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Keine Prügel für sudanesische Journalistin

8. September 2009

Der sogenannte "Hosenprozess" ist zuende: Ein Gericht in Khartum verurteilte die wegen des Tragens von Hosen angeklagte Frau zu einer Geldstrafe. Die Prügelstrafe blieb ihr erspart.

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Die sudanesische Journalistin Lubna Ahmed Hussein (Foto: AP)
Lubna Ahmed Hussein (rechts) geht optimistisch in den ProzessBild: AP

In dem als "Hosenprozess" bekannt gewordenen Verfahren gegen die Journalistin Lubna Ahmed Hussein hat das Gericht am Montag (07.09.2009) sein Urteil gefällt: umgerechnet etwa 150 Euro Strafe muss die ehemalige UN-Mitarbeiterin zahlen. Der Vorwurf: die Sudanesin habe Hosen getragen und sich damit für eine Frau unangemessen gekleidet. Von der Prügelstrafe hat das Gericht abgesehen. Ursprünglich hatten ihr bis zu 40 Peitschenhiebe gedroht.

Freiwillig vors Gericht

Dabei hat die 34jährige selbst auf den Prozess bestanden. Doch man konnte sie anfangs nicht verurteilen, weil sie bei der UNO in Khartum beschäftigt war und deshalb strafrechtlich nicht verfolgt werden durfte. Doch Lubna Ahmed Hussein kündigte ihren Job bei den Vereinten Nationen, damit der Prozess stattfinden konnte. Sie habe ungeduldig darauf gewartet, sagte sie in einem Interview der Deutschen Welle. Und sie sei zuversichtlich gewesen, egal wie der Prozess ausgehe.

"Die Sittengesetze sind verfassungswidrig"

Sudans präsident Al-Bashir (Foto: picture-alliance)
... für ihn gibt es weltweite Bloßstellung. Präsident Al-Bashir (3.v.l.) und seine MilitärsBild: picture-alliance/ dpa

Für die Behörden hatte alles mit einer "Routinekontrolle" begonnen. Dabei wurde Lubna Ahmed Hussein zusammen mit 12 weiteren Frauen am Abend des 03. Juli von Sittenwächtern festgenommen. Sie besuchten eine öffentliche Feier in der Hauptstadt Khartum. Sie alle trugen Hosen. Ein Verstoß gegen den Paragraphen 152 des Strafgesetzbuches, der die Wahrung der allgemeinen Moral und die Auspeitschung als Strafe vorschreibt. Für Lubna Ahmed Hussein sind solche Strafen erniedrigend und menschenverachtend, sagte sie der Deutschen Welle. Der Paragraph 152 sei ein Erbe aus den ersten Jahren der Alleinherrschaft Al-Bashirs und seiner Partei. Er sei mit der Einheitsverfassung von 2005 nicht vereinbar.

Relikt aus der Vergangenheit

Jahrzehnte lang lieferten sich die Regierung Al-Bashirs und die überwiegend christlichen Rebellen im Süden des Landes erbitterte Kämpfe. 2005 einigte man sich auf die Einheitsverfassung, die auch von der Opposition im Norden begrüßt wurde. Die Verfassung erkennt Menschenrechte an, garantiert das Recht auf faire Prozesse und verbietet die Erniedrigung von Bürgern – also die Sittengesetze. Doch der Paragraph 152 ist geblieben und die Sittenpolizisten gehen ihrem "Erziehungsauftrag" weiterhin nach. Doch auch theologisch sei der Paragraph umstritten, so Lubna Ahmed Hussein. "Man behauptet immer, dass dieser Paragraph auf der Lehre des Islam beruht. Gibt es einen theologischen Beleg, der Hosentragen verbietet und der dies durch Auspeitschung bestraft?" Den gebe es nämlich nicht, erklärt die Journalistin.

Auspeitschung ohne Prozess

Lubna Ahmed Hussein trägt braune Stoffhosen und schaut lächelnd in die Kamera (Foto: Lubna Ahmed Hussein)
Die Sudanesin fühlt sich wohl in HosenBild: Lubna Ahmad Hussein

Für die Sittenpolizei gilt dieses Argument nicht. Lubna Ahmed Hussein und die anderen festgenommenen Frauen mussten auf der Wache hin und her laufen, damit die Beamten feststellen konnten, wie eng die Hosen sitzen. Eine weitere Demütigung, klagt Hussein. Zehn der Frauen wurden in einem Eilverfahren zu zehn Peitschenschläge und einer Geldbuße von umgerechnet 70 Euro verurteilt. Das Urteil wurde sofort vollstreckt und die Frauen entlassen. Lubna Ahmed Hussein und zwei andere bestanden jedoch auf einen rechtmäßigen Prozess. Eine Überraschung für die Sittenwächter.

Wegen Verstößen gegen die "öffentliche Moral" seien allein in Khartum bereits über 40.000 Frauen ausgepeitscht worden, erklärt Lubna Ahmed Hussein im DW-Interview. "Diese Zahl habe ich nicht erfunden. Sie stammt auch nicht von einer Menschenrechtsorganisation oder Oppositionspartei. Das sind Angaben der Sittenpolizei selbst. Für sie ist diese schreckliche Zahl ein Erfolg". In den meisten Fällen komme es nicht zu einem Prozess. Die Frauen würden die Strafe einfach hinnehmen, weil sie schnell entlassen werden möchten. "Sie möchten nicht, dass jemand davon erfährt", erklärt die 34 jährige. "Für eine Frau und deren Familie im Sudan gilt bereits die Verhaftung als Schande, auch wenn sie später freigesprochen wird".

Dem Regime den Prozess machen

Demonstrantinnen in Khartum zeigen ihre Solidarität mit Lubna Ahmed Hussein. (Foto: AP)
"Der Fall Lubna ist ein Prozess gegen alle Frauen", steht auf dem PlakatBild: AP

Deshalb bestand Lubna Ahmed Hussein auf den Prozess. Der mittlerweile als "Hosenprozess" bekannte Fall erregte schnell Aufsehen – nicht nur im Sudan. Für die Journalistin und ihre Mitstreiterinnen ist das ein großer Erfolg. "Die Sympathien sind nicht nur auf mich gerichtet, sondern auf alle Frauen, die über die Jahre hinweg zu unrecht gedemütigt und ausgepeitscht wurden", sagt sie. Und die Sympathien sind groß: so wie bei der Verhandlung am 4. August ist es auch am Montag zu Demonstrationen in der Hauptstadt Khartum gekommen. Und aus Protest haben einige der Demonstrantinnen Hosen getragen.

Autor: Khalid El Kaoutit

Redaktion: Katrin Ogunsade