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Kein Durchbruch

11. März 2012

Mit dem Besuch von Kofi Annan in Syrien waren unrealistische Hoffungen auf einen Waffenstillstand verbunden. Die Reise des Ex-UN-Generalsekretärs war dennoch nicht umsonst, meint Daniel Scheschkewitz.

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Kommentar (Foto: DW)
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Immer dann wenn ein Friedensnobelpreisträger in ein Konfliktgebiet reist, ist die Erwartungshaltung groß. So war es auch diesmal: Kofi Annan, der von den UN und der arabischen Liga gemeinsam zum Sonderbeauftragten für Syrien bestellte Ex-Diplomat, war nach Damaskus, in die Höhle des Löwen gereist. Dort sollte er Präsident Baschar al-Assad und die bewaffnete Opposition zu einem Waffenstillstand bewegen. Aber Assad, der von Woche zu Woche mehr Blut an seinen Händen kleben hat, blieb stur. Gegenüber Terroristen - so die seit Monaten verlogene Diktion des Diktators zur Bezeichnung des syrischen Volksaufstandes - dürfe man nicht nachgeben. Kofi Annans Mission war auf den ersten Blick nicht von Erfolg geprägt. Statt einer Feuerpause zuzustimmen, schickte der syrische Diktator seine Truppen zu einer neuen Großoffensive in die Provinz Idlib, einer Hochburg des Widerstands im Nordwesten des Landes. So sieht Assads Bereitschaft zum Dialog aus. Die Chancen für einen Waffenstillstand waren jedoch von vornherein verschwindend gering. Baschar al-Assad hat sich im Verlaufe der letzten Monate als ebenso unbelehrbar wie unnachgiebig erwiesen. Bislang vermochte ihn niemand zum Einlenken zu bewegen.

Annans Aura mit Wirkung?

Die Aufgabe internationaler Vermittler, wie Kofi Annan, besteht aber zunächst einmal darin, dem Regime zu vermitteln, dass es politisch am Ende ist. Dies ist in Syrien absehbar, auch wenn es möglicherweise noch eine Weile dauern könnte bis Assad stürzt. Die Tendenz ist aber eindeutig: Sollten immer mehr Soldaten desertieren, die wirtschaftliche Not noch größer werden und besonders Russland seine Position wechseln, hätte das Signalwirkung auch auf Assad. Erst dann wird der Diktator erkennen, dass es kein Zurück mehr zur Situation vor Beginn der Proteste vor einem Jahr geben wird. Annans Visite könnte zu diesem Erkenntnisprozess bei Assad zumindest beigetragen haben. Denn der Friedensnobelpreisträger ist ein Mann von hoher Reputation, der Assad als einer der wenigen direkt ins Gesicht sagen konnte, was die Stunde geschlagen hat. Sein Mandat war doppelt stark, von arabischer und internationaler Seite legitimiert.

Daniel Scheschkewitz, DW-Redakteur (Foto: DW/Per Henriksen)
DW-Redakteur Daniel Scheschkewitz: "Steter Tropfen höhlt den Stein"Bild: DW

Assads politisches Kalkül

Doch auch wenn Assads Zeit als syrischer Alleinherrscher objektiv abgelaufen ist, setzt er ganz bewusst weiter auf Gewalt. Es ist neben dem Exil seine einzig verbliebene Chance. Sein Kalkül beruht auf dem Wissen, dass die internationale Staatengemeinschaft bislang noch nicht einmal eine Sicherheitsratsresolution gegen sein menschenverachtendes Vorgehen zustande gebracht hat. Er weiß, dass vor allem die USA und der Westen ein Eingreifen in Syrien scheuen, weil dadurch eine ganze Region ins Chaos gestürzt werden könnte, mit unabsehbaren Folgen für den gesamten Nahen und Mittleren Osten. Vor allem von den USA ist derzeit keine militärische Initiative in Syrien zu erwarten. Das momentan hohe Risiko eines israelischen Angriffs auf den Iran würde US-Präsident Obama zur Solidarität zwingen, da bleiben keine Kapazitäten mehr für eine Militäraktion in Syrien. Zumal ein militärischer Konflikt im Nahen Osten die Preisspirale bei den ohnehin schon hohen Bezinkosten in schwindelerregende Höhen treiben würde. Dies kann kein amerikanischer Präsident in seinem Wahlkampf gebrauchen.

Baschar al-Assad kann deswegen hoch pokern. Er kann darauf vertrauen, dass dem Westen derzeit die Hände gebunden sind, und dass Russland aus machtpolitischem Kalkül vorerst bei der zur Schau getragenen Vasallentreue zum syrischen Regime bleibt.

Reise nicht umsonst

Auch Kofi Annan hat sich während seiner Syrienreise gegen eine militärische Lösung ausgesprochen. Selbst die Arabische Liga einigte sich nach ihrem Treffen mit dem russischen Außenminister Lawrow am zurückliegenden Wochenende vorerst auf diesen Kurs. Auch dies fließt in das zynische Kalkül des Diktators von Damaskus mit ein. Er weiß, je tiefer sein Land im Bürgerkrieg versinkt, desto größer werden die Risiken einer militärischen Intervention von außen. Selbst eine bewaffnete Blauhelmmission wäre wohl zum Scheitern verurteilt.

Trotz alledem war Annans Besuch in Damaskus nicht umsonst. Steter Tropfen höhlt den Stein. Mindestens die humanitären Zugangsmöglichkeiten für die internationalen Hilfsorganisationen zu den umkämpften Gebieten könnten jetzt eher zustande kommen. Das wäre angesichts der menschlichen Katastrophe, die sich in Syrien abspielt, schon ein nicht zu unterschätzender Achtungserfolg.

Autor: Daniel Scheschkewitz
Redaktion: Arne Lichtenberg