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Kein Prozess wegen SS-Massaker in Oradour

9. Dezember 2014

Das Massaker der SS im französischen Oradour liegt 70 Jahre zurück. Die Staatsanwaltschaft wollte jetzt einen 89-Jährigen wegen der Mittäterschaft bei dem Kriegsverbrechen vor Gericht stellen - und scheiterte.

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Ruinen von Oradour-sur-Glane (Foto: pictura alliance/dpa)
Mahnmal - die Ruinen von OradourBild: picture-alliance/dpa/Y. Valat

Im Juni 1944 massakriert die Waffen-SS im französischen Dorf Oradour-sur-Glane 642 Menschen. Die Staatsanwaltschaft Dortmund, zuständig für die Verfolgung von Verbrechen der deutschen Nationalsozialisten, versucht immer noch, Täter zur Verantwortung zu ziehen. Ein schwieriges Unterfangen, wie sich einmal mehr gezeigt hat. Das Landgericht Köln lehnte die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen den Rentner ab, weil ihm eine aktive Beteiligung an den Morden wahrscheinlich nicht mehr nachzuweisen sei.

Dürftige Beweislage

Die Staatsanwaltschaft Dortmund hatte den 89-jährigen Kölner im Januar angeklagt. Sie wirft dem Mann vor, gemeinsam mit anderen Mitgliedern seiner Kompanie 25 Menschen in einem Weinkeller erschossen zu haben. Zudem wird ihm Beihilfe zum Mord an hunderten weiteren Menschen zur Last gelegt. Der zur Tatzeit 19-Jährige gab laut Kölner Landgericht an, er sei bei dem Massaker in Oradour zwar anwesend gewesen, habe aber weder geschossen noch Bewachungs- oder Transportaufgaben übernommen. Diese Darstellung des Mannes werde "mit den zur Verfügung stehenden Beweismitteln voraussichtlich nicht zu widerlegen sein", befand das Gericht.

Die Strafkammer verwies in ihrer Begründung darauf, dass keiner der im Ermittlungsverfahren vernommenen Zeugen den Beschuldigten mit den Geschehnissen in Verbindung gebracht habe und dass sein Name in keiner Vernehmung Erwähnung finde. Die bloße Anwesenheit des Mannes bei den Gräueltaten könne aber rechtlich nicht als Beihilfe zum Mord gewertet werden.

Die Staatsanwaltschaft Dortmund ließ zunächst offen, ob sie gegen die Gerichtsentscheidung Beschwerde einlegt. Laut Oberstaatsanwalt Andreas Brendel wird wegen des Massakers unverändert gegen mehrere weitere Beschuldigte ermittelt. Die Beweislage sei aber "äußerst dürftig", räumte er ein.

Enttäuschung in Oradour

Überlebende und Politiker in Oradour-sur-Glane zeigten sich enttäuscht von der Entscheidung. Der langjährige Bürgermeister des Ortes, Raymond Frugier, der sich nach eigener Aussage mehrfach mit den Dortmunder Ermittlern getroffen hatte, äußerte sich "überrascht". "Niemand hätte gedacht, dass die deutsche Justiz einen alten Mann hinter Gitter bringt. Aber es wäre richtig gewesen, die Sache juristisch bis zum Ende zu verfolgen."

Gauck und Hollande - 2013 beim Gedenken in Oradour (Foto: Reuters)
Gauck und Hollande - 2013 beim Gedenken in OradourBild: REUTERS

Bei dem Massaker in dem zentralfranzösischen Ort waren am 10. Juni 1944 insgesamt 642 Franzosen von der deutschen Waffen-SS ermordet worden, darunter 452 Frauen und Kinder. Nur wenige Einwohner überlebten das Massaker, an dem mindestens 120 Soldaten eines SS-Panzergrenadierregimentes beteiligt waren. Bis heute gilt das Blutbad als Symbol für die Grausamkeit der Nazi-Besatzung in Frankreich.

Der zerstörte Ortskern von Oradour (Artikelbild) wurde nicht wieder aufgebaut und ist heute Mahn- und Gedenkstätte. Im vergangenen Jahr besuchte Bundespräsident Joachim Gauck zusammen mit Frankreichs Präsident François Hollande als erstes deutsches Staatsoberhaupt Oradour.

qu/det (afp, dpa, rtre, APE)