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Kampf gegen Windmühlen

Bernd Riegert, Brüssel25. Oktober 2007

Die Zahl der stimmberechtigten Parlamentarier im EU-Parlament soll auf 750 begrenzt werden - selbst wenn neue Länder der EU beitreten. Doch es regt sich Widerstand. Und zwar von der Spitze des Parlaments.

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Fernschreibergrafik Brüssel
Bild: DW

Hans Gert Pöttering ist ein zurückhaltender bescheiden auftretender auf Harmonie und Ausgleich bedachter Mann. Doch jetzt platzte ihm der Kragen. Der Präsident des Europäischen Parlaments gab sich in dieser Woche ungewohnt kämpferisch. Niemand könne ihm sein Stimmrecht im Parlament nehmen, das er als Mandatsträger von seinen Wählern erhalten habe, wetterte er zornig. Was war geschehen?

Die EU-Staats- und Regierungschefs hatten am Freitag zuvor gerade mal so eben locker aus der Hüfte heraus beschlossen, die Zahl der Sitze des Parlaments in Straßburg im neuen EU-Vertrag auf 751 festzulegen. Einen Sitz mehr als bislang vorgesehen, den das beleidigte Italien für seine Zustimmung zum EU-Vertrag bekommen soll. Stimmrecht sollen aber nur die bislang vorgesehenen 750 Abgeordneten haben. Der Präsident des Parlaments soll künftig nur noch Grußaugust spielen.

Offenbar hatten die Staats- und Regierungschefs bei diesem Kuhhandel Hans-Gert Pöttering, der auch in Lissabon beim Gipfel dabei war, nicht gefragt. Deshalb kündigte der CDU-Politiker, der sich sonst seines guten Drahtes zur Bundeskanzlerin rühmt, „vehementen“ Widerstand an. Die portugiesische Präsidentschaft der EU räumte ein, dass über die Stimmrechte und Sitzverteilung erst im Dezember beim nächsten Gipfel abschließend entschieden werden kann.

Das könnte bedeuten, dass der ganze EU-Grundlagenvertrag wieder in Frage steht. Sollte sich Hans-Gert Pöttering durchsetzen, Italien wieder einschnappen und die Vertragsunterzeichnung blockieren, wäre der ganze schöne Gipfelerfolg von Lissabon von letzter Woche dahin. Jetzt sind die Juristen der EU am Zuge, um einen Ausweg aus der Sackgasse zu finden. Die Sitzverteilung im Parlament ist schwierig, weil die bisherigen EU-Verträge für die Abgeordneten aus den mittlerweile 27 Mitgliedsstaaten zwar Obergrenzen und Mindestzahlen pro Land festlegen, nicht aber das Verfahren für die Verteilung des Restes. Die letztendliche Entscheidungsgewalt liegt bei den Staats- und Regierungschefs.

Wie auch immer der Streit ausgeht. Der nächste ist schon vorprogrammiert, denn wenn in den nächsten Jahren die Balkanstaaten beitreten, bleibt die Zahl der Abgeordnetensitze bei 750 oder 751 gedeckelt, das heißt die heutigen Mitglieder müssten etwas abgeben --- und das fällt in der EU sehr schwer.