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Kein Politiker in der Fankurve

Nina Werkhäuser13. Juni 2012

Bei der Fußball-EM bleibt die Bundesregierung den Spielen in der Ukraine fern. Zumindest denen in der Vorrunde. Einen Boykott will das aber niemand nennen.

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Das Olympiastadion in der ukrainischen Hauptstadt Kiew (Quelle: Wikipedia)
Bild: cc-bc-Ilya Chochlov-sa-3.0

Bundeskanzlerin Angela Merkel weiß noch nicht, welches EM-Spiel sie sich im Stadion anschauen wird. Jedenfalls keines in der Vorrunde. "Das ist aus terminlichen Gründen überhaupt nicht möglich", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Die drei Vorrunden-Spiele der deutschen Mannschaft finden allesamt in der Ukraine statt. Auch Innenminister Hans-Peter Friedrich, der in der Bundesregierung für Sport zuständig ist, meidet die Vorrunde. Er müsse ja nicht bei jedem Spiel dabei sein, erklärte Friedrich. "Vorausgesetzt, dass das Endspiel mit deutscher Beteiligung stattfindet, werde ich beim Endspiel in Kiew dabei sein."

Lieber vor dem Fernseher

Die fußballbegeisterte Angela Merkel sitzt eigentlich liebend gerne im Stadion, wenn die deutsche Nationalmannschaft spielt. In den nächsten Tagen schaut sie aber lieber fern. Dass sie und andere deutsche Politiker die Vorrunde meiden, ist Ausdruck der Missbilligung gegenüber Viktor Janukowitsch.

Der ukrainische Präsident bedient sich der Justiz, um politische Gegner aus dem Verkehr zu ziehen. Nicht nur die ehemalige Ministerpräsidentin Julia Timoschenko wurde wegen angeblichen Amtsmissbrauchs zu sieben Jahren Haft verurteilt, auch viele ihrer früheren Kabinettskollegen sitzen im Gefängnis. Und das teils unter menschenunwürdigen Bedingungen.

Fußball-EM : Merkel fährt vorerst nicht in die Ukraine

Kein Rechtsstaat

Dass die ukrainischen Behörden Timoschenko nach einem Bandscheibenvorfall im Gefängnis keine hinreichende medizinische Hilfe zukommen ließen, löste international einen Sturm der Entrüstung aus. Die Oppositionspolitikerin, die nach eigenen Angaben in der Haft auch geschlagen wurde, trat in den Hungerstreik. Bundespräsident Joachim Gauck sagte deshalb eine Reise in die Ukraine ab.

Inzwischen wird Timoschenko von deutschen Ärzten behandelt - in einem Krankenhaus unweit des EM-Stadions im ostukrainischen Charkiw. Kein deutscher Politiker möchte Präsident Janukowitsch die Hand schütteln, wenn dort am 13. Juni Deutschland und die Niederlande aufeinandertreffen. Selbst die größten Fußballfans im Kabinett warten da lieber bis zum Viertelfinale in Polen.

Schwierige Situation für die ukrainische Opposition

Ukrainische Oppositionspolitiker wie Mykola Katerynchuk sind nun in einer Zwickmühle. Im Inneren regiert mit eiserner Hand Janukowitsch, das Ausland rümpft die Nase. "Sport und Politik sind zwei Paar Schuhe", sagte der ukrainische Parlamentarier der Deutschen Welle. "Wer Fußball mag, sollte zu den Spielen kommen. Man darf die ukrainische Regierung und das Volk nicht miteinander verwechseln." 

Katerynchuk, der auf Seite der inhaftierten Julia Timoschenko steht, möchte sein Land während der EM gerne in einem guten Licht zeigen. Ob das noch gelingen kann,  nachdem die Reputation der ukrainischen Regierung international stark gelitten hat, ist fraglich. Janukowitschs Versuch, die Europameisterschaft zur Imagepolitur zu nutzen, gilt unter deutschen Politikern jedenfalls schon jetzt als gescheitert.