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Suchtverband: Kiffen und Koksen bald straffrei?

Peter Kolakowski19. November 2012

Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen will, dass der Konsum illegaler Drogen nicht mehr ohne Weiteres bestraft wird. Prävention statt Kriminalitätsbekämpfung ist das Hauptthema auf dem Jahreskongress in Leipzig.

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A marijuana plant is seen growing at Med Grow Cannabis College in Southfield, Mich., Tuesday, Dec. 14, 2010. Michigan's two-year-old law allowing the use of marijuana for medical purposes is leaving communities, courts, patients and police locked in disputes over what is legal and what isn?t. (ddp images/AP Photo/Carlos Osorio)
Cannabispflanze in den USABild: dapd

Die Statistik der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) liefert für 2012 alarmierende Zahlen: Ein Viertel der über 15-Jährigen in Deutschland raucht, fast 6 Millionen Menschen sind – vorsichtig geschätzt – nikotinabhängig. Etwa 1,7 Millionen Menschen sind alkoholsüchtig. Die Folgen für die Gesundheit der Konsumenten sind fatal, die Kosten für die Krankenkassen gehen jedes Jahr in die Milliarden.

Der Verkauf und der Konsum von Alkohol und Tabak ist dabei ganz legal. Doch soll auch die Benutzung von illegalen Drogen wie Cannabis oder Heroin nicht mehr unter Strafe stehen? Die DHS als Dachverband aller führenden Suchtverbände in Deutschland will in Leipzig die Diskussion darüber anstoßen.

Strafen führen nicht zur Einsicht

Erfreulich sei zwar, dass in Deutschland Erwachsene immer weniger rauchen und trinken. Dafür griffen aber mehr Jugendliche zur Zigarette oder Flasche, erklärt Suchtexpertin Gabriele Bartsch von der DHS. "In Deutschland gibt es jährlich 73.000 Todesfälle, die durch Alkohol und Tabakkonsum verursacht werden. Das entspricht von der Größenordnung her einer Stadt wie Brandenburg, die jedes Jahr ausgelöscht wird“.

Alkohol zählt weltweit zu den am weitesten verbreiteten, legalen Drogen. Copyright: Trokkenpresse.
1,7 Millionen Deutsche sind alkoholsüchtigBild: Trokkenpresse

Aber auch der Konsum von Cannabis und anderer Drogen bereitet Suchtexperten Sorge. Cannabis und andere Suchtstoffe, zum Beispiel Heroin und Kokain, fallen unter das Betäubungsmittelgesetz. Das regelt Anbau, Handel und Konsum dieser gefährlichen Drogen und sieht harte Strafen bei Missachtung vor.

Die DHS allerdings hat Zweifel, ob das Gesetz tatsächlich hilft. "Keine suchtpolitische Maßnahme ist derzeit so umstritten wie die Repression“, resümiert der Geschäftsführer der DHS, Raphael Gassmann und zitiert die europäische Drogenbeobachtungsstelle. Diese konnte in den letzten zehn Jahren keinen Zusammenhang zwischen Strafen und einem Rückgang des Konsums feststellen. Eine liberalere Gesetzgebung wie zum Beispiel in Portugal oder in der Tschechischen Republik habe nicht zu einem Anstieg des Konsums geführt. Andererseits sei in den Ländern, in denen härtere Gesetze gelten, der Konsum nicht gefallen, konstatiert Gassmann.

Bei der DHS besteht Einigkeit darüber, dass die gesundheitlichen und sozialen Schädigungen aufgrund von illegalem Drogenkonsum reduziert werden müssen. Ob das allerdings durch Drogenverbote und die Kriminalisierung von Konsumenten erreicht werden kann, werde von Experten national wie international zunehmend in Zweifel gezogen, erklärt die DHS. Geschäftsführer Gassmann verweist hier auf das Beispiel USA, in denen der Konsum von Cannabis mitunter sehr hart verfolgt und bestraft wird, dadurch aber nicht gesunken sei. "In den USA herrscht eine der drastischsten Verfolgung des Cannabis-Konsums, es gibt asiatische Länder, die sind da noch extremer, aber in einigen Bundesstaaten der USA kann man für wenige Gramm Cannabis Jahrzehnte im Gefängnis sein. In den USA gibt es aber weltweit den weitestverbreiteten Cannabis-Konsum überhaupt mit viel höheren Konsumentenraten als in den meisten anderen Ländern.“

Strafen verschärfen mitunter die Sucht

Gesicherte Zahlen, dass Strafgesetze den Konsum illegaler Drogen nachhaltig gesenkt haben, gebe es nicht, räumen die Suchtexperten ein. Mehr noch: Verbote und Strafen führten nicht unbedingt dazu, dass Konsumenten vom Gebrauch abgehalten werden. Häufig, so die DHS, würden auch Verbote eine Wiedereingliederung vorbestrafter Drogenkonsumenten erschweren und Drogensucht und Kriminalität sogar fördern. Die DHS verweist auf das Modell der sogenannten „Drückerräume“, das erstmal in der Schweiz erprobt wurde und sich auch in Deutschland erfolgreich etabliert hat. In diesen öffentlich finanzierten Räumen können sich Heroinabhängige unter Aufsicht von Ärzten die Droge spritzen.

Aufklärungsplakat Quit the shit - http://www.bzga.de/presse/pressemotive/illegale-drogen/. Staatliche Werbung gegen Cannabiskonsum. Copyright geklärt durch Peter Kolakowski. Copyright: Bundeszentrale für gesundheitl. Aufklärung BZgA.
Ein Anti-Drogen Plakat der Bundeszentrale für gesundheitliche AufklärungBild: BZgA

Es hat sich gezeigt, dass dieser tolerierte Drogenkonsum ohne Strafandrohung den Abhängigen den Weg zu einer Therapie wesentlich erleichtert. Gleichzeitig ging die Beschaffungskriminalität der Konsumenten völlig zurück – sehr häufig begehen Schwerabhängige Diebstähle oder gehen der Prostitution nach, um ihre Sucht zu finanzieren. Die Betroffenen können leichter wieder in ein normales Leben ohne Drogen zurückkehren.

Prävention statt Sanktion

Die Kosten, die für die Durchsetzung von Verboten ausgegeben würden, überträfen bei Weitem die Ausgaben für vorbeugende, präventive Maßnahmen, kritisiert die DHS. Durch Prävention könnten viele Bevölkerungsschichten über den schädlichen Konsum illegaler Drogen aufgeklärt werden. Der Suchtverband fordert von den Gesundheitsbehörden, sich künftig schwerpunktmäßig auf vorbeugende Maßnahmen zu konzentrieren, mit denen der Drogenmissbrauch ungleich stärker eingedämmt werden könnte als durch Strafen. Damit würden dann auch nicht nur jene angesprochen werden, die schon Drogen konsumieren, sondern auch alle anderen, die keine Drogenerfahrung haben. Der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen setzt sich dafür ein, frühzeitig über die möglichen Folgeschäden des Konsums aufzuklären.