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Karadzic will Prozess boykottieren

22. Oktober 2009

Der ehemalige Anführer der bosnischen Serben, Radovan Karadzic, gibt sich als verfolgte Unschuld und will seinen Prozess vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag boykottieren.

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Der ehemalige bosnische Serbenführer Radovan Karadzic (Foto: dpa)
Der ehemalige bosnische Serbenführer Radovan Karadzic (Bild von 2008)Bild: DPA

Das Verfahren gegen ihn sei "unfair". Er werde deshalb zur Prozesseröffnung am kommenden Montag nicht vor den Richtern erscheinen, heißt es in einem am Donnerstag (22.10.2009) veröffentlichten Brief Karadzics an den UN-Gerichtshof in der niederländischen Stadt.

Zur Begründung erklärte der 64-Jährige, ihm sei nicht genügend Zeit zur Vorbereitung seiner Verteidigung eingeräumt worden. Die Staatsanwaltschaft habe ihn "begraben unter einer Million Seiten" von Dokumenten "nur um dann relevantes Material erst viele Monate nach meiner Verhaftung herauszugeben", beklagt sich Karadzic. In seinem Brief wirft er dem Tribunal zudem indirekt vor, ein Instrument "der NATO und der Feinde Serbiens" zu sein.

Hauptvorwurf: Völkermord

Dem ehemaligen Präsidenten der Republik Srpska in Bosnien-Herzegowina werden Kriegsverbrechen sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des Bosnienkrieges von 1992 bis 1995 in elf Fällen vorgeworfen. Schwerpunkt der Anklage sind dabei zwei Fälle von Völkermord: Das Massaker an bis zu 8000 muslimischen Bosniern im Sommer 1995 in der UN-Schutzzone Srebrenica sowie gezielte Massenmorde zur Vertreibung der muslimischen und kroatischen Bevölkerung aus den serbisch kontrollierten Orten Bosnien-Herzegowinas. Karadzic hat alle Vorwürfe zurückgewiesen. Bei einer Verurteilung droht ihm lebenslange Haft.

Gedenkstätte für die Ermordeten von Srebrenica (Foto: dpa)
Gedenkstätte für die Ermordeten von SrebrenicaBild: picture-alliance/ dpa

Nach unterschiedlichen Berichten wurden in dem Krieg in der ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik bis zu 200.000 Menschen getötet. – Das Massaker in Srebrencia gilt als das schwerste Kriegsverbrechen in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg. Der deswegen international gesuchte damals verantwortliche Militärchef der bosnischen Serben, Ratko Mladic, befindet sich immer noch auf der Flucht. Karadzic war im Juli 2008 in Belgrad festgenommen worden. Er hatte jahrelang unter falschem Namen und mit stark veränderten Äußerem in der serbischen Hauptstadt gelebt, wo er sich als "Wunderheiler" betätigte.

Gerichtssprecherin Nerma Jelacic erklärte auf Anfrage der Deutschen Presseagentur, es gebe ungeachtet der Boykottankündigung "derzeit keinerlei Anzeichen für eine Vertagung" des Prozesses. "Die Kontrolle über das Verfahren liegt einzig und allein bei den Richtern." In juristischen Kreisen in Den Haag hieß es, der Prozess könne auch ohne Karadzics Anwesenheit eröffnet werden. Zudem könne der Angeklagte jederzeit auf Anweisung der Richter gezwungen werden, vor dem Gericht zu erscheinen.

Autor: Michael Wehling (dpa, rtr, afp, ap)

Redaktion: Gerhard Friese

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