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Politik

Russische Männer kommen weiter in die Ukraine

Roman Goncharenko | Lilia Rzheutska
4. Dezember 2018

Im Rahmen des Kriegsrechts führte die Ukraine Einreiseinschränkungen für Ausländer ein - sie sollten vor allem russische Männer treffen. Die Auswirkungen sind bereits spürbar, doch anders als ursprünglich angekündigt.

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Hoptivka-Kontrollpunkt an der Grenze zwischen Ukraine und Russland
Bild: picture-alliance/Photoshot

Als die Ukraine in einigen Regionen das Kriegsrecht verhängte und die Einreise für Ausländer einschränkte, war die Aufregung groß - auch im Ausland. Der Chef des ukrainischen Grenzschutzes Petro Cyhykal betonte am vergangenen Freitag (30.11.18) bei einer Sitzung in Anwesenheit des Präsidenten Petro Poroschenko, dass russische Männer zwischen 16 und 60 Jahren nicht durchgelassen würden.

Schnell war in russischen, aber auch in westlichen Medien von einem "Verbot" die Rede. Jetzt wird klar, es wird nicht so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Erste Auswertungen zeigen, dass es Kiew eher um Abschreckung geht und es kein totales Einreiseverbot gibt. "Die Grenzbeamten fokussieren sich auf Männer aus Russland zwischen 16 und 60 Jahren", sagte Oleh Slobodjan, stellvertretender Leiter der ukrainischen Grenzschutzbehörde, im Gespräch mit der DW. "Doch das heißt nicht, dass wir alle Männer nicht über die Grenze lassen. Für alle sind zusätzliche Kontrollen eingeführt, etwa Gespräche. Bei kleinsten Zweifeln im Bezug auf das Reiseziel wird ein Verbot verhängt." Als Stopp-Kriterien gelten "nicht bestätigte Reiseziele" oder nicht von Kiew genehmigte Besuche der "besetzten Gebiete" - also der von Russland annektierten Krim und der Separatistenregionen im Kohlerevier Donbass. Wer zum Beispiel Verwandte besuchen möchte und das gut belegen kann, wird meistens nicht gestoppt.

Die Zahl der bisher verhängten Einreiseverbote ist überschaubar, etwa 80 pro Tag, heißt es beim ukrainischen Grenzschutz. Die meisten Russen, derzeit etwa 1300 täglich, dürfen in die Ukraine einreisen. Allerdings ist diese Gesamtzahl der Reisewilligen aus dem Nachbarland um das zwei- bis dreifache in den vergangenen Tagen zurückgegangen.  

Vorbeugung gegen "geheime Armeen"

Die Verschärfung der Einreiseregeln ist Teil des Kriegsrechts, das Kiew am 26. November für 30 Tage, bis Ende Dezember, in einigen Regionen im Osten und Süden eingeführt hat. Der Präsident Poroschenko begründete diesen bisher einmaligen Schritt mit dem jüngsten Vorfall im Schwarzen Meer, als die russische Küstenwache einen Schlepper und zwei Patrouillenboote der ukrainischen Marine mit Waffen attackierte. Die Schiffe werden festgehalten, die Besatzung angeklagt.

Ukraine Russland Konflikt Krim l  Hafens im ukrainischen Mariupol am Asowschen Meer
Die Ukraine hat am 26. November nach dem Vorfall im Schwarzen Meer das Kriegrecht eingeführtBild: Getty Images/AFP/S. Volskii

Die Einschränkungen sollen verhindern, dass in der Ukraine sogenannte "geheime Armeen" wie 2014 entstehen, so Poroschenko. Gemeint sind wohl russische Geheimdienstler oder Söldner, die zunächst bei der Annexion der Krim Moskau halfen und später den Krieg im Kohlerevier Donbass mitentfachten.

Manche Kritiker in Kiew monieren, die ukrainische Regierung habe bewusst das Thema hochgehängt, um sich zu profilieren. Damit habe man auch russischen Medien zusätzliche Möglichkeit gegeben, über ein "Verbot" zu spekulieren. "Wer mit bösen Absichten in die Ukraine einreisen will, wird passieren", sagte Olexij Melnyk, Experte beim Kiewer Rasumkow-Zentrum, der DW. Zusätzliche Kontrolle würde solche Menschen nicht stoppen, einfache Russen aber abschrecken. 

Rock-Legende verschiebt Konzerte 

Betroffen sind auch einige prominente russische Künstler. Einer von denjenigen, die nach Hause zurückkehren mussten, heißt Andrej Merkurjew. Der 41-Jährige ist Solist des Moskauer Bolschoi Theaters und wollte am Freitag in die südukrainische Hafenstadt Odessa am Schwarzen Meer einreisen. Im dortigen Theater läuft seit Jahren ein vom ihm inszeniertes Ballettstück. Merkurjew wurde am Flughafen in Odessa gestoppt und zurückgeschickt.

Der kultige russische Rock-Star der 80er Jahre Boris Grebenschtschikow ging auf die Nummer sicher und verkündete auf Facebook, er werde seine für die kommenden Tage geplanten Konzerte in Kiew und Odessa wegen "höherer Gewalt" wohl auf den Sommer 2019 verschieben. Er hat jedoch das ukrainische Kriegsrecht nicht ausdrücklich erwähnt. Grebenschtschikow ist zwar 65 und selbst vom Verbot nicht betroffen, doch er möchte offenbar mögliche Probleme für jüngere Mitglieder seiner Band ausschließen.

 

Seit der Krim-Annexion 2014 schränkte die Ukraine immer weiter die Einreisebedingungen für Russen ein: Sie wurden strenger kontrolliert, manche landeten auf schwarzen Listen und wurden mit einem langjährigem Einreiseverbot belegt. Direkte Flugverbindung wurde eingestellt. Seit Anfang 2018 dürfen Russen nur mit biometrischen Pässen in die Ukraine einreisen. Auch die Einführung einer Visumspflicht ist im Gespräch. Die Besucherzahl aus Russland sank von mehr als neun Millionen im Jahr 2013 auf weniger als 1,5 Millionen Menschen 2017.