1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

"Die fünfte Energiewende von Merkel"

Gero Rueter16. Dezember 2013

Im Koalitionsvertrag wurde eine Drosselung der Energiewende vereinbart. SPD-Fraktionsvize Ulrich Kelber macht die Bundeskanzlerin persönlich für die neue Wende verantwortlich und sagt Kampf in der Koalition voraus.

https://p.dw.com/p/1ARYU
Ulrich Kelber, MdB, Stellvertretender Fraktionsvorsitzender SPD (Foto: imago/Metodi Popow).
Bild: imago

Im Koalitionsvertrag wurde ein Abbremsen der Energiewende vereinbart. SPD-Fraktionsvize Ulrich Kelber macht die Bundeskanzlerin persönlich für diese neue Wende verantwortlich und prognostiziert Kampf in der Koalition.

Deutsche Welle: Herr Kelber, Sie sind Energieexperte der SPD, wollen eine schnelle Energiewende und sagen, dass schon in den 2030er Jahren in Deutschland der Strom zu 100% erneuerbar sein kann. Jetzt wurde aber im Koalitionsvertrag ein Abbremsen beim Ausbau der erneuerbaren Energien vereinbart. Wie zufrieden sind Sie?

Ulrich Kelber: Es gibt kein Zurück zur Atomenergie und fossilen Stromerzeugung. Es geht weiter mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien. Und selbst nach den Zahlen, die wir mit der CDU/CSU vereinbaren konnten, werden die Erneuerbaren die Hauptsäule der Energieversorgung schon in Kürze sein. Trotzdem kann ich mit dem Energiekapitel nicht zufrieden sein.

Welche Position nahm die Bundeskanzlerin bei den Verhandlungen zur Energiewende ein?

Die Bundeskanzlerin persönlich schritt hier ganz stark ein und machte deutlich, dass sie eine Veränderung ihrer eigenen Politik will. Das hatte ich so vorher nicht erwartet. Leider war die Energiewende und die Verlangsamung des Ausbaus der Erneuerbaren gegenüber dem sehr schnellen Boom in den letzten vier, fünf Jahren einen politischer Skalp oder eine nicht verhandelbare Position - die Merkel auch haben wollte.

Wie sehen Sie diesen Kursschwenk von der Bundeskanzlerin?

Von Angela Merkel ist das nun die fünfte Energiewende. Als Umweltministerin hat sie sich über die erneuerbaren Energien lächerlich gemacht, dann war sie die Klimakanzlerin, dann war sie auf einmal Madame für die Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken, dann war Sie die Kanzlerin des erneuten Atomausstiegs und jetzt versucht sie den Zubau der Erneuerbaren zu stoppen. Als politische Entscheidungsträgerin verändert sie im Schnitt alle drei Jahre die Rahmenbedingungen. Für Investoren ist das nicht gut.

Ist das vereinbarte Abbremsen der Energiewende jetzt definitiv?

Es ist schon eine schwierige Kombination. Die verbindliche Begrenzung des Ausbauziels war der ganz klare Punkt von Angela Merkel. Hier blieb sie hart und war nicht bereit sich zu bewegen.

Wir haben es aber auch im Koalitionsvertrag vereinbart, dass der Prozess beobachtet wird und dass es Möglichkeiten zur Korrektur gibt. Und wenn vor allem die Windenergie an Land in Gefahr gerät und zu stark beschränkt wird, dann muss es dort Korrekturen geben. Dies werden wir auch mit den Bundesländern nach der Osterpause sehr ausführlich besprechen müssen.

Wie geht die Energiewende weiter?

Zwischen den Koalitionspartnern gibt es Unterschiede. Die bleiben auch trotz des Koalitionsvertrags bestehen. Die Koalitionsvereinbarung war keine Fusion! Der Kampf um eine Energiewende wird auch in den vier Jahren weitergehen.

Dabei wird dann innerhalb der Koalition und auch in den Parteien hart um konkrete Entscheidungen gerungen werden. Auch um Dinge, die in diesem Koalitionsvertrag noch gar nicht stehen und noch dringend geregelt werden müssen. Zum Beispiel ein neues Umlagesystem zur Förderung der erneuerbaren Energien (EEG). Ich habe allerdings das Gefühl, dass die Zahl derjenigen, die klar auf Erneuerbare und Energiewende setzt, in allen Parteien steigt.

Der Abbau der alten Atomkraftwerke und die Entsorgung zusammen mit dem Atommüll kostet Milliarden, für die es bei den Energiekonzernen Rückstellungen gibt. Bei den Koalitionsverhandlungen wurde nun vorgeschlagen, diese in einen öffentlich-rechtlichen Fonds zu überführen. Damit soll verhindert werden, dass das Geld bei einer Insolvenz verloren geht. Warum steht aber im Koalitionsvertrag dazu keine einzige Zeile?

Es ist schade, dass es nicht drin steht. Wir hatten als SPD darauf gedrängt. Heute müssen die Konzerne die gebildeten Rücklagen ausweisen. Wir hätten gerne die Sicherung der Rücklagen deutlich erhöht. In der derzeit miserablen Lage einiger Konzerne war es einigen Teilnehmern der Gespräche allerdings zu unsicher, eine Lösung zu finden.

Eine sofortige starke Korrektur in den Bilanzen könnte gefährlich sein, zu deutlichen Börsenausschlägen führen und damit eventuell eine Insolvenz oder eine große Krise herbeiführen, bis hin zu einer Übernahme von anderen Firmen. Deswegen gab es keine Zeilen im Koalitionsvertrag. Das Thema ist aber für uns damit nicht aufgehoben. Die Sicherung der 30 Milliarden Euro für den Rückbau der Atomkraftwerke bleibt ein Thema in den nächsten vier Jahren.

Man hatte Angst vor einem Zusammenbruch?

Man hatte Angst, dass man die Auswirkungen von solch einer kurzfristigen Festlegung nicht genügend überblickt.

Ulrich Kelber ist seit Dezember 2013 Parlamentarischer Staatssekretär für Verbraucherschutz im Justizministerium in der neuen, großen Koalition. Zwischen 2005 - 2013 war der Energieexperte stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion. In den Koalitionsverhandlungen war er in der Arbeitsgruppe Verbraucherschutz.

Das Interview führte Gero Rueter.