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Kino ohne Grenzen

Anna Maciol15. Juni 2012

Die Deutsch-Polnische Film-Kooperation blüht. Eines der vielen gemeinsamen Projekte wurde sogar für den Oscar nominiert. Unsere Reporterin hat sich in Polen umgeschaut.

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Szene aus dem Film "33 Szenen aus dem Leben" (2009) von M. Szumowska. (Foto: Realfiction Filme)
Bild: Realfiction Filme

Der Regisseur, die Schauspieler und der Kameramann kommen aus Polen. Die Hauptdarstellerin stammt aus Frankreich. Alle Innenaufnahmen wurden in Deutschland von einem deutschen Filmteam gedreht. So international gestaltete sich die Produktion des Films "Elles" der polnischen Filmregisseurin Malgorzata Szumowska. "Elles" wurde dem internationalen Publikum während der Berlinale 2012 präsentiert. Obwohl es sich um eine polnisch-deutsch-französische Koproduktion handelt, sind vor allem Polen und Deutschland für das Budget zuständig gewesen. Szumowska hatte zuvor bereits zwei weitere Koproduktionen gedreht: "Das Leben in mir" und "33 Szenen aus dem Leben" mit Julia Jentsch in der Hauptrolle. Ohne die Beteiligung der deutschen Koproduzenten hätte sie diese Filme nie machen können, so die Regisseurin.

Die "Ein-Land-Finanzierung" reicht oft nicht aus...

Die Zahl der Filmkoproduktionen ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. 2011 gilt als Erfolgsjahr, in dem sechs Filme produziert wurden. "Das europäische Publikum schaut sich europäische Filme an, weil es das amerikanische Kino satt hat. Deutschland ist unser Nachbarland. Es ist für uns ein attraktiver Markt. Wenn wir unsere Kräfte bündeln, können wir zusammen viel mehr erreichen“, erklärt Ewa Puszczyńska von der Produktionsfirma "Opus" das Phänomen der Filmkoproduktionen. Ihre Firma entwickelt derzeit drei neue Filmprojekte mit Deutschland. Robert Baliński aus dem Polnischen Film Institut (PISF) fügt hinzu, dass eine "Ein-Land-Finanzierung" oft nicht ausreicht, um eine Produktion zu realisieren. Die Koproduktionen werden im Rahmen des Deutsch-Polnischen Co-Development Fonds finanziert, der seit 2006 existiert.

Die Produzenten und Regisseure sind der Auffassung, dass der Schlüssel zu einer erfolgreichen Koproduktion stets in einer zeitlosen Geschichte liegt. Diese muss gleichzeitig die polnischen und die deutschen Produzenten überzeugen und begeistern. Die meisten dieser Produktionen behandeln so weder "klassisch" polnisch-deutsche Themen noch historische Sujets der gemeinsamen, tragischen Vergangenheit. Baliński erklärt, dass Filme, die aktuelle Themen behandeln und menschliche Schicksale darstellen, eher gefragt sind, weil sie der zeitgenössischen Richtung des europäischen Kinos entsprechen und auf Festivals gut ankommen.

Szene aus dem Film "33 Szenen aus dem Leben" (2009) von M. Szumowska (Foto: Realfiction Filme)
Julia Jentsch in "33 Szenen aus dem Leben" von Malgorzata SzumowskaBild: Realfiction Filme

Erfolg auch beim internationalen Publikum

Szumowskas Protagonisten könnten überall auf der Welt leben. "Das Leben in mir" (2004) erzählt die Geschichte der jungen Eva, die schwanger ist und ihr Kind abtreiben will. Durch Zufall erfährt sie, dass ihr ungeborenes Kind sie hören kann. Dadurch ändert sie langsam das Verhältnis zu ihrem Kind. In "33 Szenen aus dem Leben" (2008) sieht sich eine erfolgreiche, junge Künstlerin - gespielt von Julia Jentsch - mit der unheilbaren Krankheit und dem Tod ihrer Mutter konfrontiert. Die Heldin des Films "Elles" (2011), gespielt von Juliette Binoche, arbeitet als Journalistin. Für die Zeitschrift "Elle" bereitet sie eine Reportage über junge Frauen vor, die sich prostituieren, um ihr Studium zu finanzieren. In ihren Filmen zeichnet Szumowska in poetischen Bildern die Reifeprozesse unterschiedlicher Frauen nach, spricht über Sexualität, Liebe oder Tod, ohne Pathos, auch mit Humor. Das hat das internationale Publikum beeindruckt.

Nach Aussage der Produzentin Ewa Puszczyńska bauen solche Koproduktionen auch Brücken zwischen den Ländern. Polnische und deutsche Filmemacher könnten sich gegenseitig inspirieren. Ein Beispiel hierfür ist auch der deutsche Filmregisseur Johannes Schmid mit seinem Film "Wintertochter" (2011). Seine Koproduktion erzählt das Schicksal der in Berlin lebenden kleinen Katharina. Eines Tages entdeckt das Mädchen, dass ihr leiblicher Vater Russe ist und aus Wladiwostok stammt. Katharina macht sie sich auf den Weg nach Polen, wo der Vater gerade arbeitet.

Plakat 33 Szenen aus meinem Leben (Foto: Realfiction)
Bild: Realfiction

Europa rückt zusammen

"Das war für mich eine faszinierende, erste Reise nach Polen. Polen rückt immer mehr in das Bewusstsein der deutschen Gesellschaft, besonders unter Jugendlichen. Am Set haben sich zwei Generationen und zwei Mentalitäten getroffen“, so Schmid. Die Produktion erhielt im Frühjahr den Deutschen Filmpreis in der Kategorie "Bester Kinderfilm" und kommt im Herbst in die europäischen Kinos.

Eine schöne Überraschung war auch der Abschlussfilm an der HFF "Konrad Wolf" in Babelsberg "Sommer auf dem Land" von Robert Węgrzyn (2010). Diese Produktion handelt von dem Pianisten Bogdan, der nach dem Tod seiner Frau entscheidet, nach Polen zurückzukehren. Auf dem Land findet er zunächst keine Ruhe. Beim Kauf von Milch lernt er dann eine "musikalische Kuh" kennen. "Sommer auf dem Land" vermischt Melancholie und Humor und setzt in der Hauptrolle auf das Charisma des berühmten polnischen Schauspielers Zbigniew Zamachowski. "Ich wollte den Film in beiden Ländern drehen. Aber es ist eher eine Geschichte über Liebe und Leben, als über die deutsch-polnische Nachbarschaft", sagt Robert Węgrzyn.

Szene aus Wintertochter (Foto: Verleih)
Bester Kinderfilm: "Wintertochter" von Johannes SchmidBild: ZorroFilm

Für den Oscar nominiert

"In Darkness" von Agnieszka Holland wurde in diesem Jahr für den Oscar in der Kategorie "Bester fremdsprachiger Film" nominiert. Das Kriegsdrama behandelt den Holocaust und beschreibt das Schicksal der Familie Chigierów und einer Gruppe von Juden, die sich über 14 Monate in den Kanälen des Lemberger Ghetto versteckt halten. "Zwar handelt es sich bei dem Film um eine internationale Koproduktion (zusammen mit Kanada), aber ohne finanzielle Unterstützung insbesondere aus Polen und Deutschland hätte er nicht realisiert werden können“, sagt Baliński. Obwohl der Film sich mit dem 2. Weltkrieg beschäftigt, geht es in erster Linie um eine allgemeingültige, menschliche Geschichte.

Die Vorteile einer Koproduktion sind vielfältig. Ein Vorteil liegt auch in der besseren Vermarktung. Laut Szumowsksa entscheiden weltweit operierende Agenten, ob ein Film bei ausländischen Distributoren angezeigt wird. Ihretwegen wurde der Film "Elles" bisher in 35 Ländern gezeigt. Experten gehen davon aus, dass Koproduktionen ein viermal größeres Publikum erreichen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Filme außer in den Kinos auch im Fernsehen und auf Filmfestivals gezeigt werden. "Wir zielen auf den deutschen, den polnischen und auch auf den europäischen Markt", sagt Oliver Rittweger vom deutsch-polnischen Co-Development Fonds.

Szene aus dem Film "Sommer auf dem Land" von R. Wegrzyn. Foto: Farbfilm Verleih
Melancholie und Humor - "Sommer auf dem Land" von Robert WegrzynBild: Farbfilm Verleih

Verschiedene Kulturen - gemeinsamer Film

Das wichtigste für einen Erfolg einer solchen Koproduktion ist, dass man einen gemeinsamen Nenner findet, ohne auf Originalität verzichtet. Nicht zuletzt mit Blick auf die Vermarktung der Filme liegt die Zukunft des europäischen Kinos in gemeinsamen Koproduktionen. Die Beispiele aus dem deutsch-polnischen Bereich belegen eindrucksvoll, dass verschiedenen Kulturen zusammenwachsen können. Das Verbindende erweist sich dabei stärker als das Trennende.