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Mehr als nur Fußball

8. Juni 2011

Tunaweza - wir können es schaffen! Unter diesem Motto starten die Mädchen nicht nur in ihr Fußballspiel, sondern auch in ihr Leben. Im männerdominierten Kenia haben sie es nicht leicht, aber sie erobern "ihr Spielfeld".

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Mädchen in Trikots auf einem staubigen Platz (Foto: DW)
Ist Fußball wirklich ein Männersport?Bild: DW

44 bloße Mädchenfüße rennen über einen staubigen Platz. Dass es sich dabei um ein Fußballfeld handelt, erkennt man nur an den zwei Toren. Rasen, Markierungen oder Spielfeldbegrenzungen gibt es nicht, stattdessen rotbraune trockene Erde, wenige Grasbüschel - und einen Ball. Doch die Mädchen stört das nicht. Sie sind mit Eifer bei der Sache. Was hier ein vertrauter Anblick ist, ist in Kenia ansonsten selten zu sehen. Fußball ist in dem afrikanischen Land ein Männersport.

Tore schießen für mehr Selbstbewusstsein

Margaret Belewa (Foto: DW)
Margaret Belewa setzt sich für die Gleichberechtigung einBild: DW

Es ist einer Frau zu verdanken, dass in der Region Kilifi im Osten Kenias trotzdem rund 3000 Mädchen Fußball spielen. Margaret Belewa will den Mädchen zeigen, dass sie alles tun können, was auch Männer tun: Lehrerin oder Bürgermeisterin werden, unabhängig sein - und Tore schießen. "Mit Fußball können wir viele Mädchen überall erreichen. Wir nutzen den Sport, um sie zu motivieren, aus ihrem Leben etwas zu machen", sagt die Programm-Managerin des Projekts "Moving The Goalposts" (MTG) - auf Deutsch: die Torpfosten verschieben.

Mädchen stehen in Kenia oft erst an zweiter Stelle: Nur 20 Prozent von ihnen besuchen eine weiterführende Schule. Deshalb ist Margaret Belewa überzeugt, dass die Mädchen in Kilifi ihre Unterstützung brauchen. Sie ist selbst in dieser Region aufgewachsen, in der das Leben nicht einfach ist. Wasser ist knapp, viele Familien haben nicht genügend zu essen. Oft müssen die Kinder auf den Feldern helfen, obwohl in Kenia Schulpflicht besteht. Aber weiterführende Schulen verlangen Gebühren, die viele Eltern nicht aufbringen können. Und wenn sie das nötige Geld haben, werden vor allem die Jungen hingeschickt.

Aufklärung am Spielfeldrand

Aufklärungsmaterialien liegen neben einem Fußball (Foto: DW)
Ein wichtiges Ziel: Weniger Teenager-SchwangerschaftenBild: DW

Dass MTG Erfolg hat, beweist Lydia. Vor einigen Jahren rannte sie noch selbst hinter dem Ball her - heute geht sie aufs College und arbeitet als Projektkoordinatorin für MTG. "Ich bin wirklich glücklich mit der Organisation. Wenn es sie nicht gäbe, stünde ich heute anders da, vielleicht wäre ich schon verheiratet und hätte viele Kinder. Aber jetzt habe ich eine gute Ausbildung", sagt die junge Frau. Denn bei MTG lernen die Mädchen mehr, als zu dribbeln, zu passen und Tore zu schießen.

Sie lernen, Entscheidungen zu treffen, erhalten finanzielle Unterstützung, wenn das Geld nicht für den Schulbesuch reicht und sie bekommen Aufklärungsunterricht. "Mädchen, die noch zur Schule gehen, werden häufig schwanger. Und Mädchen zwischen 14 und 25 werden doppelt so oft mit HIV infiziert wie Jungen im gleichen Alter", sagt Lydia. Darum erfahren die Mädchen am Spielfeldrand, vor und nach dem Spiel, alles über Menstruation und Verhütung.

Auf nach Südafrika

In einer von Männern dominierten Welt ist es eine Herausforderung für "Moving The Goalposts", das Selbstbild der Mädchen zu ändern. "Wir können ihnen zwar sagen, dass sie eine Führungsposition übernehmen können, aber es ist nicht einfach für die Mädchen, diese Einstellung zu übernehmen. Denn sie haben gelernt, dass sie nicht dafür bestimmt sind", erklärt Lilian Mbeyu. Auch sie hat als kleines Mädchen bei MTG angefangen und ist heute eine selbstbewusste junge Frau.

Ein Tor aus drei Holzlatten (Foto: DW)
Zwei Pfosten, eine Latte - mehr brauchen die Mädchen nichtBild: DW

Inzwischen wird die Arbeit von MTG international anerkannt. Im Juli 2010 ist ein Team der Organisation zum "Football for Hope"-Festival in Südafrika geflogen. Die FIFA, der Weltfußballverband, hat dieses Festival im Rahmen der Fußball-WM organisiert. Neben vier Mädchen waren auch vier Jungen im Team, denn dort durften nur gemischte Teams antreten. Eines der Mädchen ist Sarah Kitsao. MTG bietet der Schülerin mehr als die Chance, nach Südafrika zu fliegen. "Sie unterstützen mich in meiner Ausbildung. Und wenn meine Eltern die Schulgebühren nicht zahlen können, hilft die Organisation schon mal weiter."

Großes Ziel: die Gesellschaft verändern

Beim Festival in Südafrika hat es nicht für eine Medaille gereicht, aber Sarah hat sowieso andere Pläne für ihre Zukunft: Sie will die Schule abschließen und dann als Journalistin arbeiten, am liebsten fürs Fernsehen. Sie will das weitergeben, was sie bei "Moving The Goalposts" gelernt hat. Denn es gebe immer noch viele Kenianer, die nicht verstanden hätten, dass Frauen und Männer gleich seien, sagt Sarah.

Als die Organisation "Moving The Goalposts" 2001 mit ihrer Arbeit begann, gab es 120 Mädchen in Kilifi, die Fußball spielten. Heute sind es 3000, die auf 27 Fußballfeldern in der Region Tore schießen und aufgeklärt werden. Doch für Margaret Belewa ist das noch nicht genug. "Wir tragen zu einer Veränderung in Kenia bei. Momentan arbeiten wir nur in einer kleinen Ecke der Welt, dort, wo wir denken, es sei am nötigsten. Aber irgendwann einmal wird sich unser Einfluss ausbreiten. Ich wünsche mir eine Präsidentin aus Kilifi, eines unserer Mädchen - dann werden wir feiern."

Autorin: Julia Kuckelkorn
Redaktion: Beatrix Beuthner