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Kaum Spenden für Syrien

Naomi Conrad16. Mai 2013

In Syrien herrscht Krieg. Die Arbeit von Hilfsorganisationen ist gefährlich, vom Regime kontrollierte Gebiete sind kaum zu erreichen. Es fehlt an Medikamenten und Lebensmitteln - doch die Spenden bleiben aus.

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Zwei Jungen auf einer Straß in Aleppo (Foto: Thomas Rassloff/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Irgendwo im Niemandsland zwischen der Türkei und Syrien werden die Hilfspakete für die Menschen in Aleppo und Idlip von den türkischen auf syrische Lastwagen geladen: Mehl für die Bäckereien, die sonst kein Brot backen können, Lebensmittelpakete für Familien, die auf die Lieferungen angewiesen sind. "Viele Familien haben all ihre Möglichkeiten ausgeschöpft", erzählt Birgit Zeitler von der Hilfsorganisation "Welthungerhilfe". Sie hätten ihre letzten Reserven aufgebraucht und ihren Hausrat verkauft, um Essen zu kaufen. Seit Monaten kämpfen in Aleppos Straßen Rebellen gegen die syrische Armee. Inmitten der Scharfschützen und Straßenblockaden bleiben Schulen, Fabriken und viele Geschäfte geschlossen. Es fehlt den Menschen an Arbeit und Einkommen. Die Preise für Lebensmittel hätten sich so verteuert, sagt Zeitler, die diese Woche aus Syrien nach Deutschland zurückgekehrt ist, dass sie für viele kaum erschwinglich seien.

Gemeinsam mit der tschechischen Hilfsorganisation "People in Need" (PIN) versorgt die Welthungerhilfe nach eigenen Angaben 3000 Familien in Aleppo und Idlip im Nordwesten Syriens mit Lebensmitteln und liefert täglich drei bis vier Tonnen Mehl an Bäckereien, damit diese Brot backen und verteilen können. "Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein", erzählt Zeitler. Nach Angaben von PIN sind mehr als 3,2 Millionen Menschen völlig auf Lebensmittellieferungen angewiesen, Tendenz steigend: Aufgrund der anhaltenden Kämpfe sind nach Angaben der Aktion Deutschland Hilft, eines Netzwerks verschiedener Hilfsorganisationen, fast sieben Millionen Syrer auf der Flucht im eigenen Land.

Ein Mann mit einer Gasmaske und ein Junge (Foto: /BULENT KILIC/AFP)
Vor allem Kinder leiden unter den schweren LebensbedingungenBild: AFP/Getty Images

Zugang zu Hilfe schwierig

Doch viele von ihnen können Hilfsorganisationen überhaupt nicht erreichen: So seien die Flüchtlingslager im Norden des Landes, auf der syrischen Seite der türkisch-syrischen Grenze, aufgrund der Sicherheitslage kaum erreichbar, sagt Zeitler. Mal muss sie Lebensmittellieferungen kurzfristig absagen oder umverlegen, da die Dörfer, für die sie bestimmt sind, über Nacht beschossen wurden.

Wie viele andere Organisationen kann die Welthungerhilfe nur innerhalb der von den Rebellen kontrollierten Gebiete operieren, also vor allem im Norden Syriens. Der Zugang zu dem Rest des Landes werde von der syrischen Regierung verwehrt. Zeitler fordert deshalb die Einrichtung eines humanitären Korridors, durch den Medikamente und Lebensmittel geliefert werden können. "Uns ist wichtig, möglichst schnell einen Zugang zu haben", sagt sie.

Es fehlt an Wasser, Strom und Spenden

Denn die Lage spitzt sich zu: Schon jetzt ist der Zugang zu Trinkwasser in weiten Teilen des Landes stark eingeschränkt, Stromgeneratoren und viele Sanitäranlagen zerstört und die Müllbeseitigung fast völlig zum Erliegen gekommen. "Gut möglich, dass sich bald Seuchen ausbreiten", befürchtet der Arzt Sadiq Al-Mousslie mit Blick auf die heißen Sommermonate. Es fehle an lebenswichtigen Medikamenten, sagt der Vertreter des Syrischen Nationalrates in Deutschland, der auch Medikamententransporte nach Syrien organisiert.

Ein Frau reinigt das Gebiet um ihr Zelt in Haiti (Foto: DPA)
Die Hilfsbereitschaft für die Opfer des Erdbebens auf Haiti 2010war viel größerBild: picture alliance/empics

"Eine humanitäre Katastrophe", so bezeichnet Zeitler die Lage. Zudem fehle es an Spenden. So hat die Welthungerhilfe seit Beginn der Syrienkrise nach eigenen Angaben lediglich 12.000 Euro an Spenden bekommen. Nach dem Erdbeben in Haiti waren es 20 Millionen, so Mathias Mogge, der Programmdirektor der Organisation. "Es ist schwer auszumachen, wer der Gute und wer der Böse in Syrien ist", sagt Mogge. Denn im Bürgerkrieg verschwimmen die Grenzen: Auch die Opposition, auf deren Seite auch islamistische Gruppen kämpfen, hat Gräueltaten begangen. Außerdem gebe es nur wenige Möglichkeiten zu verdeutlichen, wie schwierig die Situation vor Ort sei: Journalisten können nur unter großer Gefahr das Land bereisen; Zahlen über Todesopfer beruhen auf Schätzungen von Aktivisten. All das führe zu einer nur zögerlichen Spendenbereitschaft.

Spendenaufruf für Syrien

Daher haben am Donnerstag (16.05.2013) 28 Organisationen mehr internationales Engagement gegen die Gewalt und mehr Aufmerksamkeit für die humanitäre Krise gefordert. Die Webseiten der Hilfsorganisationen wurden mit schwarzen Bannern mit dem Schriftzug "Stopp. Schaut hin." überlagert, ein gemeinsames Video mahnte: "Seit mehr als zwei Jahren herrscht in Syrien Gewalt – und die Welt schaut zu." Besucher wurden aufgefordert, das Video in den Sozialen Netzwerken zu verbreiten - und Gelder zu spenden.

Bleibt die Hilfe durch unabhängige Organisationen aus, werden andere den Platz einnehmen, fürchtet Sadiq Al-Mousslie: "Wo ein Vakuum herrscht, wird es auch ausgefüllt werden." Er meint damit die islamischen Hilfsorganisationen, die in Syrien agieren - und in manchen Gebieten die einzigen seien, die die dringend nötige Hilfe liefern. Nicht alle der islamischen Organisationen seien extremistisch, betont der Arzt. Aber er fürchtet, dass die "Zögerlichkeit" von Europa und den USA, mehr humanitäre Hilfe zu leisten, zu einer Radikalisierung der Bevölkerung beitragen könnten. Das, so der Syrer, sei dann eine weitere Tragödie.