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Künstliche Intelligenz ist schon da

11. September 2017

An künstlicher Intelligenz scheiden sich die Geister. Die einen bejubeln Chancen, die anderen sehen Killerroboter den 3. Weltkrieg führen. Dabei sind selbstlernende Maschinen schon jetzt im Alltag durchaus hilfreich.

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Robots Ausstellung, Science Museum in London
Bild: picture-alliance/AP Photo/A. Grant

17 Millionen alte Menschen leben in Deutschland, in ganz Europa sind es schon 74 Millionen. Wer älter wird, der stolpert und stürzt häufiger. Schwere Stürze sind die zweithäufigste unnötige Todesursache bei Senioren. Künstliche Intelligenz kann dabei helfen, es erst gar nicht so weit kommen zu lassen. Diana Heinrichs, Gründerin und Geschäftsführerin der Lindera GmbH, hat eine App mitentwickelt, die einen Mobilitätsselbsttest ermöglicht. "Es reicht, mit einem Smartphone ein Gangbild aufzunehmen", erklärt Heinrichs.

Mithilfe von sogenanntem "Machine Learning" und "Skeleton Tracking-Methoden" untersucht das Smartphone Sprung- und Kniegelenke auf individuelle Sturzindikatoren. Psychische Faktoren wie Ängste, Demenz oder Depressionen sowie die Wohnsituation werden ebenfalls berücksichtigt. Im Ergebnis empfiehlt das Programm gezielte Präventionsmaßnahmen, um den Aufenthalt zu Hause sicherer zu machen. "40 Jahren geriatrische Forschung setzen wir in unserer App in eine statistische Videoanalyse um", so Heinrichs. Wohlfahrtsverbände, Krankenkassen und häusliche Pflegedienstleister sind  sehr interessiert. "Alle sind da ganz heiß drauf", freut sich Heinrichs.

Ministerium schaltet sich ein

Auch das Bundeswirtschaftsministerium zeigte Interesse. Die App ist eine von sechs Ideen, die es in die Endrunde der "Initiative Intelligente Vernetzung" schafften. Mit der Initiative wollte sich das Ministerium einen Überblick darüber verschaffen, welche konkrete Rolle künstliche Intelligenz in den fünf Sektoren Bildung, Energie, Gesundheit, Verkehr und Verwaltung bereits spielt.

Im Energiesektor arbeitet die Cassantec AG mit künstlicher Intelligenz. "Wann macht die Anlage schlapp?", diese Frage sei gerade in Kraftwerken essentiell, erklärt Geschäftsführer Moritz von Plate. Seine Firma analysiert die Daten, die die Sensoren der Maschinen liefern und kombiniert sie mit menschlichem Expertenwissen. Computerbasierte Programme errechnen, wann welche Störung mit welcher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Je mehr Daten verfügbar sind, umso besser wird die Voraussage.

Was sollte man wissen?

Mit Daten arbeitet auch die Inspirient GmbH. Georg Wittenburg, CEO und Mitgründer der Firma, hat ein Konzept zur automatisierten Analyse und Visualisierung von großen Mengen kommerzieller Daten entwickelt. Der Algorithmus erkennt Muster und Auffälligkeiten in Datensätzen. Mit der Analyse könne die Frage beantwortet werden, was an den jeweiligen Datensätzen interessant sei, was man also wissen sollte, erklärt Wittenburg. Ein Beispiel: Die Analyse von Abgasmesswerten in den USA im Jahr 2011. Auffällig: Immer wieder ein bestimmtes Diesel-Modell von Volkswagen.

Künstliche Intelligenz basiert auf Daten und Berechnungen. Manche Systeme erkennen Muster und können infolgedessen entsprechende Handlungen ausführen. Es gibt wissensbasierte KI-Systeme, die auf Datenbanken zurückgreifen, um Probleme zu lösen. Andere Systeme setzen wiederum Methoden aus der Wahrscheinlichkeitsrechnung ein, um auf gegebene Muster angemessen zu reagieren.

Kollege Roboter antwortet

Das Startup e-bot7 hat einen Chat-Bot entwickelt, der im Online-Kundendienst eingesetzt werden kann. Wiederkehrende Fragen werden automatisch beantwortet. Weicht die Frage ab, wird sie an einen menschlichen Kundendienstmitarbeiter weitergeleitet. Das System lernt mit jeder Frage und jeder Antwort dazu. Beim Telekommunikationsunternehmen O2, einem Kunden von e-bot7, wurden nach zwei Monaten bereits mehr Anfragen vom Chat-Bot als von den Kundendienstmitarbeitern beantwortet.

Symbolbild - Kommunikation
Am anderen Ende der Leitung sitzt immer häufiger kein MenschBild: Fotolia/MH

Wird künstliche Intelligenz den arbeitenden Menschen mittel- bis langfristig ersetzen? Allein diese Frage führt dazu, dass die Technologie in Deutschland eher als Bedrohung denn als Chance wahrgenommen wird. Dirk Wiese, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, fordert mehr Offenheit und verweist auf das ungeheure wirtschaftliche Potenzial, das mit der Entwicklung künstlicher Intelligenz verbunden ist. Deutschland könne es sich nicht leisten, in der Digitalisierung weiter zurückzufallen.

Andere sind weiter

Schon jetzt seien Länder wie China, Korea, Singapur und Taiwan Deutschland weit voraus. Wiese hofft, dass durch bereits funktionierende Anwendungen mit künstlicher Intelligenz und deren Verbreitung im Alltag Ängste und Sorgen abgebaut werden können. Aber natürlich müsse die Politik auch mit entsprechenden Gesetzen dafür sorgen, dass die Entwicklung in die richtige Richtung gehe und nicht aus der Spur laufe.

So wird es auch im Bundesforschungsministerium gesehen. Dort ging jetzt die Plattform "Lernende Systeme" an den Start. Bundesforschungsministerin Johanna Wanka will Wirtschaft, Forschung und Politik zusammenbringen. "Unsere Forschung hat einen Reifegrad erreicht, der das große Potenzial dieser neuen Technologie auch für die Wirtschaft offenbart", erklärt sie. "Wir müssen bei KI jetzt in Kategorien denken, die wie bei Industrie 4.0 von weitreichenden Veränderungen ausgehen." Erste Schwerpunktthemen stehen mit Mobilität und Gesundheit bereits fest. Von Oktober an sollen Experten in sieben Arbeitsgruppen Vorschläge erarbeiten, wie beispielsweise Datenanalyse-Werkzeuge ausgebaut werden können.

Japan RoboCup 2017 in Nagoya
Roboter messen sich beim RoboCup 2017 in Nagoya, JapanBild: picture-alliance/MAXPPP/Kyodo

Captain Kirk und Mister Spock

Dass die Entwicklung rasant voranschreiten wird, glaubt auch Startup-Gründer Holger Weiss. Er entwickelt mit "German Autolabs" derzeit einen digitalen Beifahrer. Chris heißt er oder sie und soll "so auf mich reagieren wie meine Frau, wenn sie neben mir im Auto sitzt", erklärt Weiss. Aktuell kann sich das System mit dem Smartphone verbinden, SMS vorlesen und schreiben, navigieren und Musik abspielen. In ein paar Jahren soll Chris wie ein richtiger Assistent funktionieren.

Künstliche Intelligenz wird zwar einfache Arbeiten komplett übernehmen, den Menschen aber nicht ersetzen können, meint auch Moritz von Plate. Es gehe darum, der Intelligenz, der Intuition und der Genialität des Menschen eine Hilfe zur Seite zu stellen. Vergleichbar mit Captain Kirk und Mr. Spock, den Filmfiguren aus dem Science-Fiction-Klassiker Star Trek. Nur zusammen, so von Plate, hätten der intuitiv handelnde Mensch Kirk und der emotionslose und streng logisch denkende Spock eine Erfolgsgeschichte werden können.