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Koch stürzt ab

28. Januar 2008

Nach den Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen zeichnet sich in Wiesbaden eine komplizierte Regierungsbildung ab. In Hannover kann Ministerpräsident Wulff mit seiner schwarz-gelben Koalition weiterregieren.

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Hessens Ministerpräsident Roland Koch, rechts, und seine SPD-Herausfordererin Andrea Ypsilanti
Hessens Ministerpräsident Roland Koch, rechts, und seine SPD-Herausfordererin Andrea YpsilantiBild: AP

In Hessen liegt die CDU von Regierungschef Roland Koch laut vorläufigem amtlichen Endergebnis trotz dramatischer Verluste mit 36,8 Prozent hauchdünn vor der SPD mit 36,7 Prozent. Beide Parteien haben jeweils 42 Sitze im Parlament. Die Union bekam lediglich 3595 Stimmen mehr als die Sozialdemokraten, die in einem Wahlkrimi über Stunden in den Hochrechnungen prozentual knapp geführt hatten. In Niedersachsen konnte sich dagegen die CDU mit Ministerpräsident Wulff klar durchsetzen.

In Berlin, Wiesbaden und Hannover diskutieren die Parteigremien am Montag (28.1.2008) die Wahlergebnisse. Koch und Wulff wollen in die Berliner CDU-Zentrale kommen. Bei der SPD trifft sich das Präsidium in Berlin mit den Spitzenkandidaten Andrea Ypsilanti (Hessen) und Wolfgang Jüttner (Niedersachsen).

Linke schafft Einzug in beide Landtage

Die bisher alleinregierende CDU von Koch büßte die absolute Mehrheit ein. Auch ein schwarz-gelbes Bündnis kann nicht allein regieren. Grund ist der Einzug der Linken ins Parlament. Möglich wären eine große Koalition, eine Ampel aus SPD, Grünen und FDP sowie rechnerisch eine "Jamaika"-Regierung aus CDU, FDP und Grünen. Die SPD schloss nach großen Gewinnen ein mögliches rot-rot-grünes Bündnis und jede Zusammenarbeit mit den Linken aus, die auch eine rot-grüne Minderheitsregierung tolerieren könnten.

Die Linke erklärte ihre Bereitschaft, SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti zur Ministerpräsidentin zu wählen. Ypsilanti erklärte sich frühzeitig zur Siegerin: "Wir haben für eine andere politische Kultur in diesem Land gekämpft, und wir haben gewonnen", rief die Parteilinke vor jubelnden Anhängern im Wiesbadener Landtag aus und fügte hinzu: "Die Sozialdemokratie ist wieder da."

Ypsilanti warb für ein rot-gelb-grünes Bündnis, obwohl die Freidemokraten eine Ampel bisher abgelehnt hatten. Eine große Koalition lehnte Ypsilanti ab. Die Linke schaffte in Wiesbaden und Hannover erstmals den Einzug in Parlamente westdeutscher Flächenländer. In Wiesbaden gab es für sie eine stundenlange Zitterpartie.

In Niedersachsen kann Christian Wulff (CDU) trotz eines Dämpfers mit der FDP weiterregieren. Die SPD muss ihr schlechtestes Ergebnis bei einer Landtagswahl in Niedersachsen verkraften.

Kochs Erklärungsversuche nach dem Debakel

Koch sieht eine "Diffamierungskampagne" gegen seine Person als einen der Hauptgründe für das schlechte CDU-Abschneiden, für das er eine Mitverantwortung übernahm. Das Ergebnis sei für seine Partei und ihn persönlich "nicht einfach".

SPD-Chef Kurt Beck wertete das Ergebnis seiner Partei in Hessen als gute Ausgangslage für die Bürgerschaftswahl in Hamburg in einem Monat. Als möglichen Partner für Rot-Grün in Hessen nannte er die FDP. FDP-Generalsekretär Dirk Niebel entgegnete: "Wir werden nicht den Steigbügelhalter für Rot-Grün machen."

Nach einer Analyse der Forschungsgruppe Wahlen hat die CDU in Hessen vor allem bei Jüngeren gravierend an Zustimmung verloren. Die Einbußen der CDU in Hessen gehen demnach auf eine gesunkene Leistungsbilanz sowie Ansehens- und Kompetenzverluste zurück.

Wirtschaft fürchtet "Linksruck"

Der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie, Jürgen Thumann, sagte dem "Handelsblatt" (Montagsausgabe) mit Blick auf den Wahlausgang: "Der Linksruck in Deutschland setzt sich fort." Er betrachte die aktuelle Entwicklung "mit allergrößter Sorge". Die Linkspartei habe überraschend hohe Zustimmung erreicht, die CDU stärker verloren als erwartet. Der Chefvolkswirt der Dresdner Bank, Michael Heise, sagte der Zeitung, dass die politische Linke an Bedeutung gewinne, sei "nicht die Botschaft, die wir für Deutschland brauchen". Dadurch werde der Reformdruck auf die Politik "sicher nicht erhöht, sondern gedämpft".


Die Wahlergebnisse im Überblick


Hessen: Die CDU stürzte nach dem vorläufigen Endergebnis auf 36,8 Prozent (2003: 48,8), die SPD legte auf 36,7 Prozent (29,1) zu. Die Grünen kamen mit 7,5 Prozent (10,1) auf ein einstelliges Ergebnis, die FDP erreichte 9,4 Prozent (7,9). Die Linke erzielte 5,1 Prozent. CDU und SPD kamen auf jeweils 42 Sitze, die Grünen auf 9, die FDP auf 11 Mandate und die Linke auf 6.

Niedersachsen: Die CDU verlor nach dem vorläufigen Endergebnis fast 6 Punkte und erzielte 42,5 Prozent (2003: 48,3). Die SPD schaffte 30,3 Prozent (33,4). Die FDP verbuchte 8,2 Prozent (8,1), die Grünen kamen auf 8 Prozent (7,6). Die Linke kam auf 7,1 Prozent (2003: PDS 0,5 Prozent). Die CDU erreichte 68 Sitze, die SPD 48, die FDP 13, Grüne 12 und die Linke 11 Mandate.

In Hessen betrug die Wahlbeteiligung 64,3 nach 64,6 Prozent 2003. In Niedersachsen gab es eine Beteiligung von nur 57 nach 67 Prozent vor fünf Jahren. (stl)

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