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Bundesregierung im Corona-Modus

Wolfgang Dick
27. Oktober 2020

Die Bundesregierung ist direkt von der Corona-Pandemie betroffen. Nach Bundesgesundheitsminister Jens Spahn könnten sich weitere Minister anstecken. Was passiert dann? Gibt es einen Notfallplan?

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Kabinettssitzung l 21. Oktober 2020
Bild: Markus Schreiber/dpa/picture-alliance

"Mir geht's soweit den Umständen entsprechend ganz gut. Die Erkältungssymptome sind bisher jedenfalls, toi, toi, toi, nicht stärker geworden", sagt ein sehr aufgeräumt wirkender Jens Spahn in seiner Videobotschaft, die er kürzlich auf seiner Facebookseite veröffentlichte. Der 40-Jährige hatte in der vergangenen Woche noch an der Kabinettsitzung im Kanzleramt teilgenommen. Er und die Teilnehmer bemerkten zwar seine belegt wirkende Stimme, aber weiter nichts.

Als ein leichtes Kratzen im Hals auftauchte, unterzog sich Spahn sofort einem so genannten PCR-Test (Standard-Verfahren), der ein positives Corona-Ergebnis brachte. Der Minister begab sich sofort in Quarantäne. Auf Nachfrage der DW, wie lange diese Quarantäne dauern wird, antwortet ein Sprecher des Gesundheitsministeriums, dass sich der Minister an die Regeln seiner Gesundheitsämter hält. Also wohl 14 Tage. Es soll schließlich in der Öffentlichkeit nicht heißen: "Seht mal da. Ihr macht der Bevölkerung strenge strafbewährte Vorschriften, haltet Euch aber selbst nicht daran."

Minister als Super-Spreader?

Mitarbeiter aus dem engeren Kreis des Ministers sind bisher nicht angesteckt worden. Allerdings ist der Ehemann von Jens Spahn Corona-positiv. Inzwischen wurde auch ein Staatssekretär aus dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung positiv auf Corona getestet. Es handelt sich um Martin Jäger. Er saß noch am Montag vergangener Woche, also nur zwei Tage vor der letzten Kabinettssitzung, mit dem erkrankten Bundesgesundheitsminister zusammen und hatte mit ihm zu Mittag gegessen.

Seitdem dieser Umstand bekannt ist, herrscht Anspannung im gesamten Ministerkreis. Die Frage ist: Wie viele Teilnehmer hat ein einzelner Minister in der Bundesregierung angesteckt? Und was passiert, wenn noch mehr Mitglieder des Kabinetts durch Corona ausfallen?

Hotspot im Kabinett  

Jeden Mittwoch sitzen die Minister der Bundesregierung im Internationalen Konferenzsaal des Berliner Kanzleramts zusammen und beraten aktuelle Fragen und Gesetze, die anstehen. Jens Spahn ist der erste Minister, bei dem der COVID-19-Erreger entdeckt wurde. Weitere Minister, die in jüngster Zeit dem Kabinett fernblieben, taten dies aus reiner Vorsicht, aber nicht, weil sie selbst erkrankt sind.

Außenminister Heiko Maas (SPD) blieb in Quarantäne, weil ein Personenschützer seines engsten Kreises positiv auf Corona getestet wurde. Bei Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) war es ein positiv getesteter Mitarbeiter eines Ministers, der mit ihm bei einem Treffen des EU-Handelsministers in Berlin anwesend war. So isolierte sich Altmaier freiwillig aus Rücksichtnahme. Zuvor hatte sich Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) ins Home-Office zurückgezogen, weil er über die Corona-App auf seinem Handy eine Warnung erhalten hatte.

Regierung tagt persönlich weiter

Tagt die Bundesregierung jetzt künftig nur noch in Videokonferenzen, um die Ansteckungsgefahr im persönlichen Austausch unter den Ministern zu minimieren? Ein Regierungssprecher sagt der DW: "Es bleibt bei den physischen Kabinettssitzungen unter den strengen Infektionsregelungen."

Deutschland Berlin Kabinettssitzung | Angela Merkel
Keine Umarmung, kein Händeschütteln: Merkel und Seehofer halten zur Begrüßung in einer Kabinettssitzung im Juni Sicherheitsabstand ein - allerdings ohne MaskeBild: Getty Images/AFP/M. Kappeler

Heißt konkret: Zwischen den Ministern bleiben zwei Sitze frei. Außerdem gibt es Infektionsschutzwände und eine Mikrofonanlage, damit alle Teilnehmer nicht laut sprechen müssen und sich womöglich Aerosole im Raum verbreiten. "Vielleicht machen die in der Regierung ja mal einen Ausflug in die freie Natur, damit den Politikern mal wieder frischer Wind ums Hirn weht", witzelten einige Abgeordnete der Opposition von Grünen und Linken.

Die Bundesregierung löst sich nicht auf

Die Bundesregierung erklärte dagegen nüchtern: "Das Bundeskabinett tagt unter Einhaltung der Hygiene- und Abstandsregeln, die darauf abzielen, dass auch im Falle der Teilnahme einer Person, die später Corona-positiv getestet wird, eine Quarantäne anderer oder gar aller Teilnehmer nicht erforderlich wird." Die Bedingungen im Sitzungssaal des Bundeskabinetts seien hinsichtlich des Infektionsschutzes "besonders optimiert und vom Gesundheitsamt Berlin-Mitte fachlich überprüft worden. Eine Testung des gesamten Bundeskabinetts aufgrund der Coronainfektion von Bundesminister Jens Spahn ist absolut nicht erforderlich."

Der Gesundheitsexperte der SPD, Karl Lauterbach, erklärte in der Zeitung "Rheinische Post", dass eine Quarantäne für die Regierung auch nicht nötig sei. "Alle Kabinettsmitglieder sind systemrelevant. Deshalb müssen die Minister mit Maske einfach weiterarbeiten." Es gibt allerdings Berichte von Augenzeugen, die bestätigen, dass Kabinettsmitglieder bei der vergangenen Sitzung nach der Begrüßung ihre Maske abgelegt hätten. Die Nachfrage, ob künftig im Kabinett eine strenge und absolute Maskenpflicht verbindlich sei, ließen Regierungssprecher unbeantwortet und verwiesen auf die eben genannte Stellungnahme.

Notfallplan für Amtsgeschäfte

Für den Fall, dass die Bundeskanzlerin erkranken würde, gibt es im Artikel 69 des Grundgesetzes eine klare Regelung. Die Bundeskanzlerin kann einen ihrer Minister als Stellvertreter benennen. Im Augenblick übernimmt diese Funktion Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz (SPD). Aber was passiert, wenn auch er ausfällt? Dann kommt nicht etwa ein anderer Minister zum Zug, sondern einer der Staatssekretäre seines Finanzministeriums.

Staatssekretäre gibt es immer mehrere. Das Bundeswirtschaftsministerium beispielsweise hat gleich fünf von ihnen. Danach stehen die Referatsleiter in der Reihenfolge. Jeweils die mit der längsten Regierungserfahrung oder dem höchsten Alter. Gesetze dürfte im Notfall auch das Parlament verabschieden. Ein "Notparlament" hätte 48 Mitglieder, die die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag (derzeit 709 Abgeordnete) wiedergeben müssen. Deutschland bliebe also regierungsfähig.