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Kaudelka: "Nichts mehr übrig vom Erfolg!"

Ute Soldierer7. November 2013

In ihrem Dokumentarfilm "Einzelkämpfer" nähert sich Sandra Kaudelka vier Ikonen des DDR-Sports. Ein Gespräch mit der Regisseurin über die Helden ihrer Kindheit und sportlichen Ehrgeiz im Sozialismus.

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Regisseurin Sandra Kaudelka (Foto: Michael Kotschi)
Bild: Michael Kotschi

DW: Frau Kaudelka, Sie selbst waren Leistungssportlerin in der DDR. War Ihre Hauptmotivation für den Film, zu zeigen, was aus den Idolen Ihrer Kindheit geworden ist?

Sandra Kaudelka: Absolut! Mich hat die Berichterstattung in den Medien, in der DDR-Sport gleich Doping ist, sehr geärgert. Ich wollte einen differenzierten Film darüber machen, so wie ich die Zeit erlebt habe - im Guten wie im Schlechten.

Nehmen Sie denn jetzt mit Abstand Ihre eigene Zeit als Leistungssportlerin anders wahr?

Nicht anders, aber ich kann besser damit umgehen. Die Dreharbeiten, das Treffen mit meinen alten Idolen - das alles hat mir geholfen, dem Ganzen vielleicht auch etwas Positives abzugewinnen.

Kann man denn mit dem heutigen Wissen, dass das Sportwunderland DDR auch auf Missbrauch und Doping basierte, die Helden von damals tatsächlich noch verehren?

Das sind großartige Menschen. Sie waren halt Teil des Systems. Jeder versucht, im Leben das Beste aus der Situation zu machen, in der er steckt. Der eine versucht, rauszukommen und der andere, sich darin einzurichten.

Udo Beyer, der ehemalige Kugelstoßer und Olympiasieger, sagt im Film, dass er über das Thema Doping Bescheid wusste. Gab es einen Punkt während der Dreharbeiten, wo Sie sich selber auch gefragt haben, ob Sie ohne Ihr Wissen gedopt worden sind?

Ich wusste natürlich, dass es Doping in der DDR gab, dachte aber, wir Wasserspringer seien davon unberührt. Muskelaufbau macht in einer Sportart, die von Feinkoordination lebt, eigentlich keinen Sinn.

Aber sie haben dann irgendwann doch Zweifel bekommen?

Ja! Denn Ines Geipel, eine meiner Protagonistinnen im Film, hat mir erklärt, dass man damals auch Turnern und Wasserspringern im Alter zwischen zehn und 13 Jahren diese Steroide gegeben hat, um das Körperwachstum zu stoppen. Und das wiederum macht total Sinn. Denn in diesen Sportarten ist es wichtig, klein und wendig zu sein.

Ihren einstigen Idolen ist es nach der Wende nicht anders ergangen als etwa vielen systemkonformen Politikern des DDR-Machtapparates. Hat Sie das überrascht?

Nein, überhaupt nicht! Ich wusste das ja, und genau deswegen wollte ich diesen Film machen. Ich wollte zeigen, dass das Leute sind, die unglaublich viel geleistet haben, die jeden Tag sechs Stunden trainierten, 20 Jahre lang. Und am Ende blieb fast nichts davon übrig. So eine Frau wie Läuferin Marita Koch ist eigentlich in ihren Erfolgen vergleichbar mit einem Boris Becker.

Für die DDR waren diese Sportler ja die perfekte Außenwerbung. Sie genossen damals auch viele Privilegien?

Ja, aber ich zeige in meinem Film auch, wie klein diese Privilegien im Verhältnis waren. Was ist das schon, dass man sich nach kurzer Zeit ein Auto kaufen darf. Auch die Wünsche und die Träume waren sehr bescheiden. Mein Film sollte aber auch zeigen, wie bitter das ist, wenn z. B. jemand wie Brita Baldus zwei abgeschlossene Studiengänge hat, und bis heute nicht wirklich Fuß fassen kann in ihrem Beruf. Das steht für mich dann auch für die Generation meiner Eltern in der DDR. Die hatte es schwer, sich in dem neuen System zurecht zu finden.

Sandra Kaudelka war als junges Mädchen DDR-Jugendmeisterin im Wasserspingen. In ihrem Dokumentarfilm erzählt sie nun vom sportlichen Ehrgeiz im Sozialismus und lässt vier Spitzensportler zu Wort kommen: Udo Beyer, den Olympiasieger im Kugelstoßen; die schnellste Läuferin der DDR, Marita Koch, die immer noch den Weltrekord über 400 Meter hält; die ehemalige Wasserspringerin und Europameisterin Brita Baldus; und die einstige Leichtathletin Ines Geipel, die heute zu den schärfsten Kritikerinnen des DDR-Sports gehört. Monatelang hat die Regisseurin Interviews mit ihnen geführt und in Archiven seltene, historische Aufnahmen entdeckt. Herausgekommen ist ein sehr persönlicher Dokumentarfilm über die Schattenseiten des DDR-Sports und das Leben nach dem Erfolg.