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Kaum Erfolge gegen die LRA

Hilke Fischer, Coletta Wanjohi24. November 2014

Die LRA von Rebellenchef Kony hat in diesem Jahr doppelt so viele Menschen entführt wie noch 2012. Bei den Staaten, die in einer gemeinsamen Militäraktion die LRA bekämpfen, haben im Moment jedoch andere Dinge Priorität.

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LRA Soldat
Bild: picture-alliance/dpa/Morrison

Nesipiyo Tashana war sechzehn, als sie Rebellen der Lord's Resistence Army (LRA) in der Zentralafrikanischen Republik entführten. Drei Jahre ist das jetzt her. Um nicht getötet zu werden musste sie alles machen, was die Männer von ihr verlangten, erzählt sie. "Ich musste sehr hart arbeiten und immer das Gepäck der Kämpfer tragen. Es tut weh, an diese Zeit zurückzudenken." Nesipiyo Tashana lebt inzwischen in einem Übergangslager für LRA-Entführungsopfer in der südsudanesischen Stadt Yambio, unweit der kongolesischen Grenze. Soldaten der Afrikanischen Union haben sie hierher gebracht.

432 Menschen sind alleine in den ersten neun Monaten dieses Jahres von der LRA entführt worden, heißt es in einem Bericht der Vereinten Nationen (UN). Das sind mehr als doppelt so viele wie noch 2012. Viele von ihnen nutzt die Miliz als Träger und lässt sie, sobald sie ihr nächstes Ziel erreicht hat, wieder laufen. Andere werden als Kämpfer zwangsrekrutiert. Damit sie nicht an Flucht und die Rückkehr in ihre Dörfer denken, werden viele Jungen gezwungen, ihre eigenen Mütter zu erschießen. Mädchen und Frauen werden zu Sexsklavinnen oder Ehefrauen der Kämpfer.

Keine Spur von Joseph Kony

Bis zu 70.000 Kinder soll die LRA seit ihrer Gründung in Uganda im Jahr 1987 verschleppt haben, so Schätzungen. 2005 zog sich die Gruppe aus Norduganda zurück und macht seither das Grenzgebiet zwischen der Zentralafrikanischen Republik, Südsudan und der Demokratischen Republik Kongo unsicher. 150 Mal hat die LRA laut UN in diesem Jahr Menschen und Dörfer angegriffen, 22 Personen sollen die Rebellen getötet haben. Ihr Anführer, Joseph Kony, ist einer der meistgesuchtesten Menschen der Welt. 2012 machte die US-amerikanische Organisation "Invisible Children" mit einem Film auf sich aufmerksam, der dazu aufrief, Kony endlich zu stoppen; das Video wurde fast 100 Millionen mal geklickt.

LRA-Chef Kony Foto: EPA/STUART
Noch immer gesucht: LRA-Chef KonyBild: picture-alliance/dpa

Uganda, Südsudan, die Zentralafrikanische Republik und die Demokratische Republik Kongo haben unter dem Mandat der Afrikanischen Union eine eigene regionale Kampftruppe, die AU-RTF, aufgestellt, um militärisch gegen die LRA vorzugehen. Die USA unterstützt die vier zentralafrikanischen Staaten logistisch. Im März diesen Jahres haben sie zwei Spezialflugzeuge und rund 150 zusätzliche Soldaten in das Gebiet geschickt. An Kampfhandlungen beteiligen sie sich - außer zur Selbstverteidigung - jedoch nicht.

Aufspüren konnte die Truppe Rebellenführer Kony bislang allerdings nicht. Ein großer Teil des amerikanischen Hightech-Equipments, etwa die Satellitenüberwachung, funktioniert in dem dichten Urwald nicht. Längst nutzen die LRA-Kämpfer auch keine ortbaren Kommunikationsmittel mehr, sondern überbringen sich Nachrichten per Boten. Das Gebiet, in dem die LRA operiert, ist von Flüssen durchzogen. Es gibt kaum Straßen, die Dörfer sind schwer zu erreichen. Bis die Soldaten von Überfällen der LRA erfahren, vergehen oft Tage. Bis sie vor Ort sind, sind die Angreifer längst über alle Berge.

Militärisches Vorgehen allein reicht nicht aus

Trotzdem habe die Initiative bereits einige Erfolge zu vermelden, sagt Louis Charles Brum, der die Aufklärungsaktivitäten des AU-Kontingents koordiniert: "Seit 2010 hat die LRA ihre Strategie geändert. Sie verstümmelt keine Menschen mehr, entführt Menschen nur noch für wenige Tage als Träger, und sie brennt keine Dörfer mehr nieder. Die Rebellen plündern nur noch, um zu überleben. Die Gewalt hat nachgelassen." Brum zufolge hat die LRA inzwischen weniger als 300 Kämpfer. Die meisten von ihnen würden sich in der Zentralafrikanischen Republik aufhalten.

Infografik LRA The Lord’s Resistance Army

Dass die Zahl der Entführungen in der letzten Zeit dennoch so stark angestiegen ist, mag mit politischen Krisen in den beteiligten Staaten selbst zusammenhängen: Im November 2012 eskalierten die Kämpfe zwischen der kongolesischen Armee und der Rebellengruppe M23. Im März 2013 putschte die Séléka-Allianz in der Zentralafrikanischen Republik, seitdem versinkt das Land in Gewalt. Und seit einem angeblichen Putschversuch im Dezember 2013 tobt im Südsudan ebenfalls ein blutiger Bürgerkrieg.

Die drei Staaten zogen im Zuge ihrer politischen Krisen einen Großteil ihrer AU-RTF-Truppen ab. Und auch Uganda setzte seine beteiligten Soldaten lieber in Südsudans Hauptstadt Juba ein, berichtet Kennedy Tumutegyereize. Er arbeitet für die Londoner Nichtregierungsorganisation Conciliation Resources, die die lokale Friedensarbeit in dem LRA-Gebiet unterstützt. Bei der Bekämpfung der LRA reichen militärische Mittel nicht aus, sagt Tumutegyereize. Es müssten Maßnahmen zur langfristigen Friedenssicherung getroffen, funktionierende Verwaltungsstrukturen aufgebaut und die Zivilisten geschützt werden. Diejenigen, die den Fängen der LRA entkommen, müssten wieder in die Gesellschaft integriert werden. "Wenn einer dieser Punkte fehlt, dann geht die Rechnung nicht auf, dann ist es unwahrscheinlich, dass der Terror ein Ende haben wird", so Tumutegyereize. All diese Punkte seien Teil der AU-Strategie, aber: "Abgesehen von vereinzelten Projekt von Hilfsorganisationen passiert auf diesem Gebiet nichts."

LRA Rebellen im Garamba Nationalpark Kongo TONY KARUMBA/AFP/Getty Images
In den dichten Wäldern müssen die Rebellen ihre Verfolger kaum fürchtenBild: Getty Images/AFP

Lokale Autoritäten mit einbeziehen

Die Menschen in der Region wollen ihrem Alltag nachgehen. Sie wollen ihre Felder bestellen, Geschäfte aufbauen und ihre Kinder zur Schule schicken können, ohne in ständiger Angst zu leben, entführt zu werden. Dafür müssten die Regierungen und Militärs mit den lokalen Autoritäten zusammenarbeiten, so der Experte. Im Südsudan funktioniert das bereits sehr gut: Seit einem Jahr hat es dort keine Angriffe mehr gegeben - das bestätigt auch der UN-Bericht.

Der ehemaligen Entführten Nesipiyo Tashana, die fernab ihrer Heimat im Auffanglager lebt, macht die Militärstrategie gegen die LRA noch aus ganz anderen Gründen Sorgen: "Die Armee sagt, dass sie die Rebellen töten will. Aber was ist mit unseren Freunden, die entführt wurden und unschuldig sind? Werden die dann auch getötet?"