die Welt" war im Februar in der Türkei festgenommen worden und sitzt seither ohne Anklage in Haft. Ihm werden Terrorpropaganda und Volksverhetzung vorgeworfen. Präsident Recep Tayyip Erdogan beschuldigte Yücel außerdem öffentlich, ein Terrorist und deutscher Spion zu sein. Zu dem Kölner "Abend der Solidarität" hatten die mehrsprachige Radiowelle WDR Cosmo und der Freundeskreis "FreeDeniz" eingeladen.

TV-Stars zeigen sich solidarisch

Neben Gottschalk fanden sich mehrere weitere Fernsehstars ein, um Solidarität mit Yücel zu zeigen. So nahmen Oliver Welke und Olli Dittrich teil, ebenso der Comedian Oliver Polak, der Enthüllungsjournalist Günter Wallraff und die Moderatorin Christine Westermann. Auch Yücels Schwester Ilkay Yücel war dabei - und Mitglieder seines Abi-Jahrgangs. Sie lasen Texte von ihm, um die Erinnerung wachzuhalten.

Deutschland | Solidaritätsveranstaltung für den in der Türkei inhaftierten Journalisten Deniz Yücel mit Thomas Gottschalk, Oliver Welke, Olli Dietrich und Günter Wallraff
Alle mit Yücel solidarisch: Günter Wallraff, Oliver Welke, Thomas Gottschalk und Olli Dietrich Bild: picture-alliance/dpa/H. Kaiser

Noch kurz vor der Lesung ist ein Interview der Wochenzeitung "Die Zeit" erschienen, in dem der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan Yücel einen "Terrorverdächtigen" nennt und sagt, er könne die Bemühungen Berlins für dessen Freilassung nicht verstehen. Die Situation scheint verfahren. Eigentlich keine gute Gemengelage für Witze.

Lesung mit Humor

Dennoch wird in Köln viel gelacht. Es ist nicht die erste Lesung dieser Art, aber eine mit einem auffallend hohen Anteil von Menschen, die mit Humor ihr Geld verdienen. Und Gottschalk hat bereits auf der "Wetten, dass..?"-Couch die Kunst perfektioniert, die komplizierte Politik nur so nah ranzulassen, dass man sie - wenn überhaupt - bemerkt, aber nicht an ihr zerbricht. Ein Unterhalter, egal ob gerade Cindy Crawford oder der Bundeskanzler vorbeischauten.

Und das passt gut zum Sound von Yücels Texten, die bei aller Ernsthaftigkeit auch immer Mutterwitz erkennen lassen. Etwa wenn Olli Dittrich "Deutschland schafft sich ab" vorliest. Eine Nation, die seit "jeher mit grenzenlosem Selbstmitleid, penetranter Besserwisserei und ewiger schlechter Laune" auffalle, die könne doch gern verschwinden, rezitiert der Komiker genüsslich.

Vor dem Vergessenwerden bewahren

Vor allem gehe es darum, das Thema im Bewusstsein zu halten, sagt Oliver Welke der Deutschen Presse-Agentur. "Denn eine Nebenwirkung unseres Internetzeitalters ist ja, dass die Leute sich immer kürzer auf ein Thema konzentrieren können. Themen geraten wahnsinnig schnell in Vergessenheit." Yücel selbst kann den von der Radiowelle WDR Cosmo übertragenen Abend nicht hören oder sehen. Aber es soll ihm davon berichtet werden.

Übrigens: Vor der Solidaritätsveranstaltung hatte Gottschalk auf die Notwendigkeit von Protest hingewiesen. Er habe in seinem Leben selbst selten demonstriert, "aber ich glaube, die Zeiten sind vorbei, in denen man sich feige zur Seite dreht und sagt: Damit habe ich nichts zu tun", sagte Gottschalk in der RTL-Sendung "stern TV". Man müsse nicht alle Texte von Yücel gut finden, doch "wir müssen aushalten, dass Menschen ihre Meinung sagen", so der Entertainer. Es gehe auch "um den Kampf für das freie Wort".

kle/qu (dpa)