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Keine klare Strategie im Antiterror-Kampf

Klaudia Prevezanos12. August 2006

Die verhinderten Terroranschläge von London sind ein Erfolg, für den man den Ermittlern dankbar sein muss. Doch die Erleichterung ist nur von kurzer Dauer. Über die weitere Antiterror-Strategie streiten Experten.

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Polizeibeamte bewachen ein Haus im Norden LondonsBild: AP

"Die Antiterror-Aktion am Londoner Flughafen ist ganz klar ein Erfolg, der aber Grund zum Nachdenken gibt", sagt Joachim Krause, Direktor des Instituts für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel. Denn die am Donnerstag (10.8.2006) verhafteten mutmaßlichen Täter sind Briten aus der muslimischen Gemeinschaft Großbritanniens. "Das lässt ahnen, welches Gewaltpotenzial dort noch besteht, auch wenn es eine sehr kleine Minderheit ist", so Krause.

"Wir werden den Nahen und Mittleren Osten noch brennen sehen"

Heathrow gelähmt
Stillstand am Flughafen London-HeathrowBild: AP

Michael Pohly, Sprecher der Forschungsinitiative Sicherheit der Freien Universität (FU) Berlin, meint: "Es ist ein Erfolg in der Terrorabwehr, aber nicht in der Bekämpfung des Terrorismus. Diese Leute konnten noch agieren und ihre Netzwerke funktionieren, auch wenn sie geschwächt sind." Langfristig müsse Terrorismus an der Wurzel bekämpft werden, doch das hält Pohly vom Institut für Iranistik derzeit für wenig aussichtsreich: "Der Irak steht vor einem Bürgerkrieg, in Afghanistan nimmt die Gewalt wieder zu und der Libanon-Konflikt treibt den radikalen Gruppen weitere junge Menschen zu. Wir werden den Nahen und Mittleren Osten noch brennen sehen."

"Fromme Wünsche"

Klaus Segbers, Professor an der FU Berlin mit Schwerpunkt internationale Politik, hält vor allem vorhandene Wertekonflikte zwischen verschiedenen Gesellschaften für eine Ursache der zunehmenden Radikalisierung. "Außerdem produzieren wir ständig neue Globalisierungsverlierer." Mittelfristige Lösungen könnte, so Segbers, doch noch eine Einigung in der Welthandelsrunde bringen. "Damit wir Menschen nicht nur Wohlstand versprechen, sondern ihnen auch welchen geben. National müssen wir uns zudem fragen, ob wir uns noch Parallelgesellschaften erlauben können." Doch der Ausblick des Professors ist ebenfalls düster: "Eine bessere Verteilung von Ressourcen und größere Integration von Einwanderern sind fromme Wünsche, die ein paar Tage nach Ereignissen wie in London wieder vergessen werden."

Gründliche Polizeiermittlung

Terroralarm in London Haus in High Wycombe Polizei
Polizeiarbeit nach den jüngsten VerhaftungenBild: AP

Pragmatischer beurteilt Krause vom Kieler Institut für Sicherheitspolitik die Antiterror-Strategie für Europa. Die Täter seien radikalisierte Moslems, die man nur noch mit normaler aber gründlicher Polizeiermittlung stoppen könne: Durch in radikale Gruppen eingeschleuste Kontaktpersonen, Überwachung von Telefonen und E-Mailverkehr und die richtige Einschätzung von Bedrohungssituationen durch Polizeibeamten. "Manchmal sind es auch nur zufällige Informationen, an die die Polizei kommt", sagt Krause. "Man kann Integration immer verbessern, aber dass man damit das Terrorismusproblem löst, wage ich zu bezweifeln. Ich habe auch noch niemanden getroffen, der mir sagen kann, was die Wurzeln des Terrorismus sind."

Krieg in Afghanistan als radikales aber effektives Mittel

Eine Vielzahl von Strategien gegen internationalen Terrorismus hält hingegen Christopher Daase für den richtigen Weg. "Präventive Aufklärung durch die Polizei ist sehr wichtig, aber nicht das einzige Mittel, auf das man sich verlassen sollte", meint der Professor für internationale Politik an der Universität München. So war der Krieg in Afghanistan Ende 2001 seiner Ansicht nach ein radikales aber effektives Mittel zur Terrorbekämpfung. Doch auch einzelne gezielte Militäraktionen gegen Staaten oder Gruppen gehörten dazu, internationale Polizeikooperationen oder Entwicklungshilfe.

"Auch die USA denken langsam um"

11. September 2002 - Jahrestag
Anschlag auf das World Trade Center in New York am 11. September 2001Bild: AP

"Die Mixtur ist entscheidend", sagt Daase. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA habe der Schwerpunkt auf militärischer Terrorbekämpfung gelegen, vor allem von Washington betrieben. "Die Europäer haben inzwischen jedoch einen gewissen Kontrapunkt gesetzt, indem sie mit diplomatischen Mitteln Einfluss nehmen wollen oder beispielsweise Entwicklungspolitik als ein Element nutzen. Auch die USA denken langsam um."

Sichtbare und unsichtbare Erfolge

Das Problem der verschiedenen Strategien ist jedoch, dass sie unterschiedlich schnell wirksam sind. Außerdem sind verhaftete mutmaßliche Terroristen ein sichtbarer Erfolg. "Diplomatische und mittelfristige Bemühungen lassen sich schwerer messen und dokumentieren", so Daase von der Universität München. Die richtige Antiterror-Strategie mag unter deutschen Experten umstritten sein, einig ist man sich in einem Punkt: Dass auch alle zukünftigen Anschlagsversuche verhindert werden können, ist unmöglich.