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Politik

Ein skurriler Auftritt im Weißen Haus

12. Oktober 2018

Da blieb sogar Donald Trump die Spucke weg: Der Rapper war zu Besuch im Oval Office und hat eine, tja, denkwürdige Rede gehalten. Thema waren etwa Jobs, eigene psychische Probleme und natürlich sein geliebter Präsident.

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USA Kanye West trifft Donald Trump im Weißen Haus
Kanye West zeigt dem US-Präsidenten seine HandyfotosBild: Reuters/K. Lamarque

Donald Trump wird nicht von vielen US-amerikanischen Celebrities unterstützt, eine der wenigen Ausnahmen ist Kanye West, einer der derzeit einflussreichsten Musiker, Produzenten und Mode-Designer der USA. Die beiden hatten sich 2016 schon einmal kurz nach Trumps Wahlsieg in New York getroffen.

Nun war es wieder so weit: Anlässlich der Unterzeichnung einer Musik-Urheberrechtsreform empfing der US-Präsident mehrere Vertreter der Musikszene im Weißen Haus. Allerdings bekam nur Kanye West derart viel Aufmerksamkeit und Redezeit - und danach noch ein Mittagessen mit seinem Helden Donald Trump.

Bei seinem live von amerikanischen Nachrichtensendern übertragenen zehnminütigen Monolog sprang der Rapper scheinbar planlos von einem Thema zum nächsten. So kam er teilweise wild gestikulierend von Kriminalität in seiner Heimatstadt Chicago über eine Gefängnisreform und die Industrie auf seinen eigenen Gesundheitszustand. Bei ihm sei fälschlicherweise eine bipolare Störung diagnostiziert worden, dabei habe er nur unter Schlafmangel gelitten.

USA Kanye West trifft Donald Trump im Weißen Haus
West bei seinem Besuch im Weißen Haus: "Das Wichtigste ist, Jobs nach Amerika zu bringen"Bild: Reuters/K. Lamarque

West fühlt sich mit Trump-Mütze "wie Superman"

Emotional erklärte der 41-Jährige, der während seines Auftritts im Oval Office eine Trump-Mütze mit dem Spruch "Make America great again" trug, dass Freunde ihn bedrängt hätten, diese nicht zu tragen. Aber die Mütze gebe ihm, der als Kind größtenteils ohne Vater aufgewachsen sei, Kraft: "Wenn ich sie aufsetze, fühle ich mich wie Superman."

Trump, der ein bisschen glamouröse Unterstützung kurz vor der Wahl gut gebrauchen kann, hatte wohl aber mit einem solchen Redeschwall nicht gerechnet. Ihm blieb wohl nicht anderes übrig, als Wests wirren Ausführungen sichtlich angestrengt zuzuhören und zustimmend zu nicken. Ab und zu lächelte er auch etwas verlegen, etwa als West sagte, mit so einem "crazy motherfucker" wie ihm als Unterstützer habe Trump wohl nicht gerechnet.

Dennoch müssen Trump Teile von Wests Rede wie Sahne runtergegangen sein - mit Lob für Trump sparte der erklärte Fan nämlich nicht. So sprang er etwa von seinem Stuhl auf, zückte sein Handy und zeigte das Foto eines futuristischen Flugzeugs: "In so etwas sollte unser Präsident fliegen", rief er in den Raum. "Die Leute müssen verstehen: Wenn er nicht gut aussieht, dann sehen wir nicht gut aus! Er ist unser Präsident!"

Als West fast fertig war, erklärte Trump: "Das war ziemlich beeindruckend." West sei ein "spezieller Typ" und ein "Genie". Woraufhin West noch einen drauflegte, indem er mit einem "Ich liebe diesen Typen" von seinem Sitz aufsprang und Trump umarmte. 

USA Kanye West mit Donald Trump Zusammen
Haben sich schon 2016 kurz nach der Wahl getroffen: Kanye West und Donald TrumpBild: Getty Images/AFP/T. A. Clary

Auftritt sorgt für Häme im Netz

Wests skurriler Auftritt  wurde denn auch sogleich vielfach in den sozialen Netzwerken kommentiert, mitunter auch von anderen Stars. Sein Rapper-Kollege T.I. etwa schrieb auf Instagram: "Das ist die abstoßendste und peinlichste Verzweiflungstat, die ich je gesehen habe, Kanye West hat seine Seele verkauft." Auch er habe eine Einladung ins Weiße Haus erhalten, diese jedoch "natürlich" abgelehnt.

Der Schauspieler und Aktivist George Takei kritisierte auf Twitter: "Wenn man denkt, wir könnten nicht tiefer sinken, sieht man plötzlich Kanye West im Oval Office mit Reportern reden. Ganz nebenbei, Mr. Trump, gab es gerade auch einen verheerenden Hurrikan."

Eine Nutzerin kommentierte unter einem ebenfalls kritischen Tweet von US-Rapper 50 Cent: "Wir alle brauchen eine Mütze, auf der steht 'Make Kanye black again'."  Ein anderer Nutzer versicherte, West repräsentiere nicht die Afroamerikaner: "Ich werde keinen rassistischen Präsidenten wählen, egal was Kanye sagt oder trägt." Wieder eine andere Nutzerin verglich das Treffen von West und Trump mit einem Autounfall: Es sei schlimm, aber man könne die Augen nicht davon abwenden.

Einige riefen auch zum Boykott von Produkten und Shows von Kanye Wests Ehefrau und Reality-TV-Star Kim Kardashian auf. Allerdings musste West nicht nur einstecken, viele brachten auch ihre Unterstützung zum Ausdruck. So lobte etwa ein Twitter-Nutzer, dass der Rapper den "Fake-News-Medien" die Meinung sage.

Der US-amerikanische Radiomoderator Larry Elder schrieb, auch Obama habe gesagt, dass Jungen, die ohne Vater aufwüchsen, mit größerer Wahrscheinlichkeit kriminell und ohne Abschluss die Schule verlassen würden: "Aber wenn Kanye West das sagt, beschimpft ihn sein Kollege T.I.?"

Nicht Wests erster kontroverser Auftritt

Zumindest die Diskussionen in den sozialen Netzwerken dürfte Kanye West nicht im vollen Umfang mitbekommen: Er hat seine Accounts anscheinend schon vor einigen Tagen gelöscht, ohne einen Grund zu nennen. Besonders überraschen dürften ihn die Diskussionen rund um seinen Besuch im Weißen Haus ohnehin nicht, da er auch zuvor schon mit positiven Äußerungen zu Trumps Politik in den Schlagzeilen war.

Auf die Frage eines Journalisten, ob der Rapper ein künftiger Präsidentschaftskandidat sein könnte, antwortete Trump übrigens nach Wests zehnminütiger Rede: "Das könnte sehr gut sein." West warf dazwischen, das komme frühestens ab 2024 in Frage - also nach einer möglichen zweiten Amtszeit Trumps. 

DW Fact Checking-Team | Ines Eisele
Ines Eisele Faktencheckerin, Redakteurin und AutorinInesEis