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Kein Ende der Wulff-Debatte

6. Januar 2012

Die öffentliche Kritik an Bundespräsident Christian Wulff ebbt nicht ab: Er habe in seinem Fernsehinterview Tatsachen nicht korrekt dargestellt. Wulff ging indessen wieder zur Tagesordnung über.

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Christian Wulff empfängt Sternsinger im Schloss Bellevue (Foto: REUTERS)
Christian Wulff empfängt SternsingerBild: Reuters

Eigentlich ist der Empfang der Sternsinger am Dreikönigstag ein angenehmer und unspektakulärer Termin für den Bundespräsidenten. Er lauscht den singenden Kindern im Schloss Bellevue, es werden schöne Fotos gemacht. Dass sich diesmal Journalisten, Kamerateams und Fotografen gegenseitig auf die Füße treten, hat mit dem enormen Druck zu tun, unter dem Christian Wulff gerade steht. Alle wollen wissen: Wie gibt sich der angeschlagene Bundespräsident bei seinem ersten öffentlichen Termin in diesem Jahr?

Als Christian Wulff aus der Tür des Schlosses Bellevue kommt, hält er sich scharf links, wo die 55 Sternsinger in ihren Königskostümen stehen. Die Journalisten, gut dreimal so viele wie Kinder, beachtet er zunächst nicht. Angespannt wirkt er, der Kopf leicht nach vorne gereckt und auch der erste Scherz, mit dem er die eigenartige Situation aufzulösen versucht, geht etwas unter. "Endlich habt Ihr die Aufmerksamkeit, die Ihr verdient", sagt er. Aber die Kinder reagieren nicht. Später, beim Gruppenfoto versucht er es noch einmal. "Ihr müsst lächeln, wenn Ihr auch einmal Präsident werden und nicht immer König bleiben wollt." Erst nachdem er mit den Kindern ins Schloss gegangen ist, wirkt Wulff etwas entspannter.

Noch keine Normalität im Schloss Bellevue

Leicht angespannte Fröhlichkeit: Der Bundespräsident und seine Frau Bettina (Foto: REUTERS)
Leicht angespannte Fröhlichkeit: Der Bundespräsident und seine Frau BettinaBild: picture-alliance/dpa

Die Sternsinger führen Sketche auf, in denen es um Kinderrechte geht und schenken Wulff eine Schnitzerei, die er in seinem Arbeitszimmer "in der Kinderecke" aufstellen will, wo sein Sohn manchmal spielen darf. Nach dem letzten Lied will der Bundespräsident klatschen, zögert plötzlich und schaut sich unsicher um. Erst als einer seiner Mitarbeiter in die Hände klatscht, beginnt der Applaus. Dann beeilt er sich, mit den Kindern zu einer Schlossführung aufzubrechen, bei der die Presse dann nicht mehr dabei ist. Einem Journalisten gelingt es doch noch, ihn zu fragen, wie es ihm gehe. "Die letzten Wochen waren so, dass ich mir das in meinem Leben nicht noch einmal zumuten muss."

Die Debatte geht weiter

Während Wulff die Sternsinger empfängt, geht die Diskussion über die Glaubwürdigkeit des Bundespräsidenten in der deutschen Öffentlichkeit weiter. Noch immer sind Fragen ungeklärt. So widersprechen sich die Darstellungen Wulffs und der "Bild"-Zeitung über den Inhalt einer Nachricht, die der Bundespräsident Chefredakteur Kai Diekmann auf die Mailbox sprach.

Wulffs Fernsehinterview ließ Fragen offen (Foto: dpa)
Wulffs Fernsehinterview ließ Fragen offenBild: picture-alliance/dpa

Wulff betonte in seinem Fernsehinterview am Mittwoch (04.01.2012), er habe lediglich um eine Verschiebung der Berichterstattung zu seinem umstrittenen Hauskredit gebeten. Die "Bild"-Zeitung sieht das anders: Ziel des Anrufs sei gewesen, die Berichterstattung zu unterbinden, heißt es in der Chefredaktion. Die "Bild"-Zeitung bat Wulff darum, die Mailbox-Nachricht veröffentlichen zu dürfen, um Klarheit herzustellen. Das lehnte der Bundespräsident ab.

Daran stört sich SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil. Er forderte Wulff auf, den Wortlaut seines Anrufs zu veröffentlichen. "Dann wissen wir, ob er tatsächlich eine Berichterstattung unterdrücken wollte", sagte Heil dem Fernsehsender ARD. "Das wäre unwürdig für ein Staatsoberhaupt gegenüber freier Presse."

Auch die stellvertretende FDP-Vorsitzende Birgit Homburger appellierte an Wulff, Klarheit über seinen Anruf bei der "Bild"-Zeitung zu schaffen. "Das höchste Staatsamt ist in Mitleidenschaft gezogen worden. Die Debatte schadet auch dem Ansehen der Bundesrepublik Deutschland", erklärte sie in der Zeitung "Die Welt". Daher sollte sie schnell beendet werden.

Keine Ratschläge von Merkel

Die Bundeskanzlerin ließ erkennen, dass sie der anhaltenden Diskussion über den Bundespräsidenten wenig abgewinnen kann. Die Auseinandersetzung um die Mailbox-Nachricht sei eine Sache zwischen der "Bild"-Zeitung und dem Staatsoberhaupt, ließ sie ihren Sprecher Steffen Seibert mitteilen. Angela Merkel selbst kenne den Wortlaut der Nachricht nicht. "Die Bundeskanzlerin hat große Wertschätzung für Christian Wulff als Menschen, vor Christian Wulff als Bundespräsidenten und sie hat große Achtung vor dem Amt, das er innehat." Dazu gehöre auch, dass Merkel Wulff keine öffentlichen Ratschläge erteilen werde.

Seibert würdigte Wulffs Bemühen um Offenheit und Transparenz "auf eine Weise, die es so noch nicht häufig gegeben hat in der Geschichte der Bundesrepublik". Das Interview sei ein wichtiger Schritt gewesen, um das Vertrauen der Bürger wieder herzustellen.

Nach einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap ist die Mehrheit der Bundesbürger dafür, dass Wulff im Amt bleibt. Sein Auftritt im Fernsehen hat viele der Befragten allerdings nicht überzeugt. 61 Prozent meinen, der Bundespräsident habe dabei keine gute Figur gemacht.

Autoren: Nina Werkhäuser/Mathias Bölinger

Redaktion: Kay-Alexander Scholz