Kenia: An die Türen der Behörden klopfen | Regionen | DW | 18.05.2016
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Regionen

Kenia: An die Türen der Behörden klopfen

Philemon Emongonyang gibt nicht auf. Seit einer Woche versucht der Radiojournalist an Haushaltspläne des Bezirks Kisumu zu kommen. Sein Fall zeigt die Schwierigkeiten über Kenias Regierungsführung zu berichten.

In der kenianischen Verwaltung treffen die Journalisten auf leere Büros und Abwesenheitsnotizen (Foto: Ulli Schauen)

Bei Anfragen nach dem Haushaltsplan finden die Journalisten nur eine Abwesenheitsnotizen

30 Euro für die Druckkosten hat Philemon Emongonyang vorgestreckt. Doch nicht nur das viele Geld ärgert ihn. Der 43-jährige Radiomoderator von KBC, dem staatlichen TV- und Radiosender Kenias, ist seit einer Woche in der Verwaltung des kenianischen Bezirks Kisumu unterwegs, um Dokumente zur jährlichen Budgetplanung des Bezirks zu bekommen. Behördenmitarbeiter hatten Emongonyang versprochen ihm bei Erstattung des Unkostenbeitrags von 30 Euro Druckkosten des aktuellen Budgetplans auszuhändigen. Emongonyang braucht die Dokumente für einen Radiobeitrag über die Vergabe von Staatsaufträgen. Als Emongonyang nach mehreren Behördenbesuchen die Dokumente endlich abholen will, wird er erneut vertröstet.

Eigentlich ist der Zugang zur Informationen in 35 Artikel der kenianischen Verfassung geregelt. Theoretisch. In der Praxis gibt es in der öffentlichen Verwaltung Kenias viele Menschen, die kein Interesse daran haben, Informationen mit der Öffentlichkeit zu teilen. Nepotismus, die undurchsichtige Vergabe von Staatsaufträgen, Bestechung sind in Kenia an der Tagesordnung. In 2015 warnte eine Weltbank-Studie über Kenias Wirtschaftsaktivitäten, dass die Korruption die Entfaltung von Kenias großem wirtschaftlichen Potential unterdrücke.

Jeder ist gegen Korruption, aber...

Kenia Verwaltung Büros im Bezirk Kisumu (Foto: Ulli Schauen)

Leere Büros in der Verwaltung des Bezirks Kisumu

Dabei scheint es aufwärts zu gehen. Kenia war das erste Land, das am 9. Dezember 2003 das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption (UNCAC) unterschrieben hat, welches ein weltweit anwendbares Regelwerk gegen Korruption schafft. Im März 2016 fand der zweite UNCAC Überprüfungs-Workshop zu Kenia statt. Die in den letzten Jahren erlassenen Anti-Korruptionsgesetze sind geradezu vorbildlich, lobte die zuständige UN-Organisation in einem Länderbericht. Aber es hapere doch sehr an der Umsetzung. Das zeigt auch Emongonyangs Erfahrung.

Doch wie Emongonyangs Beispiel zeigt, hapert es noch bei der Anwendung der Gesetze. "In Kenia herrscht eine gewisse Bigotterie im Umgang mit dem Thema Korruption", so Ulli Schauen, Journalist und Trainer der DW Akademie in Kenia. "Jeder ist gegen Korruption. Aber sobald ein Familienmitglied einen guten Posten beim Staat kriegt, wird erwartet, dass er mehr als das offizielle Einkommen verdient." Dabei habe Kenia großes soziales und ökonomisches Potenzial, welches sich entfalten könne, wenn der Staat effizienter arbeite und nicht so viel Geld in den falschen Kanälen versickere.

"This is Kenia" (Das ist Kenia) - den Satz hört man bei den entmutigten Kenianern immer wieder. Als ob man an der grassierenden Korruption nichts ändern könne. Verstärkt wird dieser Eindruck durch Berichterstattung in den Medien. Korruption wird angeklagt, doch fokussieren sich die Medien mehr auf die darauffolgenden politischen Querelen, anstatt auf die Ursache oder die Möglichkeiten, Korruption zu verhindern. "Die Korruptionsgesetze sind sehr gut, deswegen braucht es eine regelmäßige Berichterstattung über die Details von Einzelfällen - aber auch jedes Beispiel, wenn die Exektive gut funktioniert", so Schauen, "Routineberichte über Regierungsführung - ob nun positiv oder negativ."

Jagd nach dem Budgetplan

Emongonyangs Jagd auf den Haushaltsplan hat Anfang Mai 2016 im Workshop der DW Akademie begonnen. Eigentlich war geplant, dass die neun teilnehmenden Radiomacher die Haushaltspläne von Kisumu analysieren und daraus Radiobeiträge entwickeln.

Eigentlich wollten die Teilnehmer des DW Akademie Workshops die Budgetplannungen analysieren (Foto: Ulli Schauen)

Eigentlich wollten die Teilnehmer Radiobeiträge über die Haushaltspläne machen

Am 1. Juli beginnt in ganz Kenia ein neues Haushaltsjahr, seit 30. April sollten die offiziellen Budgetvorschläge eigentlich öffentlich zugänglich sein. Letztendlich verbrachte ein Teil der Teilnehmer an drei Tagen jedoch um die acht Stunden in diversen Büros der Verwaltung, um Dokumente zu dem neuen Haushaltsplan anzufordern. "Wir waren so enttäuscht!", berichtet Emongonyang. "Wenn nicht einmal wir Journalisten diese Dokumente bekommen, wie soll denn ein normaler Bürger Zugang zu den Informationen über die Verwendung der Staatsgelder erhalten?"

"Wir sind das Auge der Bevölkerung"

Schließlich gelang es ihnen ein Dokument aufzutreiben. Es zeigt, dass im Bezirk Kisumu ein Drittel des Etats vom Straßenbau auf die Abteilung "Erziehung, Jugend und Sport" umgeschichtet wird. Wurden alle Straßen schon gebaut? Oder gibt es da eventuell politisches Kalkül im Zusammenhang zu den Wahlen 2017? Denn im erhöhten Etatposten verbergen sich auch Programme, bei denen einzelne Lokalpolitiker sich als Wohltäter profilieren können. Bei nur einem Dokument taten sich bereits sehr viele Fragen auf, die in dem Workshop zu Radio-Beiträgen zum Thema Good Governance verarbeitet wurden.

Emongonyang reichte das eine Dokument nicht. Er ging weiter zur Bezirksverwaltung und fragte nach den kompletten Budgets und den jährlich erscheinenden Entwicklungsplänen. Am Donnerstag den 12. Mai, eine Woche nach dem Workshop, hat er endlich einen Teil der angeforderten Dokumente erhalten. Er will jetzt daraus einen Radiobeitrag über die Vergabe von Staatsaufträgen an bestimmte Unternehmen machen. Als nächsten Schritt wird er die ganze Prozedur noch einmal in seinem Bezirk Busia durchführen. "Mal gucken, ob es mit den Behörden dort genauso mühselig wird", sagt Emongonyang, "Aber das ist unsere Aufgabe. Als Journalisten sind wir das Auge der Bevölkerung."

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