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Vertrauensfrage Griechenland

5. November 2011

Vertrauensabstimmung in Athen gewonnen, aber wie geht es weiter mit Griechenland? Eine Frage, die sich nach den jüngsten Chaostagen auch für die ganze EU stellt. Daphne Grathwohl kommentiert.

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Bild: DW

Politische Einheit, ein stabiler Euro und schrumpfende Schuldenberge - diese Signale sollten vom EU-Sondergipfel zur Euro- und Griechenland-Rettung vor zehn Tagen ausgehen. Das Ziel: Die Märkte beruhigen, Europa stärken und das Pulverfass Athen befrieden. Griechenland macht dabei nur einen kleinen, wenn auch explosiven Teil der Euro-Krise aus. Denn der Brandherd Italien glüht schon längst.

Nach dem EU-Gipfel verkündete der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou die Ergebnisse vor heimischem Publikum eher kurz – Schuldenerlass und frisches Geld. Viel länger sprach er über die Opfer des griechischen Volkes und die Mühen, die noch vor ihm lägen, die aber letztendlich belohnt würden. Doch seine Überzeugungsarbeit fruchtete nicht: Während die Gipfel-Ergebnisse die viel beschworenen Märkte und die beteiligten Regierungen vorerst zufriedenstellten, eskalierten die Proteste in Griechenland. Die Bürger lehnen sich auf gegen Sparmaßnahmen, die Wirtschaftkraft und Aufbruchsstimmung ersticken. Und die Opposition blockiert und versucht, aus der Misere der Regierungspartei politischen Profit zu ziehen.

Schwankender Koloss EU

Daphne Grathwohl (Foto: DW)
Daphne Grathwohl, Redaktion Politik und GesellschaftBild: DW

Welche Motive auch immer Papandreou zu seiner Schock-Ankündigung eines Referendums über das Rettungspaket getrieben haben, eins wurde deutlich: Die innenpolitischen Unruhen im kleinen Griechenland haben den Koloss EU in der vergangenen Woche zum Wanken gebracht. Wer am Donnerstag verfolgte, wie die Gerüchte aus Athen Parlamente, Banken, Börsen und den G20-Gipfel in Atem hielten, bis die Volksabstimmung vom Tisch war, kommt zu dem Schluss: Die EU ist nur scheinbar ein Koloss, keine mächtige politische Einheit. Wie würden sich wohl derartige Unruhen in Italien oder Spanien auf die Europäische Union auswirken?

In der Nacht zum Samstag (05.11.2011) hat Papandreou seine Vertrauensabstimmung gewonnen: Kehrt jetzt Ruhe ein? Wohl kaum. Er wird in den eigenen Reihen angefeindet. Wie soll eine von ihm angekündigte "Regierung der erweiterten Zusammenarbeit" funktionieren? Wie soll sie das Vertrauen der griechischen Bürger und der europäischen Partner gewinnen? Es bleibt wohl alles, wie es war: Selbst wenn die Akteure sich ändern, ihre Motive ändern sich leider nicht, das gilt nicht nur für Griechenland.

Profitieren ja, abgeben nein

Denn wenn es in der EU und in der Eurozone etwas zu gewinnen gibt, sind alle Staaten dabei: Die Exportnation Deutschland profitiert vom Euro, aber auch Staaten wie Griechenland profitieren von der stabilen Währung und niedrigen Zinsen. Doch wenn es darum geht, einen - möglicherweise schmerzhaften - Beitrag für die Stabilität Europas zu leisten, springen alle weg: Deutschland wehrt sich dagegen, Souveränität abzugeben und zu sehr zur Kasse gebeten zu werden. Frankreich will selbstverständlich seine Banken schützen. Und Griechenland hält an seinem verkrusteten, korrupten Staatsapparat fest und verweigert die seit Jahrzehnten überfälligen Strukturreformen. Ähnlich verhält sich Italien.

Es fehlt die gemeinsame politische Agenda, die Politiker und Bürger überzeugt, dass ein starkes Europa auch im jeweiligen nationalen Interesse ist und dass nationale Interessen sich in der Gemeinschaft besser durchsetzen lassen. Wie soll Europa ein politisches und wirtschaftliches Schwergewicht sein und in Konkurrenz zu China und Indien treten, wenn es solche Schauspiele bietet wie in dieser Woche?

Autorin: Daphne Grathwohl
Redaktion: Hans Sproß