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Kanzlerin vermisst Minister Guttenberg

1. März 2011

Nach dem Rücktritt des Verteidigungsministers hat Regierungschefin Merkel noch keinen Nachfolger benannt. Guttenberg hatte nach wochenlangen Plagiatsvorwürfen um seine Doktorarbeit alle politischen Ämter niedergelegt.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel (Foto: dpad)
Braucht einen neuen VerteidigungsministerBild: AP

"Ich habe sein Gesuch angenommen und füge hinzu, ich habe das schweren Herzens getan." Mit diesen Worten hat Bundeskanzlerin Angela Merkel am Dienstag (01.03.2011) in Berlin den Rücktritt ihres Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg kommentiert. Es wurde deutlich, dass die Kanzlerin selbst von dem Wunsch Guttenbergs, alle politischen Ämter niederzulegen, überrascht worden war. Er hatte sie während ihres Besuches auf der Computermesse Cebit am Morgen über seine Pläne informiert.

Merkel würdigte die Arbeit ihres scheidenden Ministers. Guttenberg sei ein Mensch mit einer herausragenden politischen Begabung, "mit einer ganz eigenen und außergewöhnlichen Fähigkeit, die Herzen der Menschen zu erreichen und sie auch für Politik zu begeistern". Sie bedauere seinen Rücktritt sehr, habe aber auch Verständnis für seine persönliche Entscheidung. Einen Nachfolger wolle sie noch nicht benennen, das werde aber in Kürze erfolgen. Guttenberg bleibe gemäß Artikel 69 Absatz 3 des Grundgesetzes bis dahin geschäftsführend im Amt.

Guttenberg vor Pressevertretern im Verteidigungsministerium (Foto: dapd)
Sein (vorerst) letzter großer medialer Auftritt: Guttenberg bei seiner RücktrittserklärungBild: dapd

"Die Grenzen meiner Kräfte erreicht"

Guttenberg hatte am Vormittag überraschend seinen Rücktritt erklärt. Der Verteidigungsminister begründete diesen Schritt mit dem anhaltenden Druck im Zusammenhang mit der Plagiatsaffäre um seine Doktorarbeit. Seit der Veröffentlichung eines ersten Berichtes über Plagiatsvorwürfe Mitte Februar in der "Süddeutschen Zeitung" wurde nach und nach bekannt, dass Guttenberg eine Vielzahl von Zitaten in seiner Doktorarbeit nicht oder nur unzureichend ausgewiesen hatte. Die Universität Bayreuth erkannte ihm nach der Prüfung des Sachverhaltes den Doktortitel in der vergangenen Woche ab.

Screen-Shot von GuttenplagWiki (Foto. dpa)
Die Internetseite "Guttenplag Wiki" zeigte in einem "Scan" die plagiierten StellenBild: picture alliance/dpa

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Es ist der schmerzlichste Schritt in meinem Leben", sagte Guttenberg bei der Bekanntgabe seines Rücktritts. Er gehe nicht alleine wegen "meiner so fehlerhaften Doktorarbeit", wiewohl er verstehe, dass dies für große Teile der Wissenschaft ein Anlass wäre. Die anhaltenden Proteste von Wissenschaftlern und Bürgern hatten also offensichtlich nicht den entscheidenden Ausschlag für diesen Schritt gegeben.

Vielmehr sah Guttenberg seine Arbeit als Verteidigungsminister gefährdet. "Ich trage Verantwortung in einem fordernden Amt", sagte er, und das verlange ungeteilte Konzentration. Er verwies dabei auf die größte Bundeswehrreform in der Geschichte, die er angestoßen habe. Er kritisierte die Medien, die - seiner Ansicht nach - mehr über die Person Guttenberg und seine Dissertation berichtet hatten als beispielsweise über den Tod von drei Bundeswehrsoldaten in Afghanistan. Dadurch habe eine "dramatische Verschiebung der Aufmerksamkeit zulasten der mir Anvertrauten stattgefunden", so Guttenberg.

Übereinstimmenden Medienberichten zufolge will Guttenberg auch sein Mandat als Bundestagsabgeordneter zurückgeben. Er sitzt seit 2002 im Bundestag.

Erschütterung und zurückhaltende Genugtuung

Nicht nur die Kanzlerin würdigte die Arbeit Guttenbergs, auch führende Politiker der Regierungskoalition taten dies und zeigten Respekt vor dessen Schritt. FDP-Chef und Vize-Kanzler Guido Westerwelle stufte ihn als "Entscheidung der Konsequenz" ein. Dieser Rücktritt habe aber nicht nur eine politische, sondern auch eine menschliche Dimension, hob Westerwelle hervor.

Horst Seehofer vor Mikrofonen (Foto: dapd)
Horst Seehofer steht weiter zu seinem ParteifreundBild: dapd

Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer war von dem Rücktritt seines Parteifreundes "erschüttert". Er werde persönlich alles tun, damit Guttenberg der deutschen Politik und auch der Christlich Sozialen Union (CSU) erhalten bleibe. Auch die Kanzlerin ist überzeugt, dass sich "in welcher Form auch immer" auch in Zukunft Gelegenheit zur Zusammenarbeit mit Guttenberg ergeben werde.

Die Opposition geht härter mit Guttenberg zu Gericht. "Der Rücktritt kam spät genug", sagte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. Gesine Lötzsch, Parteivorsitzende der Linken, bezeichnete den Rücktritt als "einzig richtige Entscheidung". Alles andere hätte den Wissenschaftsstandort Deutschland weiter beschädigt. Die Grünen-Fraktionschefs Jürgen Trittin und Renate Künast sprachen von einer "Riesenblamage" für Merkel, da sie versucht habe, den Minister Guttenberg vom fehlerhaften Wissenschaftler zu trennen.

Diskussionen im Netz

Auch im Internet führte der Rücktritt Guttenbergs zu zahlreichen Reaktionen des Bedauerns, aber auch der Häme. Bei Twitter schreibt beispielsweise unter dem Pseudonym "stadtjunge": "Nach copy und paste nun Strg Alt Entf". Doch es gibt auch Mitleidsbekundungen. Auf Guttenbergs Facebook-Seite schreibt etwa Florian unter der Überschrift "Ich bin traurig", er hoffe, dass er (Guttenberg) "irgendwann wieder ganz oben ist…eine zweite Chance bekommt und gewinnt."

Das Internet spielt in der Affäre eine besondere Rolle. Nachdem erste Plagiatsvorwürfe bekannt wurden, etablierte sich die Plattform Guttenplag-Wiki, auf der ehrenamtliche Mitarbeiter eine Vielzahl der fehlerhaften Stellen in Guttenbergs Doktorarbeit veröffentlichten. Das habe eine entscheidende Rolle für den Fall des Politikers bedeutet, meint die Social-Media-Expertin Christiane Schulzki-Haddouti: "Ohne dieses Wiki hätte er nicht zurücktreten müssen."

Autorin: Sabine Faber (dapd, dpa, rtr)

Redaktion: Susanne Eickenfonder