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Kanadisches Terrornetz beunruhigt USA

Daniel Scheschkewitz7. Juni 2006

In Toronto sind am Dienstag die ersten von 17 am Wochenende Festgenommenen vor Gericht gestellt worden. Die Männer sollen Attentate auf Ziele in Ottawa und Toronto geplant haben.

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Terrorziel TorontoBild: dpa

Der kanadische Ministerpräsident Stephen Harper sollte von den am Wochenende festgenommenen mutmaßlichen Terroristen geköpft werden. Wenigstens einer der 15 Terrorverdächtigen hatte nach Angaben der kanadischen Justiz geplant, das Parlament in Ottawa zu stürmen und Harper zu töten. Das berichtete die Zeitung "Globe and Mail" unter Berufung auf den Verteidiger Gary Batasar.

Die Gruppe hatte sich durch Chatten im Internet verraten. Insgesamt waren am Wochenende bei einem Großeinsatz von mehr als 400 Polizisten zwölf Männer zwischen 19 und 43 Jahren sowie fünf Jugendliche gefasst worden, die eine Serie von Terroranschlägen im Süden der Provinz Ontario geplant hätten. Unter anderem hätten sie sich drei Tonnen Ammoniumnitrat zur Herstellung von Bomben beschafft.

Die Gruppe soll von der El Kaida inspiriert sein, aber selbständig gehandelt haben. In den benachbarten USA hat die Aufdeckung dieses Terror-Netzwerks große Beunruhigung ausgelöst, da man befürchtet, Terroristen aus dem liberalen Einwanderungsland Kanada könnten über die offene Grenze die USA infiltrieren.

Die festgenommenen Männer und Jugendlichen waren allesamt kanadische Staatsbürger. Sieben von ihnen besuchten die gleiche Moschee. Alles deutet auf eine einheimische Terrorzelle hin, ähnlich der in London und Madrid.

Torontos Bürgermeister David Miller
Torontos Bürgermeister David MillerBild: AP

Im Einwanderungsland Kanada, dessen Immigrations- und Asylgesetze zu den freizügigsten der Welt gehören, ist man irritiert. So auch Torontos Bürgermeister David Miller: "Wir waren alle schockiert. Positiv ist jedoch zu vermerken, dass die kanadische Polizei und der Geheimdienst so gut zusammen gearbeitet haben, dass wir wissen, dass wir in Sicherheit sind. Wir sind ein offenes Land und die moslemische Gemeinde hier in Kanada trägt dazu bei."

Angst vor der offenen Grenze im Norden

Doch während man im Norden Auswirkungen auf Kanadas tolerantes Klima gegenüber Minderheiten fürchtet, sorgt sich der südliche Nachbar USA angesichts der jüngsten Verhaftungen vor allem um seine eigene Sicherheit. Schon fordern Politiker wie der republikanische Vorsitzende des Ausschusses für Heimatsicherheit im Kongress Pete King zusätzliche Kontrollen an der 6000 Kilometer langen Grenze zu Kanada, an der nur etwa zehn Prozent aller US-Grenzschutzbeamten stationiert sind.

Terror-Experten wie Richard Falkenrath vom "Brookings Institute" in Washington weisen auf eine erhebliche Sicherheitslücke hin: "Wenn es darum geht, unser Land vor einem Terroranschlag von außen zu schützen, dann ist die Grenze zu Kanada sehr viel gefährlicher als die zu Mexiko. Es ist die größte unmilitarisierte Landgrenze in der Welt und gleichzeitig die Grenze über die weltweit die meisten Güter ausgetauscht werden."

Kanadier sehen Vielfalt ihrer Gesellschaft bedroht

Trotz dieser engen wirtschaftlichen Verflechtung waren die politischen Beziehungen zwischen Kanada und den USA in den letzten Jahren nicht immer spannungsfrei. Vor allem mit dem Beginn des Irakkriegs ging der Nachbar im Norden zum größeren Bruder USA deutlich auf Distanz und auch jetzt ist man nicht bereit, im Zuge des Terrorschocks typisch liberale kanadische Errungenschaften preis zu geben. Dazu steht auch Torontos Bürgermeister David Miller: "Wir sind sehr stolz auf unsere Vielfalt. Mehr als die Hälfte aller Bürger Torontos, darunter auch ich, wurden nicht in Kanada geboren. So funktioniert unser Land und wir rechnen nicht mit solchen Dingen wie dieser terroristischen Verschwörung - gerade weil wir eine vielfältige Gesellschaft sind mit funktionierenden öffentlichen Diensten, die geprägt ist von einem gegenseitigen Respekt für die verschiedenen Kulturen."

Die Sorgen der US-Behörden gehen in eine ganz andere Richtung. Im Dezember 1999 wurde an der kanadisch-amerikanischen Grenze Achmed Ressam verhaftet, ein Algerier, der mit falschem Pass nach Kanada eingereist war und dort politisches Asyl erhalten hatte. Ressam wurde in den USA wegen eines geplanten Terroranschlags auf den Flughafen von Los Angeles zu einer hohen Haftstrafe verurteilt. Und auch jetzt fühlt man sich in den USA durchaus bemüßigt, den Kanadiern einige Ratschläge zu erteilen. Das tut auch Terror-Experte Richard Falkenrath: "Wie gut sind Kanadas Einwanderungs- und Asylgesetze? Legen die Behörden Fingerabdrücke von den Asyl-Antragstellern an? Wer bekommt überhaupt Asyl gewährt oder ein Visum? Offen gesagt, Ottawa muss mehr tun."