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Kein Interesse am Kriegsjahrestag

Ralf Hoogestraat, Washington17. März 2005

Über den zweiten Jahrestag des Beginns des zweiten Irakkrieges wird in den USA nicht viel geredet. Trotzdem, aus nicht-amerikanischer Sicht, der Versuch einer Bestandsaufnahme.

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Ralf Hoogestraat - Washington

Die USA befinden sich im Krieg, immer noch und auf unbestimmte Zeit, der Feind ist diffus, er heißt internationaler Terrorismus.

Auf mehr und mehr amerikanischen Autos sind gelbe Magnet-Aufkleber in Schleifenform, auf denen "Support our Troups“ – Unterstütze unsere Soldaten - steht. Magnet-Aufkleber deswegen, damit der Lack des teuren Schmuckstückes nicht durch permanente Aufkleber beschädigt wird, soweit geht die Soldatenliebe dann doch nicht.

Fluchende Soldaten

Fernsehsender haben Angst, einen Dokumentarfilm über das Leben der amerikanischen Soldaten im Irak zu zeigen. Die Soldaten fluchen wie die Rohrspatzen. Fluchen darf man aber im amerikanischen Fernsehen nicht, sonst kommt die Aufsichtsbehörde FCC und verhängt hohe Strafen. Normalerweise werden solche Flüche durch einen Piepston ausgeblendet, aber das will man den Verteidigern der amerikanischen Ideale dann doch nicht antun, also sendet man den Dokumentarfilm lieber gleich gar nicht.

Sozialer Abstieg

Die Särge der zurückgekehrten toten Soldaten werden noch immer sehr selten im amerikanischen Fernsehen gezeigt. Das Pentagon ist der Ansicht, dass das die Moral in der Heimat untergraben könnte. Gut 1530 Soldaten sind bis jetzt im Irak getötet worden, etwa zehnmal so viele sind zwar mit dem Leben davon gekommen, ihnen wurden aber Arme oder Beine amputiert. Sie sind in der Regel zum Abstieg in die absolute Armut verdammt, weil die Pension so minimal ist, dass sie davon nicht Leben können. Noch heute trifft man an vielen Straßenecken in Amerika Veteranen des Vietnam-Krieges, die um Almosen betteln. Schon werden die ersten Veteranen des Irakkrieges gesichtet, die in Obdachlosenheimen oder mit ihren Kindern in Autos wohnen müssen, weil sie nach dem Kriegseinsatz kein Geld für ein normales Leben mehr haben.

Teure Rekrutierungsversuche

So geht der Armee trotz aller Propaganda-Versuche der Regierung der Nachwuchs aus. Marine und Luftwaffe können sich vor Anfragen nicht retten, aber Armee-Infanterie und die US-Marines stellen die Bodentruppen im Irak und damit auch einen Großteil der Opfer. Die Armee hat jetzt zur Rekrutierungs-Offensive geblasen. 150.000 neue Rekruten braucht man in diesem Jahr. Bei Rodeos und Autorennen wird erst der Patriotismus beschworen, und dann der Nachwuchs geworben. Es kostet gut 16.000 Dollar, um einen Rekruten anzuwerben, aber dafür ist das Geld da.

Hohe Benzinpreise

Und in Washington feiert sich der Präsident. Er hat ja schließlich Recht gehabt. Im Nahen und Mittleren Osten ist die Demokratie auf dem Vormarsch. Im Libanon wird demonstriert, in Ägypten und Saudi Arabien darf zum ersten Mal seit Jahrzehnten mehr oder weniger frei gewählt werden, all das schreiben sich die Regierenden in Washington als Erfolg ihrer Politik auf die eigene Fahne. Vielleicht haben sie ja auch Recht, vielleicht hat es diesen Krieg gebraucht, um die festgefahrene Situation im Mittleren Osten zu verändern. Aber das mit dem Öl hat dann doch nicht so geklappt, wie man sich das vielleicht vorgestellt hat. Die Benzinpreise steigen in den USA in ungeahnte Höhen. Der Energiehunger Amerikas wächst und wächst. Jetzt beugt sich der Senat dem Druck von Ölindustrie und Autofahrern. Bald wird auch in der Tundra von Alaska nach Öl gebohrt werden dürfen. Das letzte unberührte Stück Natur der USA muss geopfert werden.

Wie gesagt, Amerika geht am zweiten Jahrestag des Beginns des zweiten Irakkrieges schnell zur Tagesordnung über. Ist vielleicht auch ganz gut so, bei dieser Bilanz.