1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Keiner will das Klima retten

8. Dezember 2009

Die Deutschen denken, dass sie wirklich genug gegen den Klimawandel machen. Das ist aber mehr Einbildung als Realität. Wir sperren uns im Kopf, wirklich mal Effektives zu tun und verdrängen lieber.

https://p.dw.com/p/KqRK
Männer schauen erschrcoekn nach oben(Foto: AP)
Das darf ja wohl nicht wahr sein!Bild: AP

Mit Mülltrennung allein hat noch niemand die Welt vom CO2 gerettet. Die Deutschen sind aber ganz große Mülltrenner. Sie kaufen auch gerne Energiesparbirnen und wenn ein neuer Kühlschrank angeschafft werden muss, dann greifen sie häufig zur besten Energiesparklasse. Der eine oder andere pflanzt sich sogar eine Solaranlage aufs Dach und fährt nicht jeden Sonntag mit dem Auto die 500 Meter zum Bäcker. Aber insgesamt machen die Deutschen im Kleinen effektiv weniger als sie könnten, um Energie zu sparen und den CO2-Ausstoß zu verringern.

Glühbirne (Foto: AP)
Die olle Glühbirne kann weg, kein Problem - aber das reicht doch schon, oder?Bild: AP

Sie sind trotzdem sehr zufrieden mit sich selbst, sagt Udo Kuckartz, Professor an der Universität Marburg, der sich seit über zehn Jahren mit dem Umweltbewusstsein der Deutschen beschäftigt. Wenn er sie in Umfragen nach den Gründen fragt, warum sie nicht mehr tun, heißt es häufig: "Die anderen sollen doch erstmal was machen, der Staat soll was tun, die Industrie und dann ich. Andere Gründe sind finanzieller Natur, dass umweltfreundliches Verhalten mehr koste und dann werden immer und ausschließlich die Bio-Lebensmittel genannt."

Das bringt doch eh nix!

Melanie Weber nennt "die anderen sollen doch erstmal was machen" auch gerne "Verhaltenswirksamkeitsüberzeugung". Die Verbraucherschützerin hat über das Klimabewusstsein der Deutschen im vergangenen Jahr promoviert. "Es ist ein psychologisches Problem", sagt sie. "Man denkt, dass die Dinge, die man tun kann, keinen großen Effekt haben. Gleichzeitig lesen die Menschen in der Zeitung, dass zum Beispiel ein Staat wie China durch seinen so genannten Energiehunger einen sehr viel höheren CO2-Ausstoß hat und dann sagt sich der Einzelne: was bringt es eigentlich wenn ich jetzt im Kleinen was tue, wenn doch in anderen Erdteilen die CO2 Emissionen noch um ein Vielfaches steigen?"

Symbolbild friedliche Globalisierung (Foto: dpa)
Wir sind ja alle so global...Bild: picture-alliance / chromorange

Das Problem des Klimawandels sei, dass er ein globales Phänomen ist, sagen Kuckartz und Weber beide. Laut Kuckartz hat sich die Welt in den vergangenen Jahren so schnell vernetzt, dass wir das mit unseren Gehirnen einfach noch gar nicht alles nachvollziehen können. "Wir versuchen dann vor allem, unseren kleinen Alltag geregelt zu bekommen und wollen diese großen Probleme nicht ständig präsent haben." Verdrängen statt anpacken. Sehr menschlich, meint Melanie Weber.

Kopf in den Sand!

"Die Wahrnehmung von Naturkatastrophen für die Zukunft ist so schrecklich, dass man das ein Stück weit verdrängt, man mag sich das gar nicht vorstellen, was alles wirklich passieren kann." Das sei zwar nachvollziehbar, aber bringe auf Dauer natürlich nichts. Melanie Weber denkt, dass es unter anderem wichtig wäre, wieder ein Wir-Gefühl zu entdecken. Dass es mehr Projekte und Organisationen auf kleineren Ebenen wie in der eigenen Nachbarschaft oder im Stadtteil geben müsse, denen man sich anschließen könne - um so zu entdecken, dass man mit seinen Aktionen gegen den Klimawandel nicht alleine da stehe und gemeinsam etwas erreichen können.

Schild versinkt im Sand (Foto: dpa)
Verführerischer Sand...Bild: dpa/pa

Außerdem sind die Szenarien der Wissenschaftler zwar düster, aber noch relativ weit weg. Landwirte oder Weinbauern in Deutschland merken zwar schon einiges vom Klimawandel, aber den einzelnen Deutschen betrifft es noch nicht genug. Es gebe sogar unterschwellig bei vielen das Gefühl, es sei doch gar nicht so schlecht, wenn es in Deutschland etwas wärmer wäre, denn dann könne man vielleicht auch in Mecklenburg-Vorpommern Urlaub unter Palmen machen, sagt Udo Kuckartz. "Man weiß, es gibt beim Klimawandel Gewinner und Verlierer, aber man hat nicht das Gefühl, das ist das brisante Problem, was die Existenz meines Landes bedroht, sondern denkt, es betrifft vor allem die Entwicklungsländer."

Komm näher, Klimawandel!

Melanie Weber ist nach ihrer Promotion Fatalistin geworden, sagt sie. "Meine Untersuchung und andere katastrophensoziologische Studien zeigen, dass die Menschen leider auf Dinge, die in der Natur passieren und Rückwirkungen auf die Bevölkerung haben, erst dann reagieren, wenn sie auch real fassbar sind. Erst dann, wenn der Klimawandel noch mehr vor der Haustür steht, als es das ohnehin schon tut, wird sich auch im Handeln was bewegen."

Autorin: Marlis Schaum

Redaktion: Ulrike Wolpers