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Kam der Mensch viel früher nach Europa?

10. Juli 2019

Afrika gilt als Wiege der Menschheit. Laut einer neuen Studie soll der Homo sapiens aber den Kontinent viel früher als bislang angenommen verlassen und sich in Europa angesiedelt haben.

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Symbolbild Homo Sapiens Schädel eines Menschen
Bild: picture-alliance/dpa/J. Kalaene

In den letzten Jahren ist viel Bewegung in die Anthropologie gekommen. Durch neue Funde und Forschungsansätze muss die Geschichte der Menschheit scheinbar ständig neu geschrieben werden. Bislang unbekannte Menschenarten kommen hinzu und zeitliche oder räumliche Zuordnungen müssen grundlegend korrigiert werden. 

Konsens ist noch, dass sich die archaischen Menschenformen in Afrika entwickelt haben, dass sie sich von dort auf der ganzen Welt verbreitet haben und dass der Homo sapiens im Laufe der Zeit alle anderen Menschenformen verdrängt hat.

Genetischer und kultureller Austausch als Erfolgsrezept

Archäologische, paläontologische und genetische Befunde belegen inzwischen, dass sich der Homo sapiens sehr wohl mit anderen Frühmenschen vermischte. Und dass dieser genetische und kulturelle Austausch mit anderen Menschenformen wahrscheinlich dazu beigetragen hat, dass sich allein der Homo sapiens bis heute behaupten konnte.

Höhlen von Apidima, Griechenland
In diesen Höhlen im südgriechischen Apidima wurden die Schädel gefunden Bild: Museum of Anthropology, Medical School, National and Kapodistrian University of Athens

Laut einer neuen Studie von Wissenschaftlern aus Tübingen und Athen soll der Homo sapiens bereits 150.000 Jahre früher als bisher angenommen Afrika verlassen und sich in Europa angesiedelt haben.

Grundlage für diese These ist die Analyse eines menschlichen Schädels, der bereits in den 1970er Jahren in einer griechischen Höhle in Apidima in Südgriechenland entdeckt worden war.

Früher und weiter verbreitet

Dem Fachmagazin "Nature" berichteten die Wissenschaftler, dass sie die beschädigte Teile virtuell rekonstruiert und ihn auf ein Alter von 210.000 Jahren datiert hätten.

Aufgrund seines gerundeten Hinterkopfs ordneten sie ihn einer frühen Form des Homo sapiens zu. Der Schädel stamme damit vom ältesten modernen Menschen, der außerhalb Afrikas gefunden wurde, so die Forscher. Bisher bekannte Homo sapiens-Funde in Europa sind mehr als 150.000 Jahre jünger.

Schädel vom Homo Sapiens aus Apidima, Griechenland
Der Apidima 1 Schädel (rechts) und seine Rekonstruktion. Die runde Form ist ein Merkmal des modernen Menschen. Bild: Katerina Harvati, University of Tübingen

Nach Ansicht der Forscher zeigten die jetzt veröffentlichten Forschungsergebnisse, dass eine erste Ausbreitungswelle viel früher stattgefunden habe und geografisch weitreichender ausgefallen sei als bisher angenommen, teilte Hauptautorin Katerina Harvati, Paläoanthropologin an der Universität Tübingen, mit.

Einen zweiten Schädel vom gleichen Fundort identifizierten die Forscher als Überrest eines Neandertalers. Ihrer Erkenntnis nach ist er 170.000 Jahre alt. Die Wissenschaftler schließen daraus, dass dort erst eine frühe Population des Homo sapiens und später Neandertaler lebten.

Die Schädelanalysen deute darauf hin, dass diese Neandertaler später wiederum von neu ankommenden anatomisch modernen Menschen verdrängt wurden. Nach jetzigem Wissensstand starben die Neandertaler vor rund 40.000 Jahren aus.

Homo Sapiens | Griechenland | Apidima
Der Apidima 2 Schädel (rechts) und seine Rekonstruktion (links) zeigen für Neandertaler charakteristische MerkmaleBild: Katerina Harvati, University of Tübingen

Weitere Funde und Indizien wünschenswert

Die Forscher wollen nun herausfinden, ob und wie die Geschichte der Menschheit durch diese Erkenntnisse neu geschrieben werden muss. Nach Angaben von Faysal Bibi vom Museum für Naturkunde in Berlin fügen sich die Forschungsergebnisse in eine Reihe von Entdeckungen der vergangenen Jahre etwa aus Israel oder China, die die Geschichte des Homo sapiens immer älter und komplexer scheinen lassen.

Faysal Bibi bleibt jedoch skeptisch, da die jetzt neu interpretierten Schädelknochen aus Griechenland nur noch in Bruchstücken vorhanden sind und die Forscher eine umstrittene radiometrische Datierungsmethode verwendet hätten, die in der Vergangenheit schon oft falsche Ergebnisse geliefert hätte. "Die neue Studie liefert aber exzellente Gründe, um weiter nach neuen Entdeckungen zu suchen", so Bibi.

DW Mitarbeiterportrait | Alexander Freund
Alexander Freund Wissenschaftsredakteur mit Fokus auf Archäologie, Geschichte und Gesundheit@AlexxxFreund