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Kino zum Lesen: Real America

Jochen Kürten19. April 2013

Was sich in den USA abseits von Hollywood tut - junges, sozialkritisches Kino jenseits von Glamour und Independent-Kult.

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Bild: picture alliance/landov

Wahrscheinlich ließ es sich nicht mehr übersehen. Die Regisseure mussten einfach reagieren. Dass Hollywood sich nicht des Themas annehmen würde, war vorauszusehen: Die USA sind ein gespaltenes Land, Arm und Reich sind krasse, sichtbare Zeichen der US-Gegenwart. Das ist zwar keine ganz neue Erkenntnis, doch die Eigentumsschere hat sich in den letzen Jahren dramatisch weit geöffnet. Das lässt sich nicht mehr übersehen. Also mussten andere Filmemacher als die Hollywoodhaudegen ran, unbekanntere, die fernab der großen Studios produzieren. Im März 2009 erwähnte ein US-Kritiker das neue Kino-Phänomen erstmals: ein neues, sozialkritisches, neorealistischen Kino war auszumachen. Als Schlagwort dafür hat sich "Real America" eingeprägt.

Mit diesem Real America setzen sich die drei Autoren des gleichnamigen Bandes, der den Untertitel "Neuer Realismus im US-Kino" trägt, auseinander. Einige dieser Filme liefen auch in den deutschen Kinos. "Wendy und Lucy" von Kelly Reichardt und "Winter's Bone" von Debra Granik dürften die bekanntesten sein. In ihnen wird ein ganz anderes Amerika sichtbar, als das, dass wir von Hollywood präsentiert bekommen. Es ist ein Land sozialer Brennpunkte und Armut, eine Gesellschaft, in der Außenseiter inzwischen die Mehrheit auszumachen scheinen, eine Nation, die wahnwitzige Einkommensunterschiede aufweist.

Was die Filme des Real America ausmacht, ist die Haltung, wie die drei Filmjournalisten schreiben, "eine Haltung zu ihren Geschichten, zu ihren Figuren, zu ihrem Land und dem, was darin vorgeht, zu dessen wirtschaftlichen, politischen und sozialen Fragen, eine Haltung, die aus den Filmen klar und deutlich abzulesen ist, ohne dass sie einem vorgefertigt und unhinterfragbar ins Zuschauergehirn eingepflanzt würde." Mag sein, dass diese Filme eine Momentaufnahme sind, mag auch sein, dass ihre Macher und Stars, wie schon so viele vor ihnen, demnächst von Hollywood aufgesogen werden - derzeit zumindest kommt aus Nordamerika eine aufregende und geradezu europäisch, ernsthaft anmutende Filmströmung.

Gunnar Landsgesell, Michael Pekler, Andreas Ungerböck: Real America - Neuer Realismus im US-Kino, Schüren Verlag, ISBN 978 3 89472 778 9, 208 Seiten, 19,90 Euro.