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Kann die deutsche Wissenschaft von Trump profitieren?

Katharina Wecker
3. Juli 2017

Immer mehr Forscher aus den USA bewerben sich in Deutschland. Ist das eine gute Nachricht? Nein, aber zumindest könnten sich dadurch die oft perspektivlosen Arbeitsbedingungen für Wissenschaftler verbessern.

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March For Science Washington, D.C.
Bild: picture alliance/ZUMAPRESS/A. Edelman

Auf der Jobmesse für Wissenschaftler in Boston war der deutsche Stand besonders gut besucht. Vor allem internationale Wissenschaftler, die in den Staaten arbeiten, sehen sich nach Alternativen um. Auch deutsche Forscher richten ihren Blick gen Heimat.

Das wachsende Interesse an Deutschland ist der aktuellen US-Wissenschaftspolitik geschuldet. Wissenschaftler in den USA sind verunsichert. In den ersten Monaten der Amtszeit von Präsident Donald Trump sind wissenschaftliche Informationen von Regierungswebseiten verschwunden und das Budget für 2018 sieht einschneidende Kürzungen für Forschung und Entwicklung vor. Vor allem Gelder für Klimaforschung, saubere Energien sowie Grundlagenforschung im medizinischen und naturwissenschaftlichen Bereich sollen reduziert werden.

Noch ist das Budget nicht freigegeben und es würde vermutlich Jahre dauern, bis derzeitige Förderprogramme auslaufen und sich die finanziellen Kürzungen bemerkbar machen. Doch viele Wissenschaftler strecken jetzt schon ihre Fühler nach Europa aus.

Aktiv werden momentan allerdings die wenigsten, sie hören sich bis jetzt nur um, sagt Katja Lasch, die beim Deutschen Akademischen Austauschdienst für das Marketing der deutschen Wissenschaft im Ausland zuständig ist. Dazu gehören Informationsstände auf Forschermessen. "Wir sehen, dass die Nachfrage leicht anzieht, aber nicht, dass die Leute ihre Koffer packen und fahren", fügt Lasch hinzu.

Deutsche Unis und Institute werden beliebter

Deutsche Universitäten und Forschungsinstitute berichten dagegen jetzt schon von mehr Bewerbungen aus den USA. Vor allem Klimaforschern, denen Trump besonders kritisch gegenübersteht, interessieren sich vermehrt für Deutschland.

Eine attraktive Adresse ist zum Beispiel das Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg, eines der führenden Klimaforschungszentren. "Ich sehe, dass Bewerberinnen und Bewerber aus den USA in ihren Anschreiben direkt Bezug auf die Lage in ihrem Land nehmen, sich also wegen der zunehmend wissenschaftsfeindlichen Haltung der derzeitigen Administration gezielt wegbewerben - auch wenn die Bewerbung nicht optimal zur ausgeschriebenen Stelle passt", sagt der Geschäftsführende Direktor, Martin Claußen,

Auch andere Forschungszweige berichten von einer wachsenden Nachfrage aus den USA. Die Technische Universität München (TUM), wo hauptsächlich natur- und ingenieurswissenschaftlich geforscht wird, rechnet mit anhaltendem Interesse.

"Ich glaube sehr, dass vermehrt Wissenschaftler aus den USA nach Deutschland wechseln werden. Wir haben diese Erfahrung schon gemacht", sagt Wolfgang Herrmann, Präsident der TUM. "Das liegt an den Arbeitsbedingungen, die man bietet, aber auch insgesamt am politischen Umfeld. In Amerika werden nicht mehr alle großen Themenfelder gefördert. Da passen viele junge Talente nicht rein."

Politik hält sich zurück

Das Interesse an deutschen Forschungsinstituten und Universitäten wächst. Das ist eine potentielle Chance für Deutschland, seinen Wissenschaftsstandort auszubauen. Doch während der französische Präsident Emmanuel Macron Wissenschaftler aus den USA nach Frankreich einlädt, ist die deutsche Regierung zurückhaltend.

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) möchte nicht aktiv um Forscher aus den USA werben. "Es geht darum, das Wissenschaftssystem im Wettbewerb dauerhaft zu stärken, nicht gezielt Schwächen anderer auszunutzen", sagt Nina von Sartori, Pressesprecherin des BMBF. "Erfolgreiche Wissenschaft lebt von Brain Circulation. Weltweit gut aufgestellte, freie Wissenschaftssysteme helfen der Wissenschaft am meisten."

Dass starke Forschungspartner in den USA ein Vorteil für die Wissenschaft insgesamt sind, sieht auch Claußen vom MPI für Meteorologie so. Doch er macht sich Sorgen über die Lage dort: "Ich kann nur hoffen, dass keine irreparablen Schäden der internationalen Wissenschaft entstehen, wenn große Messprogramme in den USA eingestellt oder die Förderprogramme der Klimaforschung heruntergefahren werden sollten."

Die USA gelten als führende Nation in der Klimaforschung. Kooperationslabore in Deutschland und anderen Ländern sind von Daten aus den USA abhängig. Vielleicht geht es also nicht so sehr darum, die besten Wissenschaftler aus den Staaten aktiv anzuwerben, sondern einen Wissenschaftsstandort zu schaffen, an dem die Forschung betrieben werden kann, die in den USA droht, vernachlässigt zu werden.

Hier wäre die Politik gefragt. Es müssten mehr Fördermittel bereitgestellt werden, um das gekürzte Budget in den USA auszugleichen. Macron hat versprochen, dass in Frankreich und Europa Investitionen in Klimaforschung erhöht werden. Aus Deutschland fehlt so eine Zusage.

Was sich in Deutschland ändern müsste

Während Wissenschaftler aus den USA sich vermehrt nach Europa orientieren, zieht es junge Akademiker aus Deutschland immer noch an die West- und Ostküste der Staaten. Es gibt für sie dort mehr Chancen als Zuhause.

"In den USA sitzt das Geld lockerer, die klügsten Köpfe forschen dort und das Tempo ist schneller", sagt beispielsweise Gabriel Dworschak, Kinderarzt und Wissenschaftler an der Universität Bonn, der für ein Jahr in Michigan und Boston gearbeitet hat.

Noch sind amerikanische Labore attraktiv. Aber es wird sich einiges ändern, glaubt Dworschak: "Die Forschungsumgebung wird weniger stark gefördert und dadurch umkämpfter. Die generelle Linie von Trump kommt schlecht an in der wissenschaftlichen Gemeinschaft. Der Wissenschaftsstandort in seiner jetzigen Form ist in Amerika auf jeden Fall stark gefährdet."

Junge Wissenschaftler sind sich einig, dass Deutschland von den Entwicklungen in den USA profitieren kann, wenn die Politik entsprechend handelt. Das heißt, wenn sie von den Punkten, die gut in den Staaten funktionieren, lernt.

Denn das deutsche Wissenschaftssystem unterscheidet sich sehr vom amerikanischen. Außer dem - noch immer - höheren Forschungsbudget gibt es in den USA besser bezahlte und längerfristige Stellen mit Perspektive.

"In den USA hast du den wissenschaftlichen Mittelbau, das heißt, du kannst ein Leben lang als Wissenschaftler arbeiten ohne zu habilitieren", sagt Anne Schröder, die als Postdoc am Deutschen Krebsforschungszentrum tätig ist. "Das ist in Deutschland nicht möglich."

In den meisten deutschen Universitäten und Forschungszentren werden nur befristete Verträge vergeben. Wissenschaftler hangeln sich oft von Stelle zu Stelle. Allerdings dürfen sie gesetzlich nur zwölf Jahre lang -inklusive Promotion - befristete Arbeitsverträge bekommen. Danach ist Schluss. Wer sechs Jahre nach Erhalt seines Doktortitels nicht habilitiert oder eine der begehrten unbefristeten Stellen ergattert hat, muss ins Ausland oder in die Industrie wechseln.

Durch diese Regelung mit dem sperrigen Namen "Wissenschaftszeitvertragsgesetz" gehen der Forschung viele Talente verloren, ist Wolfgang Herrmann von der TU-München überzeugt. Doch langsam tue sich etwas in diesem Bereich.

So hat Deutschland eine Exzellenzinitiative geschaffen mit sogenannten Tenure-Track-Stellen. Nach amerikanischem Vorbild bietet dieses Verfahren die Chance, nach einer befristeten Bewährungszeit eine Lebenszeitprofessur zu erhalten.

Die 1000 Stellen sollen bis zum Jahr 2032 geschaffen werden. Das ist nicht viel, wenn man bedenkt, dass in Deutschland fast 400.000 Menschen in der Forschung arbeiten. Aber es ist ein Anfang, sagt Herrmann: "Wenn dann noch die Fördermittel und die Arbeitsbedingungen stimmen, dann kommen die Top jungen Leute in Strömen nach Deutschland, da bin ich ganz sicher."