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Keine Fortschritte durch Netanjahu-Rede

25. Mai 2011

Mit Begeisterung nimmt der US-Kongress die Rede von Israels Ministerpräsident Netanjahu auf. Den Friedensprozess bringt sie nicht voran, aber das war auch nicht zu erwarten, meint Ex-Regierungsberater Aaron David Miller.

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Netanjahu (Foto: dpa)
Netanjahu vor dem KongressBild: picture alliance/dpa

Immer wieder wurde die Rede des israelischen Ministerpräsidenten im US-Kongress von donnerndem Applaus und begeisterten Rufen unterbrochen, oft erhoben sich die Abgeordneten von den Sitzen. Eine Dreiviertelstunde sprach Benjamin Netanjahu am Dienstag (24.05.2011) vor den Mitgliedern des Senats und des Repräsentantenhauses und genoss sichtlich die Sympathien, die ihm entgegengebracht wurden.

Nach der Rede fasste der Sprecher des Abgeordnetenhauses, der Republikaner John Boehner, die positiven Reaktionen in Worte: "Heute stehen wir Seite an Seite mit Israel und bekräftigen ein weiteres Mal unsere historische Partnerschaft", erklärte er. Die Aufgabe, ein sicheres Israel zu schaffen, sei noch nie einfach gewesen, aber eine gerechte Sache. Man freue sich, so der Republikaner, auf die Fortsetzung der Zusammenarbeit, "um Frieden, Freiheit und Stabilität in der Region zu schaffen".

Doch nicht nur die Konservativen meldeten sich zu Wort, auch die Demokraten versicherten Netanjahu ihre Unterstützung. Nancy Pelosi, seit den letzten Kongresswahlen Minderheitsführerin ihrer Partei im Repräsentantenhaus, erklärte an Netanjahu gewandt: "Beide Parteien im Kapitol sind der Ansicht, dass Ihre großartige Rede im Kongress den Friedensprozess weiter gebracht hat."

Die Rede hat ihren Zweck erfüllt

Netanyahu mit John Boehner (2vr) und Nancy Pelosi (r) (Foto: dapd)
Einigkeit: Netanyahu mit John Boehner (2vr) und Nancy Pelosi (r)Bild: dapd

Aaron David Miller, der sechs US-amerikanische Außenminister beraten und selbst Nahost-Friedensgespräche geführt hat, ist anderer Ansicht. Diese Rede habe den Friedensprozess weder vorangebracht noch zurückgeworfen, meint er. Dazu sei sie aber auch nicht gedacht gewesen: "Dies sollte eine kraftvolle und nachhaltige Rede eines Politikers vor einer Israel-freundlichen Zuhörerschaft sein." Und das sei ihm gelungen, findet Miller, der Netanjahu seit 25 Jahren kennt und beobachtet: "Ich habe ihn noch nie wirkungsvoller erlebt."

In seiner Rede hatte Netanjahu die gemeinsamen israelisch-amerikanischen Werte betont und Israel als Bastion der Demokratie in der arabischen Welt präsentiert. Und er hatte zwar erklärt, zu "schmerzhaften Kompromissen" bereit zu sein, im Wesentlichen aber seine Forderungen wiederholt: eine Rückkehr zu den Grenzen von 1967 könne es ebenso wenig geben wie die Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge auf israelisches Gebiet. Und Jerusalem müsse die ungeteilte Hauptstadt Israels bleiben. Außerdem werde Israel nicht mit einer palästinensischen Regierung verhandeln, die Abkommen mit der radikalislamische Hamas schließt.

Ernüchternde Realität

Netanjahu bei Obama (Foto: dapd)
Uneinig: Netanjahu bei ObamaBild: dapd

Eine Bedrohung für den Friedensprozess sieht Aaron David Miller in Netanjahus Äußerungen nicht, denn einen solchen Prozess gebe es derzeit nicht. "Es gibt derzeit keine Chance", sagt Miller, "die Friedensverhandlungen wieder aufzunehmen". Alle beteiligten Seiten - Präsident Obama, Premierminister Netanjahu und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas seien sich dessen bewusst. Die einzigen, die derzeit eine Strategie hätten, seien die Palästinenser, so die Einschätzung des langjährigen Regierungsberaters.

Doch deren Pläne, einen palästinensischen Staat im September durch die UN-Vollversammlung anerkennen zu lassen, seien schlecht. Bis zur Vollversammlung sei es allerdings noch eine Weile hin und niemand könne vorhersagen, was bis dahin passiert. Aber selbst wenn Palästina im September von der Mehrheit der Staaten anerkannt würde, ändere sich nichts an der Situation vor Ort. Mahmud Abbas kontrolliere nur einen Teil des Westjordanlandes, ohne Jerusalem und den Gazastreifen, einen richtigen Staat könne es also gar nicht geben, argumentiert Miller: "Es ändert sich nur etwas, wenn es zu gewaltsamen Ausbrüchen kommt. Das kann passieren."

Sein Fazit ist ernüchternd, im Moment sei ein Fortschritt kaum möglich, denn: "Um die Kalkulation einer der beteiligten Seiten - Obama, Netanjahu oder Abbas - zu ändern, braucht es entweder eine ausgesprochen positive Entwicklung oder eine große Krise." Und keines vor beiden stehe derzeit unmittelbar bevor.

Autorin: Christina Bergmann, Washington

Redaktion: Dirk Eckert