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Kritik an ominösen Kunstmäzenen wächst

Paula Rösler
25. Juli 2019

Dank des edlen Spenders James Simon kam die Büste der Nofretete einst nach Berlin. Doch längst nicht alle Förderer der Kunst handeln selbstlos. Proteste gegen umstrittene Geldgeber nehmen zu.

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Frankreich Pariser Louvre entfernt Namen von umstrittenem US-Mäzen
Bild: picture-alliance/dpa/AFP/S. De Sakutin

Die mährisch-österreichische Schriftstellerin Marie von Ebner-Eschenbach (1830-1916) brachte das Dilemma einst auf den Punkt: "Es würde sehr wenig Böses auf Erden getan werden, wenn das Böse niemals im Namen des Guten getan werden könnte." Ein Satz, der zurzeit wie ein Damoklesschwert über den großen Museen dieser Welt schwebt. Denn viele Kulturinstitutionen erhalten hohe Spenden von umstrittenen Mäzenen aus der Pharma-, Waffen-, oder Ölindustrie. Insbesondere in den USA und Großbritannien regt sich dagegen zunehmend Protest.

In Zukunft ohne Sackler

Allen voran steht derzeit der Fall Sackler: Der Familienname schmückt seit Jahrzehnten die Wände von Museen, Universitäten und Institutionen weltweit. Zehn Millionen Franc haben die Sacklers etwa 1997 in den Pariser Louvre fließen lassen. Das weltberühmte Museum benannte im Gegenzug mehrere Säle nach der Milliardärsfamilie. Allerdings stammt das Vermögen der Sacklers aus Einnahmen von Purdue Pharma, einem Pharmakonzern, der das Schmerzmittel Oxycontin herstellt, und von dem die Familie Mehrheitseigner ist. Das Medikament macht stark abhängig und wird für die Opioidkrise in den USA mitverantwortlich gemacht. 

Seit Monaten protestiert eine Aktivistengruppe gegen die finanziellen Verflechtungen des Konzerns mit diversen renommierten Kulturinstitutionen. Das Metropolitan Museum sowie das Guggenheim Museum in New York, aber auch die Tate Modern in London kündigten bereits im März ihre Zusammenarbeit mit der spendablen Sackler-Familie auf. Der Louvre ging nun noch einen Schritt weiter und entfernte auch die Tafeln mit dem Namen Sackler aus dem Gebäude. Dort wo das Abmontieren nicht möglich gewesen sei, habe man den Namen überklebt.

Nan Goldin macht mobil

USA Aufruf an Cuomo, die Überdosierungskrise zu beenden
Die 65-jährige Fotografin Nan Goldin fordert Museen weltweit dazu auf, sich von der Familie Sackler zu distanzierenBild: picture-alliance/Pacific Press/E. McGregor

An der Spitze der Protestbewegung steht die amerikanische Fotografin Nan Goldin, die selbst nur um ein Haar dem Suchttod entkommen sei, wie sie in einem Statement schreibt. Nachdem ihr das Schmerzmittel Oxycontin vor einer Operation verabreicht worden war, sei sie quasi über Nacht abhängig geworden. Innerhalb kurzer Zeit habe sich ihre tägliche Dosis von drei auf 18 Pillen pro Tag versechsfacht. Nun fordert sie die Pharmafamilie Sackler auf, ihr Vermögen nicht länger in Museen zu stecken, sondern die Opfer der Opioidkrise und deren Angehörige zu unterstützen.

Der Sackler-Skandal mag derzeit der spektakulärste Fall von umstrittenem Mäzenatentum sein, er ist aber nicht der einzige. Kunstschaffende wie das Kollektiv Forensic Architecture protestierten monatelang gegen den Kunstmäzen Warren Kanders, der im Vorstand des New Yorker Whitney Museums saß - mit Erfolg. Kanders trat von seinem Aufsichtsratsposten zurück. Sein Geld verdient Kanders unter anderem mit Tränengas, das an der US-Grenze gegen Einwanderer aus Mexiko eingesetzt worden ist. Kandlers Konzern Safariland soll zudem in weltweite Konflikte verstrickt sein. Acht renommierte Künstler hatten deshalb bereits ihre Werke von der Whitney-Biennale, die seit Mai läuft, abgezogen.

Christos ominöser Mäzen

Christo The Floating Piers Insel San Paolo im Isoe-See
"Floating Piers" von Christo: Für das Projekt im Iseo-See in Italien nutze der Künstler die Privatinsel der Familie BerettaBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Aber auch in Europa bleiben die Konflikte nicht aus. Derzeit steht das British Museum in London, das zu den bedeutendsten kulturgeschichtlichen Institutionen der Welt zählt, unter Druck. Klimaaktivisten fordern von der Museumsdirektion, den Sponsorendeal mit dem britischen Mineralölunternehmen BP zu beenden. Auch während der Venedig-Biennale 2017 wurde Kritik laut, denn zu den Großförderern gehörte der italienische Waffenkonzern Beretta, der 2016 zudem die Privatinsel der Familie für Christos Projekt "The Floating Piers" zur Verfügung gestellt hat.

Wie also umgehen mit jenen Förderern und Spendern, die zwar der Kultur wohlgesonnen sind, der Gesellschaft aber durch ominöse Geschäfte Schaden zufügen? "Die Verantwortlichen in den Museen müssen sehr genau hinschauen, mit wem sie es zu tun haben", sagt Andreas Hansert, Historiker und Experte für Mäzenatentum, "sie dürfen sich nicht von spendablen Unternehmen für deren Imagegewinn missbrauchen lassen." Mäzenatentum sei jedoch grundsätzlich nichts Verwerfliches und werde auch in Zukunft eine wichtige Rolle im Bereich der Kulturförderung spielen, so Hansert.

Maecenas und die Medici

Immerhin führt die Geschichte des Mäzenatentums weit zurück. Urförderer der Künste und Namensgeber des Wortes Mäzen war der römische Krieger Gaius Maecenas (70 - 8 vor Christus). Er diente dem römischen Kaiser Augustus als politischer Berater und unterstützte die jungen Dichter Properz, Vergil und Horaz. Für die Renaissance spielte die italienische Familiendynastie der Medici eine entscheidende Rolle. So hatte insbesondere der florentinische Banker Lornezo de' Medici ein Auge auf Botticelli und Michelangelo geworfen und sie in ihrem Schaffen gefördert.

Zu den bedeutendsten Kunstmäzenen des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts zählte der jüdische Unternehmer James Simon (1851 - 1932). Seine Familie war um die Jahrhundertwende eine der reichsten Deutschlands. Das Ägyptische Museum in Berlin verdankt ihm die Büste der Nofretete und zahlreiche weitere Schätze. Simon gilt als Prototyp eines Mäzens, der sich mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln sowohl kulturell als auch sozial engagierte, sich dabei immer auch persönlich einbrachte und Beziehungen pflegte.

Nofretete: Das schönste Gesicht Ägyptens

Gutes im Namen des Guten

Diese persönliche Ebene sei entscheidend für das Vertrauensverhältnis zwischen Geber und Nehmer, sagt Historiker Andreas Hansert. Das Engagement von James Simon zeige, dass es durchaus Mäzene gebe, die aus Interesse an der Sache und für das Gemeinwohl handeln würden. Für die Museen bleibt also zu hoffen, dass künftig wieder mehr Gutes im Namen des Guten getan wird.