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Kate Conolly: "Exit Brexit"

2. Februar 2019

Neuer Pass, neue Identität, neue Heimat? Kate Connolly, Deutschland-Korrespondentin des Guardian, hat nach dem Brexit-Votum einen deutschen Pass beantragt. Warum, schreibt sie in "Exit Brexit - Wie ich Deutsche wurde".

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England Anti-Brexit Demonstration in London
Bild: Reuters/H. Mckay

Kate Connolly ist Britin. Seit Jahren lebt sie mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern in Potsdam am Rande der deutschen Hauptstadt. Dann stellt der Brexit-Beschluss ihre Welt auf den Kopf. Am 23. Juni 2016 war das. "Noch heute", bekennt sie im Interview mit rbb24, "kann es sein, dass die Tränen kommen, wenn ich an diesen Tag zurückdenke." Aber Deutsche werden? Kaffee statt Tee? Preußische Tugenden statt britischer Höflichkeit? "Einigkeit und Recht und Freiheit" statt "God save the Queen"? Never!

Dann hat sie es doch getan, ein Stück weit aus Protest gegen ihre Eltern, die für (Mutter) und gegen (Vater) den EU-Austritt Großbritanniens stimmten. Doch es ist der drohende Brexit, die Ungewissheit über die Folgen, die die 47-Jährige in eine "Identitätskrise" stürzen. In ihr mischen sich Ärger, Enttäuschung - und Selbstmitleid.

Großbritannien Theresa May im Parlament Brexit Abstimmung
Versucht, dem eigenen Parlament und Brüssel gerecht zu werden: Theresa MayBild: Reuters

Bis sie den Stier bei den Hörnern packt: "Mein eigenes Land erschien mir wie ein Schiff, das geradewegs auf einen unberechenbaren Sturm zusteuerte", notiert sie. "Was ich hier nun tat, würde mir einen Platz im Rettungsboot garantieren, falls es notwendig werden sollte, von Bord zu gehen."

Gipfel der britischen EU-Skepsis

Auf bald 300 Seiten skizziert Kate Connolly das ambivalente Verhältnis des Vereinigten Königreichs zu Europa. Sie beschreibt es als Hassliebe, als ein ständiges Vor und Zurück, das sich - nicht zuletzt seit Kriegsende und den Regierungstagen Winston Churchills - mit der geographischen Lage des Landes erklärt:

"Das Gefühl, durch diese physische Trennung vom Rest der Welt besonders begünstigt zu sein, ist bei vielen Briten stark ausgeprägt, genauso wie ihre Überzeugung, dass Großbritannien anders und etwas Besonderes ist, eben weil es ein Inselstaat ist." Bis heute gipfelt die britische EU-Skepsis im berühmten Handtaschen-Auftritt von Premierministerin Maggie Thatcher, die im Jahr 1984 an die Adresse Brüssels rief: "I want my money back!"

Gewöhnlich erklärt Kate Connolly Deutschland den Briten. Mit ihrem Buch aber, so scheint es, möchte sich die Journalistin für ihre Landsleute entschuldigen - bei den Deutschen. In Großbritannien herrschten teils chaotische Zustände, bekennt sie. Und ja, sie habe wegen des Brexits die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen.

DW-Studio Berlin
Kate Connolly (3.v.l.) beim "Stammtisch" der Deutschen WelleBild: DW/N. Haase

Weiterhin britische Heimatgefühle

Was sie vermisst, verriet sie diese Woche dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel": "Vieles. Familie und Freunde natürlich, aber auch das großartige Theater und den Humor. Der ist im Alltag in Großbritannien sehr wichtig, er ist unser Ventil." Wenn etwa die U-Bahn nicht fahre, reagierten die Briten mit schwarzem Humor und lachten. "Sogar über den Brexit, der ja auch bloß ein Ausdruck unserer Identitätskrise ist."

Von ihrer Britishness möchte Kate Connolly nicht lassen - auch nicht im Angesicht des Brexit. Obwohl sie jetzt den deutschen Pass besitzt, schreibt sie, empfinde sie die tiefsten Heimatgefühle weiterhin dort, wo sie aufgewachsen ist. "Ein Gefühl von Heimat liegt in dem starken Duft des Bürgersteigs nach einem Regenguss und in dem Geruch von Malzessig, der von einer dampfenden Portion Fish and Chips aufsteigt." In diesem Punkt hole Deutschland nur langsam auf. "Da erscheint mir inzwischen auch der Geruch einer brutzelnden Bratwurst vertraut, der scharfe Geruch nach schmelzendem Gummi an den Bremsen einer S-Bahn oder der Fetthauch von Quarkbällchen auf dem Weihnachtsmarkt."

Kate Connollys "Exit Brexit - Wie ich Deutsche wurde" ist im Münchener Hanser Verlag erschienen.