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Portrait Otto Rehhagel

27. Mai 2010

Otto Rehhagel hat die Griechen 2004 zum Europameister gemacht, jetzt nimmt der 71-Jährige zum ersten Mal als Nationaltrainer an einer Weltmeisterschaft teil. Noch immer ist die Verehrung groß, aber die Kritik nimmt zu.

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Otto Rehhagel, Trainer der griechischen Nationalmannschaft, hält den EM-Pokal hoch (Foto: AP Photo/Luca Bruno)
Otto, der EuropameisterBild: AP

Als Kind des Ruhrgebiets – so versteht sich Otto Rehhagel auch heute noch. Als Bergarbeitersohn geboren am 9. August 1938, wächst er im Schatten der Zeche "Helene" in Altenessen auf. Dort absolviert er eine Lehre zum Maler und Lackierer und dort, im Werksverein TuS Helene Essen, beginnt seine Leidenschaft für den Fußball. Eine Leidenschaft, die er für den sozialen Aufstieg nutzt. Fünf Mark gab es damals für einen Heimsieg. Geld, das er brav zu Hause bei seiner Mutter abliefert, denn sein Vater stirbt früh, die Haushaltskasse ist immer leer. Mit 22 bekommt der beinharte Verteidiger einen Vertrag bei Rot-Weiß Essen und verdient von nun an 400 Mark pro Monat. Von da an geht es steil bergauf. 1963, als die Bundesliga gegründet wird, ist Rehhagel dabei – als Profispieler in Diensten von Hertha BSC. Neun Jahre später beendet er nach 201 Bundesligaspielen bei Hertha und dem 1. FC Kaiserslautern und 22 Toren seine Spielerkarriere, Rehhagel wird Trainer. Heute sind es geschätzte eine Million Euro pro Jahr, die er von den Griechen bekommt, als ihr Nationalcoach. Mit den Griechen schafft er seinen größten Coup: Er wird 2004 Europameister. "Es ist kein Traum, den Pokal haben wir nach Athen geholt – nach Griechenland", jubelt er.

Die griechischen Spieler lassen ihren Trainer Otto Rehhagel hochleben (Foto: AP/Thanassis Stavrakis)
Es lebe König Otto - oder "Rehakles", wie ihn die Griechen von nun an nennenBild: AP

Die Spötter verstummen. Otto, den die Griechen von nun an nur noch Rehakles nennen, hat es mal wieder allen gezeigt. Mit 65 als ältester Trainer bei der EM in Portugal. Triumphal ist sein Ziegeszug. "Bevor ich Nationaltrainer Griechenlands wurde, hat jeder Spieler das gemacht, was er wollte", sagt er. "Jetzt macht jeder das, was er kann." Selbstbewusst ist sein Auftreten. "Ich habe meine Schatztruhe an Lebenserfahrung für die Spieler geöffnet", verrät er sein Erfolgsgeheimnis. "Ich habe ihnen gesagt: Wenn sie versuchen anzunehmen, was ich aus meinem Leben an Erkenntnissen gewonnen habe – vielleicht wird es dann gehen."

Vaterfigur für viele Spieler

Otto Rehhagel (re) mit seinem Spieler Angelos Charisteas (Foto: AP/Thanassis Stavrakis)
Spieler sind ihm wie SöhneBild: AP

Rehhagel gilt als sturer und verbohrter Trainer, dem manche hinterher sagen, dass sich sein Training seit zig Jahren nicht mehr verändert habe. "Modern spielt, wer gewinnt", lautet sein Credo. Seinen ersten großen Durchbruch hat er mit Werder Bremen. In 14 Jahren führt er Werder zu zwei Meistertiteln, zwei DFB-Pokalsiegen und 1992 zum Sieg im Europapokalfinale der Pokalsieger. Von da an gilt Rehhagel als Vater der "Wunder von der Weser", weil seine Mannschaft aus katastrophalen Hinspielergebnissen im Europapokal noch sensationelle Rückspiel-Erfolge feiert. Rehhagel entdeckt viele Talente: Rudi Völler, Mario Basler, Miroslav Klose, Wynton Rufer, um nur einige zu nennen. Er begrüßt seine Spieler mit Handschlag, baut eine klare Hierarchie im Team auf und flößt seinen Stars Selbstvertrauen ein. "Wir waren für ihn alle irgendwie wie Söhne", sagt Andreas Herzog einmal. Und dennoch ist Rehhagel ein selbst ernannter "demokratischer Diktator", autoritär, mitreißend, hartnäckig und deutlich, wenn es sein muss, vor allem gegenüber den Medien. Seine Sprüche und sein Erfolg machen ihn an der Weser zum ewigen "König Otto".

Nach Rückschlägen immer wieder aufgestanden

Ein Fan des 1.FC Kaiserslautern jubelt von einem Bakon aus, während der Truck mit den Spielern durch die Stadt fährt. Fast 100000 Pfälzer Fußball-Fans haben ihrem Club bei hochsommerlichen Temperaturen von fast 30 Grad in der Innenstadt buchstäblich einen «heißen» Empfang bereitet. Nach einer Triumphfahrt per Tieflader durch die heillos verstopfte City von Kaiserslautern wurden die Mannschaft und Meistermacher Otto Rehhagel auf der Rathaus-Empore von rund 20000 auf dem Rathaus- Vorplatz versammelten Anhängern enthusiastisch gefeiert
Mit dem FCK als Aufsteiger zur MeisterfeierBild: dpa

Umso erschütterter sind die Fans, als er 1995 zu den Bayern wechselt, wo er gnadenlos scheitert. Nur ein Jahr später wird der "Provinzfürst", wie ihn die Medien getauft haben, entlassen. Er übernimmt den Zweitligisten 1. FC Kaiserslautern, steigt direkt auf und macht die "Roten Teufel" 1998 als Aufsteiger zum Deutschen Meister. "Ein Husarenstreich", jubelt Rudi Völler, "der in 100, ach was, in 1000 Jahren niemandem wieder gelingen wird." Da weiß Völler noch nicht, dass Griechenland mit Otto Rehhagel sechs Jahre später Europameister wird. 71 Jahre alt ist Griechenlands Nationalheld mittlerweile geworden, Griechisch hat er bis jetzt noch nicht gelernt. Noch immer ist Rehhagel unglaublich energisch und tatkräftig. "Ich denke nicht ans Aufhören", sagt er in einem Interview. "Ich bin mit dem Fußball geboren und will mit ihm sterben."

Denkmal Otto Rehhagel (griechischer Nationaltrainer) und Ionnis Kokkininidis (vom griechischen Restaurant Hügollos in Essen), (Foto: dw/Olivia Fritz)
Ein Denkmal für OttoBild: DW

Die meisten Griechen verehren ihn noch immer. In seiner Heimatstadt Essen hat ihm ein griechischer Restaurantbesitzer sogar ein Denkmal aus Marmor gebaut. Darauf wehen die griechische und die deutsche Flagge. Doch die kritischen Stimmen werden wieder lauter, denn die Griechen sind in der WM-Qualifikation 2006 gescheitert und bei der Europameisterschaft 2008 sieglos in der Vorrunde ausgeschieden. "Es sollten alle einsehen, dass wir nicht mehr in 2004 leben", kritisierte Kapitän Angelos Basinas damals. Doch bei der WM 2010 in Südafrika ist Griechenland dabei. Es ist Rehhagels erste Weltmeisterschaft als Trainer. In Essen werden sie wieder alle Spiele verfolgen, vor allem in dem griechischen Restaurant. An einen Überraschungserfolg glauben sie dort nicht, angesichts der schweren Vorrundengruppe mit Argentinien, Nigeria und Südkorea, aber Otto Rehhagel haben sie für ewig in ihr Herz geschlossen, sagt Wirt Ioannis Kokkinidis: "Rehakles bleibt Rehakles. Der 13. Gott Griechenlands."

Autorin: Olivia Fritz
Redaktion: Arnulf Boettcher