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Die wankende Waffenallianz

Galina Petrowskaja / Markian Ostaptschuk8. Mai 2014

Die russisch-ukrainischen Beziehungen sind auf dem Tiefpunkt, inzwischen stockt auch die bislang enge Zusammenarbeit im Rüstungsbereich. Dabei sind beide Seiten eigentlich darauf angewiesen.

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Militärhubschrauber über Moskau (Foto: ITAR-TASS / Maxim Shemetov)
Bild: picture-alliance/ITAR-TASS

Vor dem Hintergrund der russisch-ukrainischen Spannungen wird in Kiew die militärisch-industrielle Zusammenarbeit mit Moskau zunehmend in Frage gestellt. Der staatliche ukrainische Rüstungskonzern "Ukroboronprom" hatte bereits unmittelbar nach der Annexion der Krim alle Lieferungen von Militärgütern an Russland gestoppt.

In der Sowjetzeit befand sich ein Drittel aller Unternehmen der Verteidigungsindustrie der UdSSR im Südosten der Ukraine. Seit dem Zerfall der Sowjetunion im Jahr 1991 sind die Kapazitäten der ukrainischen Rüstungsproduzenten zwar massiv gesunken, doch das Land konnte sein wissenschaftliches und menschliches Potenzial bis heute erhalten.

Nach Angaben des ukrainischen "Forschungszentrums für Armee, Konversion und Abrüstung" verdanken gegenwärtig 130 Unternehmen des Konzerns "Ukroboronprom" sowie eine Reihe privater Rüstungsunternehmen ihre Existenz allein dem Export. Mehr als 45 Prozent der Militärgüter gehen nach Asien, 30 Prozent der Lieferungen entfallen auf die GUS-Länder. Die ukrainischen Exporte nach Russland beliefen sich im Jahr 2013 auf 1,2 Milliarden Dollar - das ist ein Drittel des Gesamtumsatzes.

Bedeutung ukrainischer Unternehmen

Serhij Sgurez, Militärexperte, Leiter der Beratungsfirma Defence Express (Foto: Serhij Sgurez)
Serhij Sgurez: Russland braucht bei der Wartung seiner Atomraketen ukrainische ExpertenBild: Defence Express

"Die russisch-ukrainischen Verbindungen im militärisch-industriellen Bereich sind in den vergangenen zwei Jahrzehnten eng geblieben", sagte der Direktor des Kiewer Informations- und Beratungsunternehmen "Defence Express", Serhij Sgurez, der Deutschen Welle. Für die russische Rüstungsindustrie sei die Zusammenarbeit mit der Ukraine bei der Zulieferung von Flugzeugmotoren aus Saporischja der Firma "Motor Sich" wichtig. Ferner hätten Turbinen des Unternehmens "Zorya Mashproekt" aus dem südukrainischen Mykolajiw für russische Seeschiffe große Bedeutung.

Besonders wichtig sei, so Sgurez, die Wartung der russischen Atomraketen durch ukrainische Experten. Sie würden vom Dnipropetrowsker Konstruktionsbüro "Yuzhnoe", dem staatlichen ukrainischen Entwickler von Raketen, sowie dem Hersteller von Raketen, Satelliten und Raumfahrzeugen "Yuzhmash" gestellt, der einst die ersten sowjetischen Raketen produzierte. "Die Ukraine verfügt über exklusive Unterlagen zu etwa einem Drittel aller Raketen, die in Russland im Dienst stehen. Außerdem wird Russland nicht so schnell eigenes Wartungspersonal ausbilden können", sagte Sgurez.

Gegenseitige Abhängigkeiten

Sehr schmerzhaft für Russland wäre, wenn die Ukrainer nicht mehr die Interkontinentalraketen vom Typ RS- 20, die im Westen auch unter der Bezeichnung "Satan" bekannt sind, betreuen würden, sagte der russische Militärexperte Alexander Goltz der DW. Er unterstrich, die ukrainische Militärindustrie verfüge über Technologien, auf die Russland derzeit angewiesen sei.

Etwa 400 Unternehmen - also mehr als ein Drittel - der russischen Rüstungsindustrie kooperieren mit der Ukraine. Würden diese Verbindungen getrennt, so Goltz, würde dies das staatliche russische Rüstungsprogramm gefährden. Mit dem Programm, das bis zum Jahr 2020 umgesetzt werden soll, will Moskau seine gesamten Streitkräfte modernisieren. Um von der Ukraine unabhängig zu werden, müsse Russland eigene Unternehmen aufbauen. Aber das erfordere viel Geld und Zeit.

Portrait von Alexander Goltz (Foto: DW)
Alexander Goltz: Russland und die Ukraine sind bei Zulieferteilen aufeinander angewiesenBild: DW

Doch Goltz betont, "die militärisch-industrielle Kooperation ist für beide Seiten von Vorteil". Eine Abkehr von der Zusammenarbeit mit Russland würde sich auch negativ auf die ukrainische Rüstungsindustrie auswirken und Tausende Arbeitsplätze im Südosten des Landes bedrohen. "Für Kiew sind die Waffenexporte eine der wenigen regelmäßigen Einnahmequellen", sagte er der DW. Goltz zufolge sind auch die ukrainischen Rüstungsproduzenten auf viele russische Zulieferteile angewiesen.

Modernisierung mit europäischer Hilfe?

Einen völligen Stopp der militärisch-industriellen Kooperation zwischen Kiew und Moskau schließt der ukrainische Militärexperte Serhij Sgurez aus, nicht zuletzt, weil das bilaterale Regierungsabkommen über die Zusammenarbeit zwischen den Unternehmen der Verteidigungsindustrie bislang nicht aufgekündigt worden sei. Sgurez geht deshalb davon aus, dass beispielsweise das private ukrainische Unternehmen "Motor Sich" wie geplant in diesem Jahr 400 Triebwerke für Hubschrauber an Russland liefern wird.

Zugleich glaubt Sgurez aber, dass sich die Zusammenarbeit der Ukraine mit Russland immer schwieriger gestalten wird. Gute Aussichten bestünden hingegen für die ukrainische Militärindustrie in einer Kooperation mit Unternehmen aus der EU. "Europäische Hersteller sind daran interessiert, in den ukrainischen Markt einzutreten. Wir haben selbst einen Modernisierungsbedarf. 70 bis 90 Prozent der militärischen Bestände müssen abgeschrieben werden, so wie in Russland auch", sagte der Experte. Mit europäischer Technologie könnte die ukrainische Verteidigungsindustrie modernisiert werden.