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Künstlich, aber ökologisch korrekt

5. Mai 2009

20 Jahre nach seiner Gründung ist der ägyptische Ferienort El Gouna am Roten Meer ein Musterbeispiel für ökologische Tourismusentwicklung: Ein künstlicher Ort, vom dem die Welt viel lernen kann.

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Yachthafen von El Gouna (Foto: Bildagentur Huber)
Das künstliche Paradies: El GounaBild: picture-alliance / Bildagentur Huber

Fährt man vom Flughafen Hurghada ins 20 Kilometer nördlich gelegene El Gouna, dann sieht man ein für Ägypten typisches Bild: Wüste, Sand und Steine - eigentlich beeindruckend. Doch leider sieht man auch etwas, das für Ägypten ebenfalls typisch ist: Müll! Plastikflaschen, Aludosen, Papier, Abfall jeder Art, vom Wind verstreut. Dann taucht plötzlich eine bunte Stadt auf. Einmal rechts abbiegen, und nach einer Kontrolle an einer Schranke schaut die Welt anders aus. Bestens geteerte Straßen, nirgendwo auch nur ein Stück Abfall. Fast scheint es, als habe man Ägypten verlassen.

"Hat man irgendwie auch" sagt Samih Sawiris, und lacht dabei herzlich. "El Gouna ist sauber, was nicht unbedingt ägyptisch ist, El Gouna ist gut organisiert, was nicht typisch ägyptisch ist, und dort gibt es auch keine aufdringlichen Händler, die dich in die Geschäfte ziehen, wie in den meisten Bazaren. Eigentlich ist El Gouna eher unägyptisch" fügt Sawiris in perfektem Deutsch hinzu. Das hat er in Berlin gelernt, wo er Wirtschaftsingenieurwesen studiert hat. Der 1957 als koptischer Christ geborene Sawiris ist mit geschätzten 20 Milliarden Dollar Vermögen der Rockefeller vom Nil.

Telekommunikation, Bauunternehmungen, Landentwicklung und Hotels sind die Geschäftsfelder der Familie. Spötter behaupten Sawiri habe vor 20 Jahren einen Ankerplatz für seine Yacht gesucht, als er in El Gouna landete. Damals gab es hier nichts als verdreckte Wüste und die Lagunen, die El Gouna seinen Namen gaben.

Heimat für 20.000 Menschen

Samih Sawiris (Foto: dpa)
Ägyptens Rockefeller: der Geschäftsmann Samih SawirisBild: picture-alliance/ dpa

Heute leben hier circa 20.000 Menschen , von denen 17.000 ägyptischer Herkunft sind. Gearbeitet wird ausschließlich für den Tourismus. 14 Hotels aller Kategorien sowie zahlreiche Ferienwohnungen und Häuser machen El Gouna zu einem der beliebtesten Badeorte des Roten Meeres, vor allem wegen der extremen Sauberkeit. Das weit verzweigte Lagunennetz hat Badequalität, und die Strände sind nicht nur schneeweiß, sondern auch blitzblank.

Es gibt Schulen und sogar einen Ableger der weltberühmten Bibliothek von Alexandria, ein eigenes Krankenhaus mit Dekompressionskammer für Tauchunfälle, eine Apotheke, Supermärkte, ein paar Boutiquen und einen kleinen Bazar. Dazu bietet El Gouna zwei Yachthäfen und einen Flughafen für Privatjets, alles auf knapp zehn Quadratkilometern. Gebaut wird aus Lehm und Naturstein im nubischen Stil, was dem Ort einen authentischen Charme verleiht. Nie grenzen zwei Hotels aneinander. Und selbst an ein öffentliches Nahverkehrsnetz ist gedacht. Zum einen gibt es Busse, zum anderen Wassertaxis, die die einzelnen Lagunen miteinander verbinden. Eigentlich hat El Gouna fast nichts mit dem Rest Ägyptens zu tun.

"Das ist auch eine Form der Nachhaltigkeit", erklärt Sawiris. "Wenn die Menschen, die hier arbeiten sich wohl fühlen, dann spüren das die Gäste. Es ist in unserer Verantwortung dafür zu sorgen, dass diejenigen die hierher kommen sich heimisch fühlen."

Recycling als Milliardärshobby

Dazu gehört auch die einzigartige Sauberkeit, die fast an Disney-Land erinnert. Überall im Ort stehen bunte Amphoren, um Müll getrennt zu sammeln. Die wirkliche Trennung läuft in Bereichen, die die Gäste nicht sehen, erklärt Alfred Heim, Direktor des Fünf-Sternehotels Steigenberger.

"Wir haben 98 Prozent Recycling erreicht", sagt Samih Sawiris stolz, "aber mein Ziel ist 100 Prozent. Das gibt es nirgendwo. Ich habe den Luxus, mir dieses teure Hobby leisten zu können. Und ich habe den Ehrgeiz sagen zu können: Ich habe es geschafft, wir recyceln 100 Prozent unseres Abfalls."

Und das ist bei weitem kein Marketing. Für viel Geld hat Sawiris vor den Toren der Stadt eine Recycling-Fabrik bauen lassen. Hier wird alles sortiert und wieder verarbeitet. Plastik wird geschmolzen und zu Plastiktüten, Kleiderbügeln oder Pflastersteinen verarbeitet. Aluminium wird gesammelt und verkauft. Glas geht an die Brauerei. Selbst die Essensabfälle werden an Schafe und Rinder verfüttert. Und die Truthähne essen die Malzrückstände der Brauerei.

Rund 90 Menschen haben hier einen Job gefunden, erklärt Recycling-Ingenieur Seif. Aber Geld lasse sich damit keines verdienen - Milliardärshobby eben.

Ein Ökogolfplatz mitten im Sand

Golfplatz (Foto: El Gouna)
Sogar ökologisch Golfspielen kann man in der Wüste

Ein Golfplatz in der Wüste ist aus ökologischer Sicht eigentlich eine Katastrophe. Drei bis vier Millionen Liter Wasser brauchen die 18 Spielbahnen pro Tag. Damit kommt ein Platz in Europa locker ein paar Monate aus. Doch anders als in Europa nutzt man in El Gouna Brauchwasser, dass über ein Leitungssystem aus Hurghada zugeleitet wird. Dieses Wasser wird einen Tag lang aufbereitet und dann von Hand auf den Platz aufgebracht. Das allerdings geht nur weil die Grassorte "Seashore Paspalum" Hitze liebt und einen extrem hohen Anteil an Salz verträgt.

Golfer müssen sich allerdings umstellen, weil der Ball nicht so weit rollt und es manchmal ein wenig müffelt. Rund 850.000 Euro kommen so an Wasserkosten zusammen. Aber wie schon gesagt: das ist ein Milliardärshobby, denn am Ende gehört in El Gouna alles Orascom, der Firma von Samih Sawiris.

Die Grünen Sterne

Fünf-Sternhotels gibt es weltweit viele, Hotels mit fünf Grünen Sternen aber vor allem in El Gouna.Gemeinsam mit der ägyptischen Regierung, der Gesellschaft für Technischen Zusammenarbeit und dem Deutschen Entwicklungshilfeministerium erfand Orascom die Grünen Sterne als Hotelgütesiegel. Mit drei bis fünf Sternen wird man da je nach ökologischem Engagement ausgezeichnet. Neben dem Steigenberger darf sich auch das Mövenpick ein "Five Green Star Hotel" nennen, erklärt Hotel-Manager John Wood.

Stadt El Gouna (Foto: Stadt El Gouna)
Das ökologisch korrekte Kunst-ParadiesBild: El Gouna

Alle Mitarbeiter werden bei Einstellung drei Tage lang geschult. Es geht darum, so wenig Energie oder Wasser zu verschwenden wie möglich. Gepflanzt werden nur Bäume und Gräser, die wenig Wasser brauchen. El Gouna will hier als Vorbild für andere Hotels in Ägypten und auch in der restlichen Welt stehen. Bei den Touristen kommt das gut an - "Rette den Planeten und mach Urlaub."

Visionär oder Ökospinner?

Während El Gouna immer ökologischer wird, schütteln andere Hoteliers den Kopf. "Die sagen, ich spinne", lacht Sawiris. "Die wissen, dass das alles Geld kostet. Wirklich nachhaltig zu sein und das nicht nur zu behaupten, das muss man sich leisten können. Wir haben wegen unserer Größe natürlich mehr Verantwortung als ein kleiner Hotelier, der als Steuerzahler den Staat oder die Stadt in der Pflicht sieht. Ich bin selbst eine Stadt. Also muss ich mehr tun als alle anderen."

Vielleicht tut er das demnächst auch in der Schweiz. Denn im Moment investiert Orascom rund eine Milliarde in den Schweizer Ort Andermatt. Aus dem verschlafenen Gebirgsort soll ein schweizerisches El Gouna werden: authentisch schweizerisch, Hotels aller Kategorien, ein Golfplatz - und natürlich nachhaltig. Das ist Samih Sawiris neues Hobby.

Autor: Taufig Khalil, Redaktion: Sarah Mersch