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Kaplan-Urteil zeigt die EU-Reife der Türkei

Baha Güngör21. Juni 2005

Der "Kalif von Köln", Metin Kaplan, ist in der Türkei zu lebenslanger Haft verurteilt worden - ein Beweis dafür, dass sich das Land an europäischen Werten orientiert, meint Baha Güngör in seinem Kommentar.

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"Kalif von Köln" - so hätte vielleicht ein schönes Märchen wie aus 1001 Nacht, übertragen von der orientalischen Fabelwelt auf das zeitgenössische Europa, heißen können. Doch dafür hätte der "Kalif" ein gutmütiger Mann sein müssen, der sich für ein spannungsfreies Leben zwischen Muslimen und Christen, zwischen aufrichtig Gläubigen und weltlich orientierten Menschen einsetzt, böse Geister das Fürchten lehrt und gute Menschen beschützt.

Gefahr für Deutschland und die Türkei

Doch stattdessen handelte es sich bei dem als "Kalif von Köln" bekannten türkischen Fundamentalistenführer Metin Kaplan um eine große Gefahr für die innere Sicherheit Deutschlands einerseits und andererseits für die weltlich und westlich orientierte, verfassungsmäßige Grundordnung der Türkei. So hat die türkische Justiz, die die "schwarze Stimme" lebenslang zum Schweigen verurteilte, mit ihrer Entscheidung nicht überrascht.

Den Extremismus hatte Cemaleddin Kaplan seinem Sohn Metin in die Wiege gelegt. Er übertrug ihm nach seinem Tod 1995 den Titel "Kalif von Köln" und bestimmte ihn zum Führer des "Kalifatstaats". Nur fünf Jahre danach wurde Metin Kaplan wegen Aufrufs zur Ermordung eines 1997 in Berlin erschossenen Gegners aus eigenen Reihen zu vier Jahren Haft verurteilt. Der jahrelange Rechtsstreit endete im Oktober 2004 mit der Auslieferung Metin Kaplans an die Türkei.

Verdacht auf Folter schnell ausräumen

Die Aufhebung der Todesstrafe im Zuge der Heranführung der Türkei an die Europäische Union ermöglichte die Überstellung Kaplans an die türkischen Sicherheitsbehörden. Auch der Prozess gegen ihn lief wohl nach rechtsstaatlichen Prinzipien ab.

Doch die Türkei muss den faden Beigeschmack, dass die festgenommenen Fundamentalisten gefoltert worden und ihre Geständnisse, die Metin Kaplan entscheidend belastet hatten, somit juristisch ungültig seien, so schnell wie möglich beseitigen. Es wäre nicht gut, wenn die Türkei einerseits zusammen mit dem Westen an einem Strang gegen den internationalen Terrorismus zieht, andererseits aber mutmaßliche Straftäter mit nicht rechtsstaatlichen Mitteln zu Aussagen zwingt.

Wichtiger Faktor für EU-Reife

Wie wichtig die Anbindung der Türkei an die Werte und Normen Europas ist, zeigt das gemeinsame Handeln im Fall Metin Kaplan. Eine von Europa enttäuschte und abgewandte Türkei hätte nicht die Voraussetzungen geschaffen, unter denen Kaplan als potenzielle Gefahr für die innere Sicherheit Deutschlands abgeschoben werden konnte.

In der Debatte um die EU-Reife der Türkei sollten auch derartige wichtige Faktoren nicht übersehen werden. Schließlich ist das NATO-Land in einer strategisch ungemein wichtigen Position weiterhin für die Sicherheit und für die Interessen Europas von enormer Bedeutung.