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IStGH ein zahnloser Tiger?

Andrea Schmidt5. Dezember 2014

Der historische Prozess gegen den ersten amtierenden Staatschef vor dem Internationalen Strafgerichtshof Haag ist geplatzt. Um richtig arbeiten zu können, braucht das Gericht mehr Befugnisse, meint Andrea Schmidt.

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Uhuru Kenyatta Kenia Präsident
Bild: Reuters/Peter Dejong

Es ist ein herber Rückschlag für den internationalen Gerichtshof und für die Gerechtigkeit in der Welt. Der Gerichtshof war geschaffen worden, um die Straflosigkeit bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu beenden. 122 Staaten haben das Römische Statut ratifiziert, Kenia hatte es am 15. März 2005 unterschrieben. An diesem Statut, das dem IStGH zugrunde liegt, haben viele afrikanische zivilgesellschaftliche Organisationen mitgewirkt, weil sie nicht länger hinnehmen wollten, dass Menschenrechtsvergehen in ihren Ländern nicht geahndet wurden

Das Verfahren stand von Anfang an unter keinem guten Stern. Bereits bei der Prüfung zur Aufnahme des Verfahrens waren sich die Richter uneinig. So stimmte schon früh der mittlerweile verstorbene deutsche Richter Hans-Peter Kaul gegen ein Verfahren in Den Haag, weil seiner Meinung nach die Verbrechen vor einem kenianischem Gericht abzuurteilen seien. Über 1000 Menschen kamen nach bei den Wahlunruhen Anfang 2008 um Leben, Hunderttausende wurden vertrieben. Aber schon die mühseligen Recherchen von Bensoudas Vorgänger Moreno Ocampo wurden in Kenia massiv behindert. Mit der Zeit sprangen immer mehr Zeugen ab, waren plötzlich nicht mehr glaubwürdig oder verschwanden spurlos. Wichtige Dokumente wurden nicht oder nur bruchstückhaft herausgegeben.

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Andrea Schmidt leitet die Kisuaheli-Redaktion der Deutschen WelleBild: DW

Im Laufe des vergangenen Jahres war der Prozessbeginn bereits mehrfach verschoben worden. Die Anklage lautet indirekte Mittäterschaft an Mord, Vertreibung und Verfolgung durch finanzielle Unterstützung der Täter. Die Forderungen der Chefanklägerin Bensouda, seine finanziellen Transaktionen offen zu legen, lehnte Kenyatta ab, obwohl er zuvor immer beteuert hatte, mit dem Strafgerichtshof zu kooperieren.

Für Kenyatta galt wie für alle Angeklagten zunächst die Unschuldsvermutung. Doch für Menschenrechtsgruppen, für die Opfer und die Hinterbliebenen in Kenia ist es ein fatales Zeichen, dass der Prozess nur aus Mangel an Beweisen scheitert. Sie hatten die legitime Erwartung, dass das Gericht die Wahrheit ans Licht bringt und alles in seiner Macht Stehende unternimmt, um Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu ahnden.

Die Bilanz der bisherigen Verfahren des IStGH ist dürftig. Lediglich drei Urteile - zwei Schuldsprüche und ein Freispruch - haben die Richter bisher gefällt. Ist der Strafgerichtshof ein zahnloser Tiger? Das darf nicht sein! Dafür müssen dringend einige Geburtsfehler behoben und der IStGH besser ausgestattet werden - finanziell aber auch strukturell. Bisher ist der Gerichtshof völlig auf die Kooperation der betroffenen Staaten angewiesen. Das muss sich ändern. Das Gericht benötigt eine eigene Polizei, die eigenständig ermitteln und mutmaßliche Täter auch verhaften kann. Immunität von Staatsoberhäuptern muss ausgeschlossen bleiben. Die Ermittler müssen zudem genügend finanzielle Mittel bekommen, um einen effektiven Zeugenschutz sicherzustellen. Sie müssen ohne Einschränkung vor Ort recherchieren können. Und sie müssen schneller, sorgfältiger und effizienter werden.

Es gibt keine Alternative zum Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Straflosigkeit von Kriegsverbrechen, Völkermord sowie Hetze und Anstiftung dazu muss ein Ende haben. Opfer und ihre Familien müssen die Gewähr haben, dass das Weltgericht unabhängige, faire Verfahren garantiert und Täter - egal welchen Rang sie bekleiden - zur Verantwortung gezogen werden.