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Kinder müssen bleiben dürfen

18. November 2010

Vor der Konferenz der deutschen Länderinnenminister haben Politiker einen Abschiebestopp für hier aufgewachsene Flüchtlingskinder vorgeschlagen. Ein solcher Beschluss wäre dringend geboten, meint Daniel Scheschkewitz.

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Themenbild Kommentar (Grafik: DW)
Bild: DW

Über Tausenden von Kindern in Deutschland schwebt das Damoklesschwert der Behörden-Willkür. Die Zukunft der jungen Menschen hängt an einem seidenen Faden, weil sie von Abschiebung bedroht sind. Und das, obwohl sie hier aufgewachsen und zur Schule gegangen sind. Es sind Kinder, die Krieg oder Armut aus ihren Ursprungsländern vertrieben haben; Kinder vom Balkan, aber auch aus dem Irak oder Afghanistan, denen ihr Herkunftsland längst fremd geworden ist und die in Deutschland nicht nur Schutz, sondern auch eine neue Heimat gefunden haben. Es sind Kinder, die Deutsch meist wie ihre Muttersprache sprechen, die hier ihre Freunde und ihren Lebensmittelpunkt mitten unter uns haben.

Das Kindeswohl muss den Ausschlag geben

Daniel Scheschkewitz (Foto: DW)
Daniel ScheschkewitzBild: DW

Ihnen droht nun, was im hässlichen Amtsdeutsch "Rückführung von ausreisepflichtigen Personen" heißt. Die Kinder müssen Deutschland nach geltendem Recht mit ihren Eltern verlassen, wenn ihnen die zuständige Ausländerbehörde ihres Wohnortes eine neue Aufenthaltsgenehmigung versagt. Allein unter den Minderheiten der Roma-, Ashkali- und Kosovo-Ägypter könnten fast 12.000 Menschen von dieser Regelung betroffen sein - wenn sich die Innenminister nicht eines Besseren besinnen und mit einem gemeinsamen verfügten Abschiebestopp "Gnade vor Recht" ergehen lassen.

Dies wäre allein schon aus humanitären Gründen dringend geboten. Das Kindeswohl muss der ausschlaggebende Faktor bei der Entscheidung über den Aufenthaltstitel sein - so legt es Artikel 3 der UN-Kinderrechtskonvention fest. Viele Flüchtlingskinder haben aber derzeit keine Chance auf einen eigenständigen Aufenthaltstitel in Deutschland, auch wenn sie gut integriert sind. Vielmehr teilen sie meist zwangsläufig das Schicksal ihrer Eltern. Das Wohl und die Wünsche der Kinder werden nicht berücksichtigt.

Deutschland könnte ein Zeichen setzen

In den Köpfen der Politiker hat zuletzt ein Umdenken eingesetzt. Die Innenminister von Nordrhein-Westfalen, Hamburg und Bremen, Bundesländer in denen zahlreiche Flüchtlinge leben, praktizieren de facto schon jetzt einen Abschiebstopp. Die Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat vorgeschlagen, unverzüglich einen Gesetzesentwurf auszuarbeiten, in dem die Eckpunkte für ein eigenes Bleiberecht der Kinder festgelegt werden - vorausgesetzt von der Innenminister-Konferenz, die an diesem Donnerstag (18.11.2010) in Hamburg zusammentritt, geht ein entsprechendes Signal aus.

Gerade angesichts der verständlichen Empörung über die Abschiebepraxis gegenüber Romaflüchtlingen in Frankreich könnte Deutschland hier ein Zeichen setzen. Die Innenminister müssten den Ausländerbehörden vor Ort dazu einen sinnvollen und humanen Maßstab für deren Einzelfallentscheidungen an die Hand geben. Einen Maßstab, der das Kindeswohl in den Mittelpunkt stellt und Familien nicht zerreißt. Und der nicht von Schulnoten abhängen darf. Kinder, die gut Deutsch sprechen und die hier regelmäßig zur Schule gehen, verdienen unsere gesellschaftliche Fürsorge. Wer sich ehrlich bemüht hat, in Deutschland Fuß zu fassen, hat eine Chance verdient. Bis zur Volljährigkeit der Kinder muss das auch für die Eltern gelten - anders macht es keinen Sinn.

Autor: Daniel Scheschkewitz

Redaktion: Dеnnis Stutе