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Kabinett beschließt längere Atom-Laufzeiten

28. September 2010

Das Bundeskabinett hat das Energiekonzept mit längeren Atomlaufzeiten und dem geplanten Umbau der Versorgung bis 2050 beschlossen. Die Opposition ist empört, dass der Bundesrat nicht gefragt werden soll.

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Atomkraftwerk Biblis bei Dunkelheit (Foto: AP)
Die zusätzlchen Gewinne der Atomwirtschaft sollen in erneuerbare Energien fließenBild: AP

Die Bundesregierung hat ihr umstrittenes Energiekonzept auf den parlamentarischen Weg gebracht. Das Kabinett beschloss am Dienstag (28.09.2010) die Pläne, nach denen unter anderem die 17 deutschen Atomkraftwerke zwischen acht und 14 Jahren länger in Betrieb bleiben sollen.

Atomkraft-Gegner protestierten vor dem Kanzleramt in Berlin und an den verschiedenen Atomkraftwerken gegen die Verlängerung der Laufzeiten. Die Organisation Greenpeace wies darauf hin, dass die Gefahr der radioaktiven Verseuchung durch einen schweren Reaktorunfall nicht gebannt sei. Außerdem werde immer mehr hoch radioaktiver Atommüll produziert, für den es kein angemessenes Endlager gebe.

Durchschnittlich 12 Jahre länger am Netz

Atomkraftgegner demonstrieren mit einer Angela-Merkel-Puppe (l.)und einer Puppe, die einen Vertreter der Atomlobby darstellen soll und die mit Hämmern ein Solarpanel zerstoeren (Foto: dapd)
Lautstarker Protest vor dem KanzleramtBild: dapd

Nach dem Willen von Union und FDP sollen die sieben vor 1980 ans Netz gegangenen Meiler acht Jahre länger laufen; die übrigen zehn Atomkraftwerke bekommen 14 Jahre mehr. Damit würde der letzte Atommeiler nicht vor dem Jahr 2036 vom Netz gehen. SPD und Grüne hatten vor acht Jahren im Atomgesetz einen Ausstieg bis 2022 vereinbart.

Von den zusätzlichen Gewinnen, mit denen die Kraftwerksbetreiber rechnen können, will die Regierung im Gegenzug rund 30 Milliarden Euro abschöpfen. Knapp die Hälfte davon soll in den Haushalt und zur Sanierung des maroden Salzstocks in Asse fließen, in dem Atommüll gelagert wird. Der Rest soll für den Ausbau der erneuerbaren Energie verwendet werden.

Umstieg auf alternative Energien

Aus Sicht der Regierung sind längere Laufzeiten nötig, um den Strompreis stabil zu halten und um den Umstieg auf alternative Energiequellen zu vollziehen. Umstritten ist allerdings, ob der Bundesrat dem Laufzeit-Plus zustimmen muss. Union und FDP, die in der Länder-Kammer keine Mehrheit haben, halten die im Schnitt 12 Jahre längeren Laufzeiten für nicht zustimmungspflichtig. Die Opposition hat deshalb Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht angekündigt.

Windkraftanlage auf Weide mit Schafen (Foto: AP)
Der Ausbau von Windkraftanlagen gehört zum Energiekonzept der RegierungBild: AP

Neben den längeren AKW-Laufzeiten setzt die Regierung auf den massiven Ausbau erneuerbarer Energiequellen. Bis 2050 sollen 80 Prozent des Stroms umweltfreundlich erzeugt werden. Dabei soll aber weniger die Solarkraft zum Zuge kommen, sondern vor allem Windparks in der Nord- und Ostsee. Dazu sollen 75 Milliarden Euro investiert und Genehmigungsverfahren vereinfacht werden.

Vorwurf der Klientelpolitik

Opposition und Umweltverbände haben das Konzept in den vergangenen Wochen heftig kritisiert. Sie werfen der Regierung falsche Schwerpunktsetzung und Klientelpolitik vor. SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte, der Aufbau von 300.000 Arbeitsplätzen in der Ökostrombranche werde ausgebremst. Denn private Investoren würden nicht weiter investieren, so Gabriel, der in der Großen Koalition Umweltminister war.

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin, der in der rot-grünen Koalition von 1998 bis 2005 Umweltminister war und dessen Partei in Umfragen momentan ein Hoch erlebt, sagte, die Grünen würden die längeren Laufzeiten rückgängig machen, sobald sie wieder an der Macht seien. Zudem werde man gemeinsam mit der SPD vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die längeren Laufzeiten klagen.

Autorin: Eleonore Uhlich (dpa,afp,dapd)

Redaktion: Annamaria Sigrist